Es hat nicht nur Clara Schumann erwischt. Auch eine andere berühmte Frau hat es nicht in den Leipziger Jubiläumskalender geschafft. Sie war ja auch „nur“ Muse, Modell, Dichterin. Und ein bisschen verrückt, scheinbar. Sie ist der Schatten in Max Klingers Biografie: Elsa Asenijeff. Doch wenigstens die Leipziger GEDOK Gruppe feiert ihren 150. Geburtstag.
Ein bisschen spät. Denn der war eigentlich im Januar. Aber tatsächlich ist es nie zu spät, eine solche Frau zu würdigen und daran zu erinnern, dass Leipzigs Geschichte immer auch weiblich war. Auch wenn sich die Männer immer ins Rampenlicht gedrängt haben.
Am Mittwoch, 19. April, gibt es jetzt die Festveranstaltung zum 150. Geburtstag von Elsa Asenijeff unter dem Titel „ich will selber mein Schicksal sein“ um 18 Uhr im Museum der bildenden Künste – aber nicht im Klingersaal, sondern im Beckmannsaal.
Elsa Asenijeff (03.01.1867, Wien – 05.04.1941, Freiberg) zählte zu den ersten weiblichen Studierenden der Leipziger Universität. 1899 begann sie an der Universität Leipzig einige Semester Philosophie und Nationalökonomie zu studieren.
Doch schon 1896 erschien ihr Erzählungsband „Ist das Liebe?“ und 1898 „Aufruhr der Weiber und das dritte Geschlecht“. Im selben Jahr begann die Beziehung zu Max Klinger. Berichtet wird, dass der Dichter Frank Wedekind heftig um sie warb – und Elsa einen Dolch hervorzog, um ihn abzuwehren.
Man sieht: Sie hat schon früh richtige Kontrapunkte gesetzt.
Als Schriftstellerin setzte sie sich gesellschaftskritisch mit den Gegebenheiten für Frauen in ihrer Zeit auseinander und übte Kritik am Wissenschaftsbetrieb. Wie Else Lasker-Schüler in Berlin ist sie in Leipzig die herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus, den sie in Leipzig gemeinsam mit Walter Hasenclever und Kurt Pinthus begründete. Männer wie Max Klinger (1857-1920) oder der Dresdner Karl August Lingner (1861-1916) inspirierten sie zu erotischer Liebeslyrik. Das Museum der Bildenden Künste besitzt den Gips und einen Bronzeabguss der Porträtbüste von Asenijeff, das Gemälde „Elsa Asenijeff“, Manuskripte und Briefe. In Bräunsdorf bei Freiberg wurde 2011 ein Denkmal für sie errichtet. In Bräunsdorf ist sie 1941 verstorben, in der dortigen „Korrektionsanstalt für asoziale und arbeitsunwillige Erwachsene“. Die Leipziger Fama berichtete, dass sie geisteskrank gewesen sei. Aber die Krankenakten belegen, dass dem nicht so war.
Aber nachdem Max Klinger sie als Modell und Geliebte 1916 regelrecht abgeschoben hatte und auch ihre Wohnung nicht mehr bezahlte, verarmte sie und litt vor allem psychisch unter dieser Verstoßung. Klinger selbst hat es nie gewagt, sich offiziell zu ihr zu bekennen, obwohl er eine Tochter von ihr hatte. Er bezahlte ihre Wohnung, aber in seiner Wohnung tauchte sie nur als Gastgeberin zu gesellschaftlichen Anlässen auf.
Mietschulden und ein „renitentes Auftreten“ führten zur Einlieferung in die Psychiatrische Klinik der Universität Leipzig und zur Entmündigung der Frau, die mit ihren Gedichten zu den wichtigsten Vertretern des Expressionismus gehört. Aber man kann auch die Expressionismus-Sammlung von Kurt Pinthus durchblättern: Frauen fanden auch in dieser modernen Literaturentwicklung keinen Platz und kaum Anerkennung.
Und was ihr im Leben begegnete, gestaltete Asenijeff in ihren Texten. Wikipedia formuliert es so: „Asenijeff behandelt in ihren Büchern Themen, wie die Gewalt in den Geschlechterbeziehungen, die sexuelle Unterdrückung der Frauen oder die Unfähigkeit der Männer, Frauen auf geistiger Ebene als gleichberechtigte Partner zu begegnen, und kann als frühe Vorläuferin des Differenz-Feminismus betrachtet werden.“
Sie benannte Themen, die bis heute unabgegolten sind. Und die auch Max Klingers Arbeiten so seltsam aussehen lassen. Er mystifizierte Frauen und ihre Schönheit. Aber nahm er sie ernst?
Noch 2012 musste Rita Jorek in der LVZ richtigstellen: „Elsa Asenijeff war nicht geisteskrank.“
Die Wiederentdeckung freilich auch der Dichterin und Erzählerin steht aus, bis heute, auch wenn Rita Jorek sich um die Publikation ihrer Schriften bemüht. Im Grunde zeigt dieses Leben, wie Frauen der Leipziger Wahrnehmung immer wieder abhanden kommen, weil sie nicht ins männliche Interpretationsmuster passen.
An der Festveranstaltung zum 150. Geburtstag von Elsa Asenijeff am 19. April im Museum der bildende Künste wirken mit: Brunhild Fischer, Musikerin, Vorsitzende der GEDOK Gruppe Leipzig/Sachsen e.V., Rita Jorek, Herausgeberin von Werken Elsa Asenijeffs, Sibylle Kuhne, Schauspielerin, Birgit Wesolek, Sängerin, Michael Stolle, Pianist. Eintritt: frei, Spenden erwünscht.
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