Man liest den Namen, kommt aber nicht gleich auf die Idee, dass auch ein Kupferstecher eine eigene Lebensgeschichte haben könnte, spannend genug für einen Eintrag in Zedlers Lexikon, reichhaltig genug aber auch für ein ganzes Buch. Das hat jetzt der in Lüneburg lebende Kulturhistoriker Dr. Eckhard Jäger geschrieben. Und der Aufhänger: der schönste und präziseste Kupferstich der Leipziger Innenstadt.
Der stammt nämlich von Johann George Schreiber (1676–1750): Es ist eine Ansicht aus der Vogelperspektive vom Marktplatz über das Alte Rathaus zur Nikolaikirche und zur Universität.
Dieser Zeitgenosse von Johann Sebastian Bach wurde bekannt durch seine für die damalige Zeit genauesten Landkarten der Oberlausitz und der Stifte Naumburg-Zeitz sowie durch seine etwa 150 kleinen Landkarten (von Mitteldeutschland bis in alle Welt), die er ab 1727 zu einem „Atlas selectus“ zusammenstellte. Er hat damit erstmals in Sachsen einen Weltatlas geschaffen. Nunmehr liegt die erste Buchveröffentlichung über diesen vielseitigen Künstler vor.
In Eckhard Jägers Buch werden insgesamt mehr als 300 seiner Kupferstiche katalogisiert und kommentiert. Besonders hervorzuheben sind seine für die Baugeschichte der Barockzeit in Leipzig bedeutenden Ansichten der Patrizierhäuser in der Katharinenstraße und am Markt, ferner Ansichten vom Thomaskirchhof und der Promenade (am späteren Dittrichring), wo sich das Leipziger Publikum vergnügte.
Der in Spremberg in der Lausitz geborene Johann George Schreiber war – mit heutigen Maßstäben gemessen – ein Selfmademan, der aus bescheidenen Verhältnissen als Tischlersohn in der Oberlausitz kommend ein kleines Verlagsimperium aufbaute. Den Kupferstich hat sich der Sohn eines Tischlers selbst beigebracht. Und er beherrschte ihn schon in seiner Jugend so gut, dass er bald schon anspruchsvolle Aufträge zur Kartografie in Sachsen bekam.
Schon in seiner Jugend konnte er sowohl die Stadträte in Bautzen und Leipzig als auch die Oberlausitzer Landstände und den Herzog von Sachsen-Zeitz von seinen Fähigkeiten im Kupferstich- und Landkartenfach überzeugen. An der Uni Leipzig studierte er kurzzeitig auch Mathematik und Geographie, ging dann aber – weil er in Leipzig darbte – nach Zeitz, wo er zwar Aufträge bekam, sich aber in dieser Abgeschiedenheit überhaupt nicht wohlfühlte. Weshalb ihn sein Weg dann wieder in die Verlagsstadt Leipzig führte.
Schreibers ursprünglich bescheidene Offizin (Kupferstichwerkstatt) wurde zum Familienunternehmen, das unter dem Namen „Schreibers Erben“ bis 1875 nachgewiesen ist. Gestorben ist Schreiber übrigens 1750 in Leipzig.
Das Buch von Eckhard Jäger versetzt die Leser nun in das Lebenswerk eines Künstlers und Verlegers, der in Leipzig und in der Oberlausitz Bedeutendes auf dem Gebiet der Kupferstichkunst geleistet hat.
Dr. Eckhard Jäger „Johann George Schreiber (1676–1750) Kupferstecher und Atlasverleger in Leipzig“, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2019, 39,95 Euro.
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