Kirchenbauwerke gehรถren in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfรคltige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen โ und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.
Die Martinskirche war die neogotische Backsteinkirche, errichtet zwischen 1898 und 1902 auf dem Drรคseckeplatz, Ecke Salzwedeler Straรe, in der Alten Neustadt von Magdeburg. Sie wurde als eigene Gemeindekirche fรผr die bis dahin zur Nikolaikirche gehรถrenden evangelischen Christen errichtet.
Das Gotteshaus hatte ein vierjochiges Langhaus und hatte mit seinem 66 Meter hohen Kirchturm, reicher Ausmalung und groรzรผgiger Jugenstil-Ausstattung architektonische Ausstrahlung.
Mรถglich wurden Bauwerke dieser Art in der Alten Neustadt erst nach der Lockerung der Rayonsbestimmungen der Festung Magdeburg โ und nach Abtragung deren Festungsgรผrtels. Grundsteinlegung war am 31. Oktober 1898, Kirchweihe am 10. November 1902.
Vor dem Hauptportal der Kirche stand eine Statue Martin Luthers โ eine verkleinerte Nachbildung des berรผhmten Lutherdenkmals in Worms. Im Altarraum waren drei farbige Fenster eingefรผgt.
Der zu Ehren des Reformators gewรคhlte Name Martinskirche bezog sich zugleich auf die frรผher dort stehende Martinikirche, die dem Heiligen Martin von Tours geweiht war.
1914 wurde das Gemeindehaus in der Salzwedeler Straรe 18 vollendet. Wie รผberall im damaligen Deutschland musste auch diese Kirche im Ersten Weltkrieg zinnerne Prospektpfeifen der Orgel und zwei Bronze-Kirchenglocken abgeben โ sie wurden als Material zur Rรผstungsproduktion eingeschmolzen.
Die Orgelpfeifen wurden 1921 von Orgelbauer Ernst Rรถver neu gefertigt โ er hatte 1902 die Orgel erschaffen. Die Glocken wurden von zwei Glocken aus Stahlguss ersetzt.
Wรคhrend des Zweiten Weltkriegs wurde die Martinskirche schwer beschรคdigt: Turmhelm und Kirchendach verbrannten beim Bombenangriff auf Magdeburg am 16. Januar 1945; Kirchturm und Kirchenmauern รผberstanden das Feuer.
Das Gotteshaus diente hunderten Magdeburgern regelmรครig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stรคtte festlicher Begegnung. Sie war vertraute, heimatliche Feierstรคtte fรผr Taufe und Konfirmation, fรผr Trauung, Silberne und Goldene Hochzeit und fรผr den Heimgang Hunderter Bรผrger. Sie war Ort der Gemeinsamkeit fรผr Andacht und Hoffnung, fรผr Zuversicht und Freude, fรผr Trauer und Leid.
Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit demselben Schicksal wรผnschten sich die Christen dort das Wiedererstehen ihrer Kirche.
Es blieb ein frommer Wunsch: Der Wiederaufbau wurde DDR-staatlicherseits nicht zugelassen. Im Jahr 1959 erfolgte die Sprengung der beschรคdigten Kirche. Die 1922 gespendete Kirchenglocke ist ein verbliebenes, mahnendes Zeitzeugnis der Martinskirche.
2006 nannte die Stadt Magdeburg einen in der Nรคhe entstandenen Platz Martinsplatz โ zur Erinnerung an das verlorene Gotteshaus.
Koordinaten: 52ยฐ 8โฒ 53,5โณ N, 11ยฐ 39โฒ 11,2โณ O
Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Martinskirche_(Magdeburg)
https://www.ek-md.de/kulturtourismus/kulturtourismus-verlorenekirche.html
https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-magdeburg
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