Seit Dienstag, 8. Januar, ist Bernd Weinkaufs opulentes Buch zur Geschichte von „Auerbachs Keller“ ganz offiziell in der Welt. Da stellte es der Autor, der seit 1996 Chronist des berühmten Kellers ist, zusammen mit den vorherigen Wirtsleuten Christine und Bernhard Rothenberger und mit dem aktuellen Geschäftsführer René Stoffregen vor. Und damit ist auch offiziell, dass und warum der berühmte Keller 2025 seinen 500. Geburtstag feiern kann.
Akribisch hat es Weinkauf aus alten Grundbuchakten und Steuerrechnungen ermittelt, wann genau der berühmte Professor Heinrich Stromer von Auerbach das Anwesen direkt am Markt kaufte, wann er baute und wann er vor allem mit dem regelmäßigen Weinausschank in seinem Keller begann. Denn darum geht es allein bei der Datierung, auch wenn frühere Chronisten und auch Wirte versuchten, eine Notiz aus dem 15. Jahrhundert dazu zu nutzen, einen Weinausschank schon über 600 Jahre zu suggerieren.
Aber dazu hätte es auch um 1430 schon so etwas wie eine Gastronomie-Szene in Leipzig geben müssen mit Wirtshäusern und Schenken. Aber das – so Weinkauf – sei wohl nicht der Fall gewesen. So weit war Leipzig da noch nicht, auch wenn die bis heute existierenden Kellergewölbe möglicherweise aus dieser Zeit stammen.
Richtig los ging es wirklich erst mit Stromer von Auerbach, der den zuvor Hummelshainschen Hof erwarb und zum namhaftesten Messehof der Stadt machte. Berühmt war lange Zeit vor allem der (Durchgangs-)Hof mit Auerbachs repräsentativem Renaissance-Haus direkt an der Grimmaischen Straße. Dass sein Keller berühmt wurde und heute eine der zugkräftigsten Legenden der Stadt Leipzig ist, hat eine lange Vorgeschichte, die Weinkauf akribisch dokumentiert.
Und natürlich spielen dabei auch die Bilder in den alten Kellern eine Rolle.
Wenn die Wände von Auerbachs Keller Leipzig sprechen könnten, sie hätten sicherlich viel zu erzählen: Über die wechselvolle Geschichte seit der Gründung 1525, über Krieg, Pest und Diktaturen, über berühmte und ganz „normale“ Gäste, über Gastwirte und andere Veränderungen.
Da die Wände aber nicht sprechen können, musste erst der Autor und Haushistoriker Bernd Weinkauf tätig werden: In monatelanger Recherche wertete er historische Dokumente aus und führte Gespräche mit Zeitzeugen. Entstanden ist auf diese Weise eine 180 Seiten umfassende „Chronik von Auerbachs Keller“, die pünktlich zum Jahreswechsel im Sax Verlag erschien.
„Es ist überraschend, dass die Geschichte von Auerbachs Keller bisher noch niemals vollständig dargestellt wurde“, sagt Geschäftsführer René Stoffregen. „Wir sind dankbar, dass Bernd Weinkauf diese Lücke nun geschlossen hat.“
In der Chronik hat Weinkauf Nachrichten über Ereignisse und Personen zusammengefügt. Darunter natürlich die zum berühmten Gründer Heinrich Stromer von Auerbach. Erwähnung finden unter anderem aber auch der Zauberer Faust, der Maler Andreas Bretschneider, der Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der Japaner Mori Ôgai sowie der Kofferfabrikant Anton Mädler. Die Chronik stellt die wichtigsten Protagonisten in übersichtlich gegliederten Zeitabschnitten auf jeweils einer Doppelseite vor.
Und wer es noch nicht ahnte erfährt, welche Rolle zur Legendenbildung die alte Faust-Sage, die Bilder von Andreas Bretschneider und vor allem die Begegnung des jungen Studenten Goethe mit den Bildern (die 1625 der Urenkel von Auerbach, Johann Vetzer, auf zwei Tafeln im Kellergewölbe malen ließ) und dem alten Keller hatten. Und man erfährt dabei auch mehr über diesen junge Goethe, als der alte Goethe später bereit war, in „Dichtung und Wahrheit“ von seinem Leipzig-Aufenthalt preiszugeben.
Und eigentlich hätte Auerbachs Keller auch 2008 feiern können. Denn 200 Jahre alt ist im Grunde tatsächlich erst die Verbindung des Kellers mit der Goetheschen Version der Faust-Rezeption. Denn damals griff der Wirt des Kellers erstmals direkt auf Goethes Faust, der Tragödie 1. Teil, zurück und löste damit ein regelrechtes Goethe-Fieber aus.
Wer heute wegen des Faust den Keller besucht, kommt in der Regel in Kenntnis des Goetheschen Dramas, aber nicht unbedingt der wirklich alten Faust-Sage, die in ihrer Originalversion ursprünglich gar nicht in Leipzig spielte. Es könnte ein Erfurter Buchdrucker gewesen sein, der den Leipziger Fassritt in die Faust-Überlieferung schmuggelte. Und auch da kam der Name von Auerbachs Keller noch nicht vor.
Viele Originalzitate und zahlreiche, oftmals bisher unveröffentlichte Bilddokumente lassen in Weinkaufs Buch fünfhundert Jahre Geschichte erlebbar werden. Das Buch klärt manches geschichtliche Missverständnis auf: Zum Beispiel welche Bewandtnis es mit den unterirdischen Geheimgängen hat, wer jahrhundertelang in Auerbachs Keller als Faust ausgestellt war, wie der weinspendende Tisch in Goethes „Faust“ gekommen ist oder ob es hier einen Schuldschein von Goethe gibt. Zudem verdeutlicht die Chronik das oftmals spannungsvolle Wechselverhältnis der Haus- und Leipziger Stadtgeschichte.
Beauftragt mit der Erarbeitung dieser Chronik hatten Weinkauf übrigens noch Christine und Bernhard Rothenberger. Bislang gab es in Auerbachs Keller stets nur die kleinen, zumeist sehr phantasievoll ausgeschmückten Hauschroniken, in denen noch vieles stand, was Weinkauf jetzt ins Reich der Fabel verweisen konnte.
Der Autor Bernd Weinkauf wurde 1943 in Küstrin geboren und studierte Germanistik und Kunstgeschichte in Erfurt. Bereits seit 1971 recherchiert er zur Leipziger Stadtgeschichte. Seit 1996 ist er für Auerbachs Keller als Haushistoriker tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er bereits die Publikationen „Schatzkammer Auerbachs Keller“ und „Gäste in Auerbachs Keller 1851-1912“ veröffentlicht.
Bernd Weinkaufs reich bebilderte Chronik von Auerbachs Keller
Bernd Weinkaufs reich bebilderte Chronik von Auerbachs Keller
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