Es wäre natürlich zu schön gewesen: 1950 wäre „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry auf Deutsch erstmals in Ostdeutschland erschienen, in Markkleeberg. Das hätte durchaus passieren können, wäre man in der Sowjetischen Besatzungszone mit Verlegern und Verlagen anders umgegangen. So erinnert heute eine kleine Tafel in Markkleeberg daran, was durchaus hätte passieren können.
Denn Saint-Exupéry war ja tatsächlich hier, wie Birk Engmann von der Bürgerinitiative Markkleeberg-Ost zu berichten weiß.
„In Markkleeberg-Ost weilte der berühmte französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer des ‚Kleinen Prinzen‘. Hier in der Bornaischen Straße 35 in Markkleeberg-Ost befand sich der Karl-Rauch-Verlag, der sein Buch ‚Wind, Sand und Sterne‘ zuallererst auf Deutsch veröffentlichte. Das historische Haus steht noch unverändert“, schreibt Birk Engmann und warnt die Leipziger: „Achtung: Nicht verwechseln: Die Bornaische Straße 35 gibt es auch in Leipzig-Connewitz.“
Dass der Kleine Prinz auf der kleinen Zauntafel mehr so ein Hingucker ist, weiß er: „Der ‚Kleine Prinz‘ wurde indes nicht in Markkleeberg veröffentlicht, wir haben aber in unserer Gedenktafel das Buchcover mit Genehmigung vom Karl-Rauch-Verlag wegen des hohen Wiedererkennungswertes verwendet. Die Geschichte hat eine Autorin der Leipziger Blätter im Jahre 2012 publik gemacht. Der Artikel war Inspiration für die Gedenktafel, die die heutzutage im Haus Nr. 35 ansässige Firma Höffl gesponsort hat. Ich hoffe, dass der neu entdeckte historische Ort Stadtführungen und Stadtrundfahrten bereichern wird.“
Hingewiesen auf die Markkleeberger Geschichte des Karl Rauch Verlages hatte Sabine Knopf in ihrem Beitrag „Wo Hitler König ist, ist für mich kein Platz. Ein Deutschlandbesuch Antoine de Saint-Exupérys im Jahre 1939“ in den Leipziger Blättern, Band 60, erschienen im Passage-Verlag, 2012.
Als „Der Kleine Prinz“ auf Deutsch erschien, war der Karl Rauch Verlag nicht mehr in Markkleeberg. 1937 war Karl Rauch mit seinem Verlag von Dessau nach Markkleeberg umgezogen und hatte noch 1939 mit „Wind, Sand und Sterne“ den ersten Titel von Antoine de Saint-Exupéry verlegt.
„Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs geriet die Arbeit des Verlags zunehmend unter den Druck der nationalsozialistischen Machthaber. Im März 1945 wurden das Verlagshaus und das Lager bei einem Luftangriff völlig zerstört“, erzählt der Verlag auf seiner Website den entscheidenden Abschnitt in seiner Geschichte.
„Nach dem Krieg, im Frühjahr 1948, erfolgte dann die Übersiedlung nach Boppard am Rhein. Durch die Umwandlung in eine GmbH am 1. Juli 1949 mit Sitz in Düsseldorf und der Familie Bagel als Inhaber wurde der Fortbestand des Verlags gesichert, die Buchproduktion ausgeweitet. Bei Karl Rauch erschienen weitere Werke von Saint-Exupéry, darunter 1950 ‚Der Kleine Prinz‘, aber auch erste deutsche Übersetzungen anderer zeitgenössischer französischer Autoren wie Albert Camus und Boris Vian.“
Die Übersetzungsrechte für „Der Kleine Prinz“ hatte Karl Rauch noch in den letzten Jahren in der Sowjetischen Besatzungszone erworben. Es wäre also durchaus möglich gewesen, dass der Weltbestseller auf Deutsch zuerst in Markkleeberg verlegt worden wäre.
Erschienen war „Le Petit Prince“ zuerst 1943 in New York, „wo der Autor, Antoine de Saint-Exupéry, zu diesem Zeitpunkt lebte. Die erste deutsche Übersetzung veröffentlichte der Karl Rauch Verlag 1950. Der von Grete und Josef Leitgeb angefertigte Text ist bis heute maßgeblich in deutscher Sprache. Von ihnen stammen Sätze wie ‚Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar‘, die – einmal gelesen – ein Leben lang im Gedächtnis bleiben“, erzählt der Karl Rauch Verlag zu dieser Geschichte.
Aber für Freunde des „Kleinen Prinzen“ lohnt sich der Ausflug trotzdem. Denn natürlich findet man den Autor und seine Sicht auf die Welt auch in „Wind, Sand und Sterne“. Und wer sich 2020 den Kalender „Verlegerhäuser“ aus dem Sax-Verlag gesichert hat, der weiß auch, dass es in der kleinen Stadt im Süden Leipzigs noch viel mehr Häuser und Villen von namhaften Verlegern zu entdecken gibt, die ihre Bücher meist nebenan in der großen Buchstadt Leipzig produzierten ließen, die noch ländliche Stille in Markkleeberg aber zum Wohnen und Arbeiten bevorzugten. Wobei für Karl Rauch hinzukam, dass er selbst ja gebürtiger Markkleeberger war und das Haus in der Bornaischen Straße sein Elternhaus.
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