Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.
Ursprungsort der Lukaskirche und ihrer Kirchgemeinde war die Petrikirche in Chemnitz. Wie das? Die Einwohnerzahl der Stadt wuchs und wuchs zwischen 1880 und 1900: Immer mehr Menschen suchten in der Stadt Arbeit und Wohnung. So wuchsen auch die dortigen Kirchgemeinden – bis aufgrund des zu großen Zuwachses neue Kirchgemeinden gegründet, also „ausgepfarrt“ wurden.
So wurde am 1. Januar 1897 aus der übergroß gewordenen Petrigemeinde die Lukasgemeinde ausgegründet. Sie zog in das 1894 vollendete Pfarrhaus mit Hof und Garten am Josephinenplatz.
Im Frühjahr 1887 hatte die Petrigemeinde den etwa 300 m² umfassenden Josephinenplatz gekauft – er sollte Standort für eine neue Kirche werden. Ab 1895 befasste sich der Verein „Schillertisch“ mit den Plänen zum Bau der neuen Kirche und zur Beschaffung von Mitteln für ihre Ausstattung.
Gotteshaus im Stil der Renaissance
Zwischen 1897 und 1898 gab es für das Gotteshaus einen Architekturwettbewerb, die Entscheidung fiel für den Entwurf von Architekt Ernst Giese und dessen Sohn Friedrich aus Dresden. Die Bauarbeiten begannen im März 1899, sie dauerten bis Januar 1901. Kirchweihe war am 9. Januar 1901. Die Kosten für das beeindruckende Gotteshaus im Renaissance-Stil beliefen sich auf 484.000 Mark.
Die Kirche hatte sechs Zugänge, durch das Hauptportal ging es in die sogenannte Brauthalle. Dort führten drei große Türen in das Kirchenschiff.
Das war mit Rosen, Lilien und Passionsblumen ausgemalt. Es gab fünf große Figurenfenster. Die Fenster im Altarraum zeigten „Die Verkündigung der Geburt Jesu an die Hirten“, „Der Gang nach Emmaus“ und „Die Himmelfahrt Jesu“, die beiden links und rechts in den Seitenapsiden „Jesus bei Martha und Maria“ und „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ – alles Szenen, die nur das Lukas-Evangelium erzählt. Unter den Altarfenstern zeigte eine fünfteilige Altarwand „Das letzte Abendmahl“.
Auf dem Altartisch stand ein Eichenkreuz. Das Altargemälde entstand nach 1903 aus Mitteln des Landes-Kunstfonds.
Am 5. März 1945 wurde die Kirche beim Bombenangriff auf Chemnitz getroffen und beschädigt. Mehr als vier Jahrzehnte war die Lukaskirche Stätte festlicher Begegnung sonntags zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang hunderter Bürger von Chemnitz. Sie war der vereinende Raum für Freude, Zuversicht und Hoffnung, für Kummer, Trauer und Leid.
Abriss kurz nach Kriegsende
Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit demselben Schicksal wünschten sich die Christen in Chemnitz das Wiedererstehen ihrer Kirche. Es blieb ein frommer Wunsch: Der Abriss der teilzerstörten Lukaskirche erfolgte 1947 oder 1948. Fraglich bleibt, dass dies tatsächlich die freie und eigene Entscheidung der Gemeinde war. Diese ging dahin zurück, woher sie einst gekommen war – sie wurde wieder Bestandteil der Petrigemeinde.
Wozu die SED-Stadtplaner im Rathaus von Karl-Marx-Stadt in Sachen Kirchengebäude fähig waren, zeigte sich 1961 überdeutlich: Da informierte das Stadtbauamt am 27. Februar dieses Jahres die St.-Pauli-Gemeinde, ihr Kirchen-Grundstück werde „für den Bau von achtgeschossigen Wohnblöcken in Anspruch genommen“. Gegen das sogenannte „Aufbaugesetz“ der DDR war kein juristischer Widerspruch möglich. Zugleich wurde die Grundstücks-Enteignung verfügt – rückwirkend zum 1. Januar 1961. Das Gotteshaus wurde gesprengt.
In Chemnitz (ab 1953: Karl-Marx-Stadt) fielen außer der Lukaskirche drei weitere Kirchen der SED-Städtebaupolitik zum Opfer: die Paulikirche, die Nikolaikirche und die Johann-Nepomuk-Kirche.
Forscher: Kirchen hätten gerettet werden können, störten aber SED-Machthaber
„Die meisten Kirchen hätten gerettet werden können“, sagte Christian Halbrock, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Berlin, im Jahr 2018 der Kirchenzeitung „Glaube und Heimat“. Doch das widersprach den SED-Plänen zur sozialistischen Umgestaltung von DDR-Bezirksstädten nach dem Vorbild der Sowjetunion – etwa mit mehrspurigen Magistralen für Aufmärsche.
Zudem: „Kirchengebäude und das Wächteramt der Kirchen störten bei der Umerziehung zum ‚neuen Menschen‘“. Wenn eine Stadt in der DDR Bezirksstadt wurde, bedeutete dies das politisch erzwungene Aus für zahlreiche historische Bauwerke verschiedenster Art.
Einige Ausstattungsstücke der Lukaskirche fanden in der Petrikirche ihr Zuhause – und erinnern an die ausgelöschte Kirchentochter: der Christuskörper des Altarkreuzes und die beiden Altartisch-Leuchter. So auch das Lukasfenster an der Westempore als besondere Verbindung der vormaligen „Mutter-Tochter“-Kirchgemeinden. Ihre drei Gussstahlglocken mit den Schlagtönen c¹, es¹ und ges¹ aus der Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer kamen ebenfalls in die Petrikirche zu Chemnitz.
Dort, wo einst die Lukaskirche zu Chemnitz stand, hält ein Gedenk-Ort aus einigen ihrer Mauerreste mit Informations-Tafeln die Erinnerung an sie wach.
Koordinaten: 50° 50′ 57,6″ N, 12° 55′ 44″ O
Quellen und Links:
http://www.ag-geschichte-kassberg-altendorf-schlosschemnitz.de/Wissenswertes/Schlosschemnitz/Lukaskirche.htm
https://dewiki.de/Lexikon/Chemnitz-Schlo%C3%9Fchemnitz#Lukaskirche
http://www.chemnitzgeschichte.de/bdst-top/schloss
https://sps.kirchechemnitz.de/erinnerungen-lukaskirche.html
https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-chemnitz
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