Heute liegen die Leipziger freudenvoll auf der großen Wiese im Johannapark - und den meisten ist gar nicht bewusst, dass es mal eine Zeit gab, in der öffentliches Grün in Leipzig überhaupt nicht selbstverständlich war. Vielleicht hat Leipzigs Amt für Stadtgrün und Gewässer schon die Bestellung ausgelöst für lauter bunte Luftballons. Denn der Johannapark feiert in diesem Jahr 150 Jahre Öffentlichkeit.
1865 wurde der Park ebenfalls mit einer Feier für die Öffentlichkeit freigegeben. Für die damaligen Leipziger ein echtes Ereignis, denn so konsequent hatte bis dahin noch kein Leipziger Mäzen ein derart schönes Kleinod einfach so der Bürgerschaft geöffnet. Und eine der großen, bis heute rührenden Leipziger Liebesgeschichten hängt auch noch daran. (Wann schreibt eigentlich mal einer das große Buch der Leipziger Liebesgeschichten? Die Themen liegen doch rum! Man muss sie doch nur aufheben.)
Beim Johannnapark ging’s um ein gebrochenes Herz.
Johanna Nathalie, Tochter des Geheimen Kammerrats und Bankiers Wilhelm Theodor Seyfferth, hatte sich in Wilhelm von Minkwitz, Gutsbesitzer auf Dornreichenbach verliebt, wollte nur ihn. Aber der Standesunterschied verhinderte die Heirat. 1856 wurde Johanna mit dem Bankier Dr. Fr. Gustav Schulz verheiratet. Der war bei Papa Seifferth angestellt in der Bank. Die hieß Vetter & Co.
Aber das macht nicht recht klar, welche Bedeutung Seyfferth damals in Leipzig tatsächlich hatte. Eigentlich hätte er auf den Adeligen Herrn von Minkwitz pfeifen können. Er gehörte zu den reichsten und mächtigsten Männern in Leipzig. 1838 gehörte er zu den Gründern der Leipziger Bank, die zur Jahrhundertwende (aber lange nach Seyfferths Tod) einen Crash hinlegte, der die Finanzmärkte zum Wackeln brachte. Außerdem war er 1856 Mitbegründer der Allgemeinen Deutschen Credit-Anstalt (ADCA). Und 1836 war er mit dabei, als die erste deutsche Ferneisenbahn angeschoben wurde – die Leipzig-Dresdner-Eisenbahn. Er war einer von den Leuten, die das Geld besorgten.
Und natürlich war er auch einer von denen, die sich als erste eine Villa bauten im neu erschlossenen Gebiet westlich der Stadt an der neuen, von Carl Heine projektierten Weststraße. Aber er wollte mehr. Er wollte einen schönen Park dahinter und kaufte 1858 der Thomasschule die Martoffer Wiese ab – 58.000 Quadratmeter, die damals noch auf dem Westufer der Alten Pleiße lagen. Diesen alten, originalen Flusslauf der Pleiße radierte erst Carl Heine aus dem Bild der entstehenden Westvorstadt aus.
Am 28. April 1858 war Johanna Natalie (geboren 11.12.1836) gestorben. An gebrochenem Herzen, erzählt die Legende. Das kann man so stehen lassen. Denn eines steht fest: Ihr Vater liebte seine Tochter abgöttisch und wollte ihr zur Erinnerung einen der schönsten Parks gestalten. Dazu beauftragte er den berühmten Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné, der ein Jahr zuvor von der Stadt den Auftrag bekommen hatte, die heutige Parkanlage an der Schillerstraße zu schaffen.
Der Auftrag an Lenné erging am 23. Juni 1858 – also knapp drei Monate nach Johannas Tod. Aber die Arbeiten konnten erst 1861 beginnen. 1863 war der Park weitgehend fertig (aber noch nicht so groß wie heute). Als Schüler lernte dabei quasi der spätere Leipziger Stadtgartendirektor Carl Otto Wittenberg. Auch die beiden Teiche wurden damals angelegt. 1865 wurde der zur Erinnerung auch nach Johanna benannte Park dann feierlich der öffentlichen Nutzung übergeben, auch wenn ihn Seyfferth erst einmal noch im Besitz behielt. Erst in seinem 1879 verfassten Testament vermachte er den Park der Stadt – mit der Auflage, nichts an der Gestaltung zu ändern.
Nach Übergang an die Stadt 1881 wurde der Park später dann noch bis zur Bismarckstraße (der heutigen Lassallestraße) und zur Marschnerstraße erweitert, so dass er heute rund 85.000 Quadratmeter umfasst, dem Amt für Stadtgrün und Gewässer eine Menge Arbeit macht bei der Sauberhaltung, Brückenreparatur und dem Flicken der stark benutzten Wiesen. Aber der Blick auf diese Wiesen zeigt, dass der Park eindeutig einer der beliebtesten in Leipzig ist.
Also Grund genug, die 150 Jahre Öffentlichkeit zu feiern. Könnte man ja auch mit einer großen Feier für alle Johannas machen.
Die Seyfferthsche Villa freilich sucht man an der Friedrich-Ebert-Straße heute vergeblich: Sie wurde im 2. Weltkrieg zerstört.
Keine Kommentare bisher
Als ich noch in der Nähe wohnte, zog es mich fast täglich zum Johannapark. Wirklich ein Kleinod.
Wäre schön, wenn die Fontäne im Ententeich wieder sprudeln würde.
Und wenn es eine vernünftige Querungsmöglichkeit über die Tauchnitzstraße (Tempo 50!) geben würde. Das Verkehrsamt hat ja das einstmals vorhandene Verkehrsinselchen klammheimlich und ersatzlos beseitigt.