Na gut, es war kein runder Geburtstag, der sich da am 13. Juli 2016 zum 200. Mal jährte, nur ein Todestag. Aber in diesem Fall bekamen wir den kleinen Erinnerungsanstoß aus dem Rathaus: Da war doch was! Natürlich. Und es wäre eigentlich auch in diesem Jahr eine kleine Jubiläumsausstellung wert gewesen. Denn kein anderer prägte das klassizistische Leipzig so stark wie der Stadtbaudirektor Johann Carl Friedrich Dauthe.
Geboren wurde er am 26. September 1746 als Sohn des Coffeeschenken Johann Heinrich Dauthe am Brühl in Fladens Haus. Dass es nicht in Großzschocher geschah (wie in vielen alten Veröffentlichungen nachzulesen), hat Otto Werner Förster herausgefunden und dann 2005 auch in seinem Stadtführer „Leipziger Kulturköpfe“, Teil II, veröffentlicht.
Angefangen hat Carl Friedrich dann aber nicht als Nachfolger seines Vaters, sondern als Kupferstecher, bevor er so richtig Karriere machte als Architekt. Das war ein Beruf, den es eigentlich noch nicht gab. Jedenfalls nicht als Ausbildungsberuf. Dauthe sollte 1776 einer der ersten sein, der überhaupt so eine Dozentur innehatte an der Leipziger Kunstakademie. Deren Direktor – der berühmte Maler Adam Friedrich Oeser – wollte ihn unbedingt haben.
Architektur als Kunstzweig? Das waren noch Zeiten. Aber genau in dieser Berufung steckt die spätere Gründung der Leipziger Baufachschule, die dann in der HTWK aufging.
Muss man Dauthe deshalb schon kennen? Vielleicht. Vielleicht auch, weil er einer der talentierten Männer war, die der rührige Bürgermeister Carl Wilhelm Müller damals um sich sammelte. Der wollte das alte – noch mittelalterliche – Leipzig umkrempeln. Wie dieses alte Leipzig mit seinen hohen Handelshöfen und Mauern aussah, das ist bei Goethe nachzulesen, dort, wo er über seine Ankunft 1765 in Leipzig schreibt in „Dichtung und Wahrheit“. Da war Dauthe 21 Jahre alt und wird dem angehenden Studiosus Goethe irgendwo über den Weg gelaufen sein. Das ist sicher. Leipzig war – verglichen mit heute – eine Kleinstadt mit weniger als 30.000 Einwohnern. Und auch Goethe verschlug es ja bekanntlich in Oesers Akademie – als Zeichenschüler.
Nur die Wirkungszeit von Carl Friedrich Müller hat er nicht mehr erlebt. Obwohl beide eindeutige Vertreter der Klassik waren. Goethe schrieb seine Dramen in Weimar. Und Müller ließ die ersten Befestigungsanlagen der Stadt Leipzig niederreißen, ließ also Luft und Licht in die Stadt. Er begann im Nordosten, da, wo heute Goethestraße und Richard-Wagner-Straße zusammenstießen. Dort ließ er von Dauthe die erste klassizistische Parkanlage anlegen. Das war ab 1785.
Da war Dauthe schon seit vier Jahren erster Leipziger Baudirektor. Seine Meriten hatte er sich mit Gebäuden verdient, die den klassizistischen Stil in Leipzig sichtbar machten. Das erste war 1770/1772 das Haus für den Kaufmann und Ratsherrn Eberhard Heinrich Löhr nördlich der Stadt. Im 19. Jahrhundert wurde es völlig umgebaut, steht aber noch an derselben Stelle: Heute ist es das Hotel Fürstenhof.
Nur den Garten dahinter, der einst bis zur Parthe reichte, gibt es nicht mehr. Aber auch den hatte Dauthe gestaltet.
Genauso wie er 1780/1781 den Boden des alten Gewandhauses an der Gewandhausgasse umbaute zum Konzertsaal. Erst mit diesem Umbau bekam das von den Bürgern gegründete Orchester seinen ersten eigenen Konzertsaal (mit bester Akustik) und seinen Namen. Hier dirigierte später Felix Mendelssohn Bartholdy. Und man darf durchaus sagen: Mit Müller und Dauthe wurde Leipzig zu einer modernen Stadt. Alle Späteren mussten sich daran messen.
Logisch, dass Müller seinem Dauthe dann auch den Auftrag gab, das Innere der eigentlich ziemlich dunklen Stadtkirche, der Nikolaikirche, zu modernisieren. Zwischen 1784 und 1797 gab Dauthe dem Kirchenraum das beeindruckende Interieur mit dem von Palmwedeln bekrönten Säulen, das diese Kirche bis heute einzig macht.
Andere Dauthe-Bauten sind leider verschwunden aus dem Stadtbild, das umgestaltete Georgenhaus am Brühl genauso wie die erste Bürgerschule auf der Moritzbastei. Trotzdem erinnerten sich die Leipziger des Mannes und schenkten ihm 1907 eine Straße in Reudnitz-Thonberg. „Dauthes Arbeiten als Kupferstecher sind heute weitgehend unbekannt“, schreibt Wolfgang Hoquél in „Leipzig. Baumeister und Bauten“. Na sowas? Höchste Zeit, mal in die Archive zu schauen und den Man mit einer Ausstellung zu würdigen. Das klassizistische Leipzig wird viel zu selten erwähnt.
Obwohl diese Umgestaltung alle späteren Umgestaltungen bestimmte. Wer schauen mag, geht zur Schwanenteichanlage an der Goethestraße. Der Schwanenteich ist ein Überrest der von Dauthe geschaffenen Anlage, die heute von der Goethestraße durchschnitten wird. Dort, wo heute das Opernhaus steht, hatte Dauthe den ersten künstlichen Berg für Leipzig gebaut. Schon damals mangelte es der Stadt an hohen Punkten. Schneckenberg nannten die Leipziger den Hügel, weil der Weg als Spirale auf den Berg führte. Im April 1813 setzte sich ein gewisser Theodor Körner auf den Hügel und schrieb in einem wilden Furor „Lützows wilde verwegene Jagd“. Auf so eine Idee wäre Dauthe wohl nie gekommen. Aber die Lützower waren gerade in Leipzig, um Rekruten zu werben für das Freikorps gegen Napoleon. Da konnte ein zünftiges Jägerlied gut helfen. Wer heiße Wallungen hat, ist leichter für den Krieg zu begeistern.
Und Dauthe?
Napoleons Kriege haben seinem Wirken als Stadtbaudirektor in Leipzig ein Ende bereitet. 1816 ist er in Flinzberg in Schlesien gestorben, so dass heute in Leipzig nicht mal ein Grab aufzufrischen wäre.
Den 13. Juli haben wir zwar versäumt. Aber wir können ja auch am 26. September zum Schwanenteich pilgern und ein Gläschen im Grünen trinken auf Dauthe. Das ist dann immerhin sein 270. Geburtstag.
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