Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.
Die Anstaltskirche Krankenhaus Johannstadt, auch bekannt als Krankenhauskapelle Johannstadt, war die Kirche des Stadtkrankenhauses Johannstadt in Dresden.
Zum Ausklang des 19. Jahrhunderts reichten in Dresden die Kapazitäten der städtischen Krankenhäuser nicht mehr aus. Zusätzlich alarmiert von der Grippewelle 1889/90 fiel im Stadtrat der Beschluss zum Neubau eines Klinikums: Größer als alles Vergleichbare in Dresden, sollte es eine kleine Stadt in der Stadt werden – mit eigener Kirche.
Das Gotteshaus in zentraler Lage auf dem Krankenhausgelände ist auch klarer Hinweis für die bereits damals erkannte Wichtigkeit der seelischen Stärkung zur körperlichen Gesundung.
Ab 1898 wurde zeitgleich mit dem Stadtkrankenhaus Johannstadt dessen Anstaltskirche errichtet. Sie wurde mit Eröffnung des Krankenhauses am 2. Dezember 1901 von Superintendent Franz Dibelius geweiht. Architekt der Kirche und des Krankenhauses war Edmund Bräter (1855–1925).
Das Gebäude entstand im Stil der Neuromanik. Die Rundbögen der Fenster und das Westportal waren nach dem Baustil der Romanik gestaltet, Kirchturm und Kirchendach hatten barocke Elemente. Die Reliefs und Verzierungen an den Außenseiten der Kirche stammten von Bildhauer Otto Schilling. Der Kirchturm war etwa 31 Meter hoch, er hatte eine Uhr mit vier Zifferblättern und zwei Bronze-Glocken.
Das Innere der Kirche war vorwiegend im Jugendstil gestaltet. Die Buntglasfenster mit biblischen Motiven in schmiedeeisernen Rahmen schuf Historienmaler Eugen Louis Otto. Die Orgel erbaute das Unternehmen Jehmlich Orgelbau Dresden: Sie hatte zwei Manuale, 12 Register und 810 Orgelpfeifen. Der Altar bestand aus französischem Sandstein und zeigte das Relief „Christus am Ölberg“.
Das Kirchenschiff war im Hauptsims 10,5 Meter hoch, die Holzdecke mit dekorativ ausgebildeten Dachbindern hatte eine Höhe von 13 Metern. Die innere Grundfläche betrug 415 Quadratmeter. Es gab ein Dienstzimmer für den Geistlichen, Vorraum und Vorhalle sowie den Treppenaufgang zum Kirchturm, der Orgel- und Sängerempore und dem Chorzimmer. Die Kirche hatte 325 Sitzplätze – und einige Stellplätze für Patientenbetten. Zwei Betstuben waren von außen zugänglich.
Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es Pläne zum Bau eines Biologischen Krankenhauses: Die Anstaltskirche und einige Wirtschaftsgebäude sollten abgerissen werden, um an ihrer Stelle das neue Gebäude zu errichten. Die Pläne scheiterten mit Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Die Krankenhaus-Kirche diente regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter Treffpunkt für Hunderte Patienten, deren Angehörige und die dort Beschäftigten. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Hoffnung, Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.
Bei den Luftangriffen auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 wurde das Gotteshaus schwer getroffen, es brannte aus bis auf die steinernen Mauern.
1946 beschloss die Krankenhausleitung dessen Abriss, obwohl das Kirchengebäude im Vergleich zu anderen Gebäuden auf dem Krankenhausgelände relativ gut erhalten war. Auch wurde es als „kunstgeschichtlich nicht wertvoll“ eingestuft. Der Abriss begann im Frühling 1950 und dauerte bis 4. Mai 1950.
Dort, wo zuvor die Kirche war, gab es nun eine Grünfläche. Darauf stand in den 1950er Jahren eine Tafel mit der Aufschrift: „Auf diesem Boden stand die Anstaltskirche, welche von Anglo-Amerikan. Bomben am 13. Februar 45 zerstört wurde“. Die Grünfläche bestand knapp 50 Jahre.
Ende 1997 gründete sich der „Förderverein Ökumenisches Seelsorgezentrum am Universitätsklinikum Dresden e. V.“ Sein Hauptziel: Die Errichtung eines ökumenischen Seelsorgezentrums als Nachfolger der einstigen Anstaltskirche. Er warb Spenden ein, um das den aktuellen Bedürfnissen angepasste Gebäude zu errichten – mit Kirchenraum sowie Arbeits- und Gesprächsräumen für die evangelische und katholische Krankenhausseelsorge. Patienten sollten dort Raum und Stille finden – zur Meditation, zur Besinnung auf sich selbst und ihr zukünftiges Leben wie auch zum Gebet.
Am 5. Dezember 2000 war es so weit: Auf dem früheren Kirchengelände wurde der Grundstein gelegt für das ökumenische Seelsorgezentrum des Universitätsklinikums „Carl Gustav Carus“. Der Neubau entstand nach Plänen der Architekten Johannes Kister, Reinhard Scheithauer und Susanne Gross. Seine Weihe war am 2. Dezember 2001 – auf den Tag genau 100 Jahre nach Weihe der Anstaltskirche.
Koordinaten: 51° 3′ 19,9″ N, 13° 46′ 43,7″ O
Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anstaltskirche_Krankenhaus_Johannstadt
https://www.uniklinikum-dresden.de/de/patienten-und-besucher/service/seelsorge/geschichte-der-alten-kirche
http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/80804690
https://www.dresden.de/media/pdf/denkmal/verlorene-kirchen-2018_web.pdf
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