Anlässlich seines 100. Todestags in diesem Jahr findet am 15. und 16. Oktober 2016 in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig das erste Symposium rund um den Schriftsteller Robert Kraft statt. Robert wer? Am 10. Mai ist sein 100. Todestag ganz still und heimlich an den Leipzigern vorbeigegangen. Denn seine Karriere hat der Sohn eines Weinhändlers woanders gestartet: ausgerechnet in Dresden.
Aber in Dresden war der seinerzeit berühmte Münchmeyer Verlag zu Hause. Genau der Münchmeyer, der auch einige Titel Karl Mays verlegte. Ein richtiger Publikumsverlag, der ein hungriges Lesepublikum mit Bergen von Kolportage-Romanen versorgte, wie das damals so hieß. Tatsächlich war es die gängige Abenteuerliteratur, die gerade für junge Leser ein enormes Bedürfnis nach Welt-Bereisung erfüllte. Denn Typen wie dieser 1869 in Leipzig geborene Robert Kraft fanden zwar den Mumm, aus purer Abenteuerlust in die Welt aufzubrechen. Aber die meisten jungen Leute würden sich niemals eine große Reise gönnen können und über ihre nähere Umgebung nie hinauskommen. Gleichzeitig war die ganze Politik erfüllt von einem forcierten Kolonialismus und den Träumen einer gigantischen Meeresflotte.
Und als Robert Kraft 1896 Kontakt zum Münchmeyer Verlag fand, hatte er schon richtig was erlebt, war vom Gymnasium relegiert worden, hatte seinen Vater bestohlen, hatte in Hamburg auf der „Shakespeare“ angeheuert und war vor Grönland gekentert, Ägypten, die ägyptische Wüste und Konstantinopel waren die nächsten Lebensstationen, bis ihn die harte Hand des Vaterlands erreichte: Er musste seinen Wehrdienst ableisten, was er bei der kaiserlichen Marine in Wilhelmshaven tat, wo er Bergen von Büchern aus Schiffsbibliotheken begegnete. Da ging es ihm ganz ähnlich wie Karl May bei seinem Zuchthausaufenthalt. Der Funke sprang über, auch wenn ihn das Abenteuer noch einmal hinauszog in die libysche Wüste und nach London.
„Ich arbeitete mich als Matrose nach Port Said, fuhr nach Kairo, hier kaufte ich mir einen ledernen Jagdanzug, einen guten Vorderlader mit Munition und Kugelzange, wanderte nach der Oase Fayum, deren Stadt Medinet heißt“, schrieb er in der Serie „Die Augen der Sphinx“ über sein Leben. In London hatte er dann genug von seinen Seeabenteuern. In einer billigen Dachkammer – so schildert er es – begann seine Schriftstellerlaufbahn: „’Warum schreibst du nicht einmal deine Erlebnisse nieder?‘ – Zum allerersten Male tauchte plötzlich dieser Gedanke in mir auf. – Gut, kann gemacht werden! Papier hergenommen! – Ja, aber wo anfangen? – Ich marterte mein Hirn, fraß den halben Federhalter dabei auf, und es wollte kein Anfang kommen. – Vielleicht meine Wanderung durch Vorderindien? – Aber immer wieder erst einen Anfang! – Na, los einmal!“
Als dann auch noch sein Vater starb und er dessen Vermögen erbte, hatte er auch eine wirtschaftliche Grundlage für sein Schreiben. Wenn auch nur für kurze Zeit. Denn mit Geld konnte er trotzdem nicht gut umgehen, 1902 brachte er es fertig, binnen eines Jahres sein komplettes Vermögen durchzubringen. In den nächsten Jahren lebte er ziemlich unstet zwischen Dresden und der Küste. Immer mit seiner Familie dabei, immer ziemlich mittellos. Entsprechend mittellos ließ er dann, als er 46-jährig starb, auch seine Familie zurück. Er hatte zwar ein umfangreiches Werk hinterlassen. Aber ein gutes Fundament für ein sicheres Einkommen waren diese Bücher für den schnellen Umsatz am Markt nicht.
„Er hat Abenteuer-, Kriminal- und Science-Fiction-Literatur geschrieben, die den Leser durch die ganze Welt führen. Die hatte er im Gegensatz zu May tatsächlich bereist“, fasst der Freundeskreis Science Fiction Leipzig zusammen, was Kraft in den 20 Jahren seiner Arbeit als Kolportage-Autor schrieb. „Sein turbulentes Leben führte ihn unter anderem nach Konstantinopel, London, Grönland, Ägypten, Libyen, Indien und in die USA. Obwohl er als literarisch interessanter und vielseitiger beurteilt wurde, geriet er beinahe in Vergessenheit.“
Und für den Freundeskreis Science Fiction Leipzig ist er deshalb so interessant, weil phantastische Romane gleich mehrfach in seinem Werk auftraten.
In den 1950er Jahren erlebte sein Werk noch einmal eine kurze Renaissance. Heute ist er eher nur noch echten Liebhabern des Abenteuerromans bekannt, was auch daran liegt, dass sich heute der Kolportage-Roman deutlich verändert hat und das Zielpublikum, das einst May und Kraft erreichten, keine Abenteuerromane mehr liest.
Was ja nicht heißt, dass dieses Werk keine Entdeckungen bietet. Es ist nicht nur das 1. Robert-Kraft-Symposium, das am 15. und 16. Oktober 2016 in der Deutschen Nationalbibliothek stattfindet mit Lesungen, Vorträgen und Diskussionen. Am Sonntag gibt es auch einen Stadtrundgang zu den Wirkungsstätten Krafts in Leipzig. Es ist auch der Vorstellungstermin für eine neue Robert-Kraft-Bibliographie. Thomas Braatz hat auch eine informative Website zum Leben des Leipziger Abenteurers ins Netz gestellt.
In der neu gegründeten Edition Braatz & Mayrhofer sollen die Bücher Robert Krafts wieder in Buchform zugänglich gemacht werden.
Tipp: 1. Robert-Kraft-Symposium, 15./16. Oktober 2016, Deutsche Nationalbibliothek, Leipzig, Deutscher Platz 1
Der Eintritt zum Symposium kostet 25 Euro. Darin enthalten ist ein Begleitband. Wer nur an einzelnen Beiträgen interessiert ist, kann dafür Tickets für 2,50 Euro lösen.
In eigener Sache – Wir knacken gemeinsam die 250 & kaufen den „Melder“ frei
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/10/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108
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