2011 veröffentlichte der Leipziger Stadtforscher Otto Werner Förster ein Buch, das die Leser mit einem Stück vergessener Geschichte bekannt machte – der Geschichte des Gastwirts Johann Georg Schrepfer, der 1774 im Rosental eines unnatürlichen Todes starb und als „Geisterseher“ in Friedrich Schillers berühmtem Krimi seinen literarischen Nachruhm erlebt. Eine Geschichte, der Förster jetzt wieder unverhofft begegnete, als er erfuhr, dass ein privater Bauherr an der Emil-Fuchs-Straße vier große Wohnhäuser errichten will. Ausgerechnet da, sagt er.
Denn das Grundstück an der Ecke Leibnizstraße/Emil-Fuchs-Straße hat eine Vorgeschichte. Und zwar nicht erst seit dem Bau der Propsteikirche, die hier von 1982 bis 2018 stand und am Ende auseinanderzureißen drohte, weil der Untergrund ins Rutschen kam. Was die Stadtverwaltung natürlich gewusst haben muss, als sie der Katholischen Propsteigemeinde ausgerechnet dieses Grundstück am Elstermühlgraben zum Neubau ihrer Kirche anbot, nachdem man den Wiederaufbau der alten katholischen Kirche St. Trinitatis gleich vis-à-vis vom Neuen Rathaus systematisch verhindert hatte.
Das Gelände gehört zum Rosental und war jahrhundertelang auch Überschwemmungsgebiet. Wer den hier verlaufenden Elstermühlgraben betrachtet sieht, dass das kein Grabenprofil ist, sondern dass hier einmal ein richtiger Fluss geflossen ist – nämlich die Weiße Elster, bevor sie im 19. Jahrhundert verlegt wurde und stattdessen der Elstermühlgraben in ihr Flussbett verlegt wurde.
Das Gelände am Rosental war sumpfig. Und hier lag noch im 18. Jahrhundert das Alte Lazarett, „welches auf einer 1556 von Moritz Thümmeln erkauften Landspitze am Eingange des Rosenthals liegt, die von der Pleiße und Elster gebildet wird“, schrieb Friedrich Gottlob Leonhardi in seiner Stadtbeschreibung von 1799. Die Pleiße floss nördlich des Grundstücks in einem Bogen Richtung Pfaffendorf, wo heute der Zoologische Garten liegt. Das Gelände galt als „etwas feucht“, bis man „den dort befindlichen Graben“ verfüllte.
Mit diesem Alten Lazareth, wie es auf einer Karte von 1788 heißt, ist Schrepfers Geschichte gleich doppelt verbunden. Nicht nur wurde der umtriebige Gastwirt, der augenscheinlich ein paar honorige Herren gewaltig verärgert hatte, nach seinem vermeintlichen Selbstmord (in Anwesenheit einiger dieser Herren) im Rosental in dieses Lazarett getragen und obduziert. Er wurde auch gleich auf dem Friedhof hinter dem Lazarett begraben.
Das vermutet zumindest Otto Werner Förster, denn da die Herren dafür sorgten, dass sein Tod als Selbstmord galt, war ihm eine Bestattung auf den christlichen Friedhöfen der Stadt verwehrt. Sodass er wohl auf den „im Rosenthale an der Elster liegenden Begräbnißplatz“ kam, „auf welchen in der Regel auch alle diejenigen begraben werden, welche sich selbst entleibet haben“, wie Leonhardi schreibt.
Und dieser Begräbnisplatz lag just dort, wo dann die Propsteikirche gebaut wurde und wo jetzt die vier Wohnhäuser entstehen sollen.
Und hier gibt es, so Otto Werner Förster, auch ein Massengrab aus der Völkerschlacht.
Es kann also passieren, dass die Bagger, wenn sie hier die Baugruben für die Wohnhäuser ausheben, auf jede Menge Knochen stoßen – von französischen Soldaten, im Lazarett Verstorbenen und allerlei Selbstmördern, die allesamt keine Grabsteine bekommen haben, sodass der „Begräbnißplatz“ nie ein richtiger Friedhof wurde, den man auch besuchen konnte. Und sodass auch niemand die Namen derer kennt, die hier liegen.
Otto Werner Förster findet es sehr erstaunlich, dass die Stadt das Grundstück wieder bebauen lässt. Ganz so, als wisse niemand mehr, dass es sich um einen Begräbnisplatz handelt. Und die Fundamente für die vier Häuser müssen tief gegründet werden, damit die Häuser nicht genauso ins Rutschen kommen wie die Kirche, die hier 2018 abgerissen wurde.
Historische Dokumente enthüllen eine sächsische Staatsaffäre
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Interessanter Artikel.
Da könnte man ja eine (bzw. viele) spannende, neue Verschwörungsgeschichte(n) daraus weiterbasteln ^^
Wenn der Stadtrat Leipzigs 1976 dem Johann Georg Schrepfer (als ‘Geisterseher’) und den anderen unchristlich begrabenen, im Krieg ermordeten Menschen (und meist wurden schon zu heidnischen Zeiten Fluss-Zusammenflüsse als heilige Orte genutzt, also eine noch weiter zurückliegende Nutzung als Begräbnisstätte wäre denkbar, wobei mäandernde Flüsse immer mal wieder ihren Lauf verlegen) mit seiner Grundstückswahl wirklich nachträglich, durch die (Kirchen-)Weihe ihres Begräbnisplatzes, einen Platz im katholischen Himmel verschafft hätte..
Und ob, die Geister der Verstorbenen durch die “Profanierung” der Kirche im Mai 2015 wieder aus dem katholischen Himmel verstoßen wurden..
Ob man dem Leipziger DDR Rat der Stadt soviel ‘sarkastischen Humor’ zutrauen darf?
Die Grundstücks- und Baugeschichte der zweiten St. Trinitatiskirche zu DDR-Zeiten liest sich etwas anders.
Der Rat der Stadt Leipzig hatte wohl zuerst eine Baugenehmigung für die 1847 geweihte, im 2. Weltkrieg zerstörte Alte Trinitatiskirche am alten Standort erteilt.
Nach irgendwelchem Hin und Her (Details zum Ablauf aus kirchlicher Sicht: 4*) erklärte der Rat der Stadt im Jahre 1973 die Verhandlungen über einen katholischen Kirchenneubau in Leipzig für endgültig beendet.
Gleichzeitig liefen aber Verhandlungen zwischen dem katholischen Bistum Meißen mit dem Außenhandelsministerium der DDR über einen Neubau, devisenfinanziert durch die Katholische Mutterkirche der BRD.
“Im Anschluss an diese Gespräche stellte der Leipziger Rat im Jahre 1976 auf Anweisung des Ministeriums[,] der Propsteigemeinde ein Grundstück an der Emil-Fuchs-Straße als Bauplatz zur Verfügung.”
Und wer das Grundstück ausgewählt hat, bleibt aber offen.. (1*)
BAUMATERIAL
Interessant wäre auch das für den Kirchenneubau Anfang der 1980er-Jahre für die Betonmischung eingesetzte Kiesmaterial (zumal der Turm ja erhalten werden soll).
Es gibt da Kiesgruben, die besonders alkalireaktiven Kies liefern. Aus der chemischen Reaktion zwischen Zement und Kies (und wenn dann noch zusätzlich Wasser einsickert bzw. unterirdisch hindurchfließt und auch noch nach oben gestaut wird), entsteht der sogenannte “Betonkrebs” – das Betonmaterial zerkrümelt und das Bauwerk zerstört sich quasi selbst nach einiger Zeit.
“Tatsächlich gab es Betonkrebs schon in den 1970er-Jahren. An vielen Plattenbauten der DDR und auch einigen Brücken in Westdeutschland. Als Ursache wurde zunächst Kies aus norddeutschen Steinbrüchen ausgemacht. Dessen Verwendung für Betonbauten wurde dann sowohl in der DDR als auch in Westdeutschland verboten.”
In der DDR wurde dann, Anfang der 1980er-Jahre, auch mit Kies aus südlichen Regionen der DDR gebaut, der sich ebenfalls als unbeständig gegen die Alkali-Kieselsäure-Reaktion erwies.
Die DDR, die für den Ausbau der Verkehrs- und Transport-Infrastruktur auf das Schienennetz gesetzt hatte, musste für die ‘Selbstzerstörung’ der neu verlegten Beton-Bahnschwellen bis zu ihrem Ende (zu) teuer bezahlen.
Zwischen 1983 und 1985 wurde dann in der DDR ein Prüfverfahren entwickelt, mit dem Kies auf die Betonkrebsgefahr getestet werden konnte.
Und eine Liste von 93 Kies-Beispielen erstellt, die für Betonbauwerke ungeeignet sind.
Nun, und als nach dem Anschluss der DDR der westdeutsche Autobahnbau im Osten begann, warnte der für die Entwicklung des Prüfverfahrens maßgebliche Gutachter, Dr. Gerhard Hempel, vor der Gefahr des “falschen” Kieses.
Das Bundesverkehrsministerium nahm seine Warnungen ernst und empfahl 1992 der DEGES,
Dr. Hempels Prüfverfahren auch im Fahrbahnbau anzuwenden.
“Die DEGES, eine von allen Bundesländern und dem Bund gemeinsam für Bauprojekte der deutschen Einheit gegründete Gesellschaft, ignorierte das. Noch heute teilt sie mit, es hätte keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte für drohende Schäden gegeben.”
Und die, für das erweiterte Bundesgebiet übernommenen, westdeutschen Normen, die nur norddeutsche Kiese ausschlossen, wurden nicht geändert. Also wurde auch, bereits in der DDR als ungeeignet bekannter Kies aus mitteldeutschen Gruben verbaut, ohne das Baufirmen gegen Gesetze verstießen. Und so kann nach 20 Jahren wieder neu gebaut werden, auf Steuerzahlers Kosten..
zur Steigerung des BIP oder so..
aber einer solidarischen Gemeindschaftsvorsorge aller Menschen für alle Menschen der Gesellschaft damit abträglich.
(2*)
ZUM BAUGRUND
“Bereits kurz nach der Einweihung der Propstei Leipzig am 21.11.1982 gab es einen Wasserschaden im Keller, woraufhin eine Dränageringleitung nachgerüstet wurde. Ebenfalls sehr zeitnah entstanden Risse zwischen Wohnhaus und Gemeinderäumen, in den Stützwänden und nachfolgend in vielen Bauteilen des Komplexes. Die Risse wurden immer augenscheinlicher. Die Dächer wurden undicht, und schon sieben Jahre nach der Einweihung war es erforderlich, ein umfängliches Schadensgutachten erstellen zu lassen.
Wesentliche Ursache für die enormen Schäden war ein falsches Baugrundgutachten. Der Baukomplex hätte auf dem nicht ausreichend tragfähigen Untergrund tiefer gegründet werden müssen. Auch der Einfluss des Schichtenwassers unter dem Propsteigelände trägt erheblichen Anteil an den Bauschäden der Propstei. Durch den Einbau einer Spundwand am Elstermühlgraben entlang kann das Schichtenwasser nicht in diesen abfließen und belastet das Propsteigebäude. Auch schlechte und zum Teil ungeeignete Baumaterialien kennzeichnen das Bauwerk. Insgesamt gilt die Beratung durch Planer und Bauunternehmer als unzureichend.”
(3*)
Nun, und wenn das im Untergrund fließende Wasser durch eine Spundwand entlang des Elstermühlgraben weiterhin quasi aufgestaut wird, weil am Abfließen gehindert, werden wohl auch tiefgegründete Gebäude weiterhin “aufschwimmen” oder die Stauwand dem Druck nicht standhalten.
Vielleicht gibt’s ja die Bauuntersuchungen von nach 1999 noch:
“Seit 1999 existiert in der Propsteipfarrei eine Baukommission, die sich mit diesen Problemen beschäftigt und Entscheidungsvorlagen erarbeitet. Hier wurde beschlossen, angesichts der Schäden zunächst Grundlagen zu ermitteln, auf deren Basis entschieden werden kann.”
(ebenfalls 3*)
Allerdings hatten die ja wohl zum “Grundstückswechsel” und Abriss geführt..
Und ob da noch menschliche Gebeine in der Tiefe liegen (müssten ja mindestens 2 Meter unter der Oberfläche liegen bzw. könnten noch weiter nach unten ‘abgerutscht’ sein).
Interessant, warum da in der langen Grundstücksgeschichte nicht auch mal was nach oben herausgekommen wäre..
(Gab es zu DDR-Zeiten eigentlich archäologische Untersuchungen bevor, in seit Jahrhunderten bekanntermaßen bestehenden Siedlungsgebieten, in die Tiefe ‘gebuddelt’ wurde?)
1*) de.wikipedia.org/wiki/Propsteikirche_St._Trinitatis_(1982)
2*)
ARD-PlusMinus, Stand: 07.08.2017
Milliardengrab Autobahn: Warum neue Autobahnen saniert werden müssen
daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/autobahn-sanierung-100.html
3*)
Bistum Dresden-Meissen, Leipzig, 10.11.08
Geschichte der Bauproblematik
in der Propstei St. Trinitatis
bistum-dresden-meissen.de/front_content.php?idcat=1576
4*)
Bistum Dresden-Meissen
Zur Geschichte der Propsteikirche in Leipzig
ein Überblick in Stichpunkten (bis 09.05.2015)
bistum-dresden-meissen.de/aktuelles/archiv-2015/neubau-propstei/geschichte-der-propsteikirche/index.html
Auch WEITERFÜHREND interessant zum Zustand und der Nutzung des Reichsbahnnetzes der DDR an ihrem Ende:
ab ca. min 2:20
“Der Anteil der Bahn am Güterverkehr beträgt hier[auf DDR-Gebiet] weit über 70%. Während bei uns[BRD-Gebiet] durch die Konkurrenz des LKW der Anteil auf weniger als 30% schon bald geschrumpft ist.
Doch auch in der DDR wird man in Zukunft mehr Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagern müssen.”
ca. ab min 9:00
Rund 100 Mrd. DM zum Ausbau der DDR-Reichsbahn auf BRD-Niveau erschienen nicht bezahlbar.
ab ca. 10:55 min, “BETONFRAß”
“Viele Betonschwellen lösen sich buchstäblich von selbst auf durch eine falsche Betonmischung. 11 Millionen Schwellen müssen in den nächsten Jahren ersetzt werden.”
Und am Ende (min 42:20)..
Prof. Kurt Biedenkopf (Gastdozent) zum Sieg der Marktwirtschaft und Problemen an der Karl-Marx-Universität Leipzig in den Wirtschaftswissenschaften im letzten Jahr der DDR.
Verkehrsmisere in der DDR 1990(BR Bericht 17.5.90 mit Friedrich Merz [nicht der aktuelle ;-)])
youtube.com/watch?v=F9D1xAD9kYE
Erstmal letzte Nachgedanken:
Vielleicht haben die Rückmarsdorfer ja ‘Glück’?
Wurde der Kies des neugeplanten Abbaugebietes eigentlich schon auf seine Verwertbarkeit zur Herstellung dauerhaften Betons geprüft..
Wobei, wenn die jetzt geplanten Mini-Box-Wohnungen zu vor allem der Kapital-Rendite geschuldeten Mietpreisen sich nach spätestens zwanzig Jahren einfach von selbst auflösen würden..
Wobei es da öfter mal regnen müsste, aber Klimawandel ist ja hier wirklich nicht das ‘Verschwörungs’-Thema ^^
Und unterirdische Wasserflüsse, die ihr Umfeld erzeugen und beeinflussen, sind ja auch eher was für esoterische Wünschelrutengänger..
Sonst könnte sich vielleicht auch noch der eine oder andere potenzielle Hauskäufer vor seiner Entscheidung, für die Auswirkung des Braunkohle-Abbaus auf den Grundwasserstand und das zu ‘Nahe am Fluss bauen’ interessieren.
Hier hör’ ich jetzt aber wirklich (erstmal) auf^^