Vor 80 Jahren, am 21. Januar 1942, ging bei bitterer Kälte der erste Deportationszug mit 561 Leipzigern – jüdischen Frauen, Kindern, Männern – über Dresden nach Riga. Die Fahrt war Teil einer deutschlandweiten „Aktion" zur Ermordung der deutschen Juden. Diese Deportationen noch vor der Errichtung der großen Vernichtungslager in Osteuropa ist in der Erinnerung an den Holocaust weniger bekannt.
„Am 21. Januar brachte man uns mit Lastwagen zum Bahnhof. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Da standen Kinder draußen und riefen: ‚Die Juden fahren nach Palästina!‘ … Aber: Es war ein sehr kalter Winter. Viele Leute hatten erfrorene Gliedmaßen, einige starben im Zug…“, daran erinnerte sich Regina Belenky noch nach mehr als 50 Jahren.
Sie wurde mit dem 1. Transport am 21. Januar 1942 mit ihren Eltern aus Leipzig nach Riga verschleppt. Nur durch Glück überlebte sie verschiedene KZ. Ihre Eltern wurden ermordet.
Neun Deportationen aus Leipzig – nur wenige überlebten
Bis Februar 1945 fanden aus Leipzig neun Deportationen in verschiedene Vernichtungsorte und KZ statt. Insgesamt 1830 jüdische Frauen, Kinder und Männer wurden meist vom Güterbahnhof Engelsdorf aus in den besetzten Osten Europas in Züge gepfercht. Nur wenige Hundert überlebten.
Die Menschen in Leipzig mussten sich mit nur wenig Gepäck im Sammellager, der 32. Volksschule in der Yorkstraße, einfinden. Das meiste wurde ihnen sofort abgenommen. In ungeheizten Waggons der 3. Klasse, später nur noch Güterwaggons, und ohne Essensversorgung fuhren die Züge tagelang nach Riga, Auschwitz oder Theresienstadt.
Interview mit Regina Rubinstein
Seit Herbst 1941 schickten das Reichssicherheitshauptamt und die Gestapo aus deutschen Großstädten Sammeltransporte nach Osten, wo Tausenden Juden, denen die Flucht nicht gelungen war, zunächst vorgegaukelt wurde, sie würden dorthin umgesiedelt. Die ersten Züge fuhren in das Ghetto Riga, wo die vorher dort lebenden lettischen Juden bereits umgebracht worden waren, und wo auf die Menschen aus dem Deutschen Reich unvorstellbar schwere Lebensbedingungen oder die Erschießung wartete.
Vor achtzig Jahren: die berüchtigte Wannsee-Konferenz
Fast zeitgleich fand am 20. Januar 1942 in einer Berliner Villa die berüchtigte Wannsee-Konferenz statt. Auf ihr wurde die Ermordung aller europäischen Juden geplant. Damals ein geheim gehaltenes Ereignis, eine bürokratische Tagung, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, die jedoch historische Bedeutung bekommen sollte. Hatte sie diese auch für Leipziger Juden?
Ja, denn sie markierte die Verfolgung all jener, die auch als Flüchtlinge in den besetzten Ländern Europas lebten. Aber für die Menschen, die trotz Entrechtung und Verfolgung noch in Leipzig geblieben waren, weil sie keine Papiere oder Geld für die Auswanderung hatten oder nicht gehen konnten, hatte sie es nicht. Die Organisation ihrer Ermordung war an diesem Tag schon im vollen Gange.
Die bewegende Geschichte der Zeitzeugin Regina Rubinstein, geb. Belenky, ist als Video in der Dauerausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums und online einsehbar.
Wir haben den Youtube-Clip auch im Text verlinkt.
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