Wissenschaftler sind manchmal so kurz und trocken, selbst wenn sie kleine Schätze in den Bestand ihres Archivs übernehmen, so wie das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), das jetzt rund 600 Kunstpostkarten nach Aquarellen des gehörlosen Landschaftsmalers Erwin Spindler (1860-1926) aus der Zeit um 1900 als Geschenk erhalten hat. Spender der Sammlung ist der Leipziger Frank Gaitzsch.
Die Karten zeigen Motive aus Mitteleuropa und dem Alpenraum, besonders zahlreich sind Ansichten von Orten in Mitteldeutschland und den böhmischen Ländern.
„Die meisten der nach dem chromolithographischen Verfahren hergestellten Drucke erschienen zwischen 1898 und 1906 im Verlag der Leipziger Papiergroßhandlung Winkler & Voigt. Heute sind die kolorierten Spindler-Karten begehrte Sammlerobjekte“, fasst Heinz Peter Brogiato vom IfL seine Freude über das Geschenk kurz in Sätze. „Sie gelten nicht nur als besonders schön, wegen ihrer topografischen Genauigkeit sind sie überdies von historischem Wert. Fast alle Karten sind von Spindler signiert, sie lassen sich durch die einheitliche künstlerische Handschrift aber auch leicht identifizieren.“
Spindler studierte Landschaftsmalerei in Dresden und München, bevor er 1891 eine Stelle bei der Leipziger Notendruckerei C. G. Röder antrat. Geboren wurde er 1860 in Dresden. Und gehörlos war er auch nicht von Geburt an. Eine Scharlacherkrankung als Fünfjähriger war schuld daran. Was ihn nicht daran hinderte, bei den berühmten Professoren seiner Zeit zu studieren und zu einem eindrucksvollen Landschaftsmaler zu werden.
1889 heiratete er in München die ebenfalls gehörlose Elisabeth Crome, 1891 zogen beide nach Leipzig. Und das, was er als Künstler beherrschte, war gefragt.
Die Arbeit bei C. G. Röder ließ ihm genügend Zeit, um weiter seiner Leidenschaft, der Malerei, nachzugehen. In seiner Leipziger Zeit entstanden rund 400 Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde – zuletzt hatte er sein Atelier in Reudnitz in der heutigen Kurt-Günther-Straße 4. Dort unterrichtete er einige Jahre lang zudem Schüler im Malen und Zeichnen. Viele seiner Kunstwerke sind heute verschollen, auch die Gemälde, die als Vorlagen für die Ansichtskarten dienten.
Wer ihn im Jahr 1900 im Leipziger Adressbuch sucht, findet ihn als Kunstmaler und Lithograph in der Ludwigstraße 11 in Neustadt. Von da kam er zu Fuß oder mit dem Fahrrad relativ schnell zu seinem Arbeitsort bei C. G. Röder im Gerichtsweg 5-7. In der Ludwigstraße wohnte er parterre neben dem Kaufmann S. Faber.
Ganz vergessen ist er nicht. Dazu sind seine Arbeiten – gerade weil sie sehr naturgetreu sind – viel zu wichtig für die Stadt- und Regionalgeschichte.
Zweimal waren Arbeiten von Erwin Spindlers in den vergangenen Jahren in Leipziger Ausstellungen zu sehen. Im Jahr 2000 zeigte die Universität 90 seiner Zeichnungen und Gemälde, zehn Jahre später stellte die Sächsische Landesschule für Hörgeschädigte –Förderzentrum Samuel Heinicke 300 Ansichtskarten Spindlers aus eigenem Besitz aus. Damals galt diese Sammlung als die umfangreichste, die Ausstellungsmacher sprachen seinerzeit von 317 bekannten Spindler-Karten.
„Dies zeigt die Bedeutung der Sammlung, die Frank Gaitzsch nun dem IfL gestiftet hat“, betont Brogiato.
Und natürlich tauchen Spindlers Motive auch in den Postkartenbüchern zur Leipziger Stadtgeschichte immer wieder auf, weil sie selbst bekannte Motive aus dem Stadtbild oft aus einer besonderen Perspektive zeigen. Gestorben ist Erwin Spindler am 1. Januar 1926. Und Wikipedia betont auch nicht ohne Grund sein starkes Engagement für die Gehörlosengemeinschaft in Leipzig: „Er gründete den Sportklub ‚Lipsia‘, wirkte beim Gehörlosen-Theater mit, leitete die ‚Malschule Spindler‘, war Vorstandsmitglied im Sächsischen Taubstummenbund und gegen Ende seines Lebens auch Vorsitzender des Leipziger Taubstummenvereins.“
Warum die neue Leipziger Zeitung geradezu einlädt, mal über den Saurier Youtube nachzudenken
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