Richtig Geburtstag hat er erst am 4. Juli. Dann wird der Dichter Christian Fürchtegott Gellert 300 Jahre alt. Es gab Zeiten, da war er der berühmteste Leipziger Schriftsteller. Berühmter als Lessing und Goethe. Kaum vorstellbar. Stimmt aber. Zwischen 1800 und 1820 war Gellert ein vielgelesener Autor, auch wenn er da schon lange tot war. Leipzig macht um jeden auch nur einigermaßen bekannten Komponisten eine Menge Tamtam, aber mit den Schriftstellern tut sie sich schwer.
Um diese kennenzulernen, muss man sie lesen. Aber dazu haben augenscheinlich auch gewählte Politiker und Verwaltungsmenschen keine Zeit mehr. So dass das Gellert-Jubiläum 2015 in Leipzig ein bisschen dürftig ausfällt.
In Hainichen, seinem Geburtsort, wird der Berühmte ein bisschen kräftiger gefeiert. Geboren wurde er dort am 4. Juli 1715 als Sohn eines Pfarrers – als neuntes von 13 Kindern. Viele Wege standen damals auch Pfarrerssöhnen nicht offen. Der direkteste Weg, selbst auch wieder ein auskömmliches Leben zu haben, war auch für sie – wie der Vater Theologie zu studieren. Was Christian Fürchtegott dann auch tat: Mit 19 ging er deshalb nach Leipzig, unterbrach das Studium aber, um eine Hofmeisterstelle anzutreten, und studierte hinterher das weiter, was ihm eigentlich lag: Philosophie, Literatur und Sprachen. Denn die Dichter der Leipziger Aufklärung Rabener und Gärtner hatten ihn inspiriert. Seine ersten Fabeln schrieb er noch während des Studiums. 1751 wurde er außerordentlicher Professor und hatte eine kleine Wohnung im Hinterhaus des Großen Fürstenkollegiums am “Schwarzen Brett”, im Trinitätshaus. Das stand da, wo heute das “Geschwister-Scholl-Haus” der Universität steht. Und da passiert am Freitag, 26. Juni, auch der feierliche Akt.
Um 13 Uhr wollen dort am Haus Ritterstraße 14 Kulturbürgermeister Michael Faber und die Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate Schücking, eine Haustafel anlässlich des 300. Geburtstages von Christian Fürchtegott Gellert enthüllen. Zur Bedeutung des Schriftstellers und Philosophen spricht Dr. Katrin Löffler.
Initiiert wurde die Tafel vom Germanisten Dr. Werner Marx mit Unterstützung des Freundeskreises Gellert Leipzig e. V. Die Gestaltung übernahm der Künstler Harald Alff.
Der Text der Tafel lautet:
“Hier im Hof des
ehemaligen Großen Kollegs
im Trinitätshaus „Schwarzes Brett“ wohnte
Christian Fürchtegott Gellert
(4. Juli 1715 – 13. Dezember 1769)
Schriftsteller der Aufklärung
und Professor
an der Alma Mater Lipsiensis
Stadt Leipzig 2015”
Zu seinem Jubiläum wird Christian Fürchtegott Gellert am gleichen Tag um 15 Uhr mit einer Festveranstaltung in der Universitätsbibliothek Bibliotheca Albertina gewürdigt.
Ein originaler Wortwechsel
Man kann aber auch die Gelegenheit nutzen, und Blumen niederlegen für den Burschen, der seine Sternstunde am 11. Dezember 1760 hatte – am Gellert-Denkmal oder am Gellert-Grab. Sogar die Uhrzeit kann man nennen: 15 Uhr. Friedrich II. von Preußen, der gerade den siebenjährigen Krieg führte und Leipzig plünderte wie einen Mehlsack, bat den bekannten Dichter zu sich ins Königshaus. Das steht am Markt. Da logierten die ganzen gekrönten Häupter von August dem Starken bis zu August dem Verlierer.
Aber die Sternstunde war nicht die Einladung des Königs, der Gellert löffelweise Honig ums Maul schmierte, sondern das, was Gellert antwortete. Das hat er nämlich tags darauf weitererzählt in einem Brief an Johanna Erdmuth von Schönfeld.
Gellert hatte ganz untertänigst angemerkt, die großen Könige mögen “uns bessre Zeiten geben”.
Friedrich, in seiner Kriegsherrenehre ein bisschen gekitzelt: “Sind itzt böse Zeiten?”
Gellert: “Das werden Ew. Majestät besser bestimmen können, als ich. Ich wünsche ruhige Zeiten. Geben Sie uns Frieden, Sire.”
Friedrich: “Kann ich denn, wenn Dreye gegen Einen sind?”
Und Gellert, doch ziemlich mutig: “Das weis ich nicht zu beantworten. Wenn ich König wäre, so hätten die Deutschen bald Frieden.”
Wie sehr diese Antwort den Preußenkönig geärgert haben muss, kann man nur ahnen. Wer sagt einem König schon so direkt, dass er zu blöd ist, Frieden zu schaffen?
Und Friedrich? Der hat gekniffen und fing ein bisschen an zu stänkern: “Hat er den Lafontaine nachgeahmet?” Lafontaine war damals der berühmteste französische Fabeldichter. Und Friedrich las fast nur Französisch. Deutsche Dichter mochte er nicht. Außer Gellert.
Aber so sind diese Politiker. Wenn sie von Dichtern kritisiert werden, versuchen sie, die Dichter herabzumindern. Gellert nur ein Nachahmer? Da kannte er Gellert schlecht.
Der antwortete: “Nein, Sire, ich bin ein Original; das kann ich ohne Eitelkeit sagen …”
So muss man das machen, wenn Könige unverschämt werden. Der launige Wortwechsel ist übrigens wieder nachzulesen in der schönen Gellert-Auswahl, die Werner Marx in der Evangelischen Verlagsbuchhandlung herausgegeben hat.
Die Reise des Gellert-Denkmals
Wer das Gellert-Denkmal sucht, findet es in der Lenné-Anlage an der Schillerstraße. Da steht es seit 1909. Es ist aber nicht das Original, um mal beim Wort zu bleiben. Das hat Adam Friedrich Oeser geschaffen, 1774 war das, fünf Jahre nach Gellerts Tod. Es war ein Auftragswerk für den Buchhändler Johann Wendler. Der hatte wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen, denn Autoren verdienten an ihren Texten damals nicht wirklich viel Geld. Aber Wendler machte mit Gellerts Anekdoten, die er seit 1745 verlegte, ein Vermögen. Da konnte er sich auch ein schönes Gellert-Denkmal leisten, das nach seinem Tod der Universität anheim fiel.
Aber wo stand das Denkmal damals? – Im Garten natürlich, gleich hinter Wendlers Haus im Grimmaischen Steinweg. Das stand ungefähr da, wo heute der flache Anbau des Radisson-Hotels ist. Dahinter hatte Wendler, wie bei betuchten Leipzigern damals üblich, einen kunstvoll angelegten Garten, der sich bis zur Johannisgasse erstreckte. Und das Denkmal stand als eine Art Heiligtum darin, so, wie es auch auf der Säule zitiert war: MEMORIAL GELLERTI SACRUM. Friedrich Gottlob Leonhardi zitiert das. Und Goethe muss es dort bei einem Leipzig-Besuch gesehen haben, denn er hat ein Gedicht darüber geschrieben.
Die Universität konnte mit dem Denkmal nichts anfangen, schenkte es der Stadt, die es 1842 auf den Schneckenberg stellte. Der war da, wo heute das Opernhaus steht und wo 1864 das Neue Schauspielhaus gebaut wurde. Da musste es wieder weichen und ging auch noch kaputt. Weshalb der Bildhauer Max Lange 1909 nach dem Original ein neues Gellert-Denkmal schuf. Und das kam dann in die Lenné-Anlage.
Das Gellert-Grab findet man heute auf dem Südfriedhof. Darüber haben wir auch schon erzählt. Aber die Lenné-Anlage ist auch ein schöner Ort, eines Mannes zu gedenken, der dem König ins Gesicht sagte, dass er schon Frieden schaffen würde, wenn er König wäre. Und außerdem diese schönen Worte: “Ich bin ein Original.”
Es gibt 2 Kommentare
Recht haben Sie. Wir haben es geändert.
>Peterssteinweg
Sie meinen: Grimmaischen Steinweg.
Im Peterssteinweg residieren viele Buchstabenzusammensetzer, aber vermutlich nur ganz wenige Dichter.