Die Buchmesse kommt, und Vieles, was sie tatsächlich interessant macht, passiert im Rahmenprogramm. Auch an Ausstellungen. Und auf eine freut sich auch schon die Leipziger Stadtbibliothek: Am 13. März um 18:30 Uhr öffnet im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek Leipzig die Ausstellung zum "größten Architektur-Panorama der Welt": dem Leipziger Ring gleich in zwei Ausführungen - einer von 1850, einer von 2015.
Dahinter steckt natürlich wieder einer dieser Leipziger Kreativen, der sich ein Projekt in den Kopf gesetzt hat und dann einfach die technischen Wege gesucht hat, es auch umzusetzen. Und natürlich brauchte es da noch den Anreger, der einfach mal sagte: Das machen wir. Da bin ich dabei.
Die Idee zur Ausstellung kam dem Fotografen Jörg Dietrich vor zwei Jahren auf der hiesigen Buchmesse im Dialog mit Dr. Mark Lehmstedt, dem Inhaber des gleichnamigen Leipziger Verlages. Und der ist ja nun mal bekannt dafür, dass er sich wie wenige andere gut auskennt mit der Quellenlage zur Leipziger Stadtgeschichte. Repräsentative Bildbände hat er ja nun schon einen ganzen Stapel vorgelegt. Und er konnte Dietrich dabei auf ein Leporello im Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums aufmerksam machen, das einst für den Leipziger Kunstverlag Pietro Del Vecchio erstellt wurde. Es sollte den Blick auf einen in Vergessenheit geglaubten Zustand offenbaren: den Leipziger Ring um 1850.
Dem Verlauf der ehemaligen Stadtbefestigung folgend, entstanden durch die Umwandlung zur Promenadenanlage im 18. Jahrhundert rund um den Ring repräsentative Neubauten durch Stadt, Land und Bürgerschaft. Demnach verbinden sich im bildlichen Vergleich insgesamt drei Zeitebenen: Klassizismus, Historismus und Moderne. Welche Gebäude haben bis heute überlebt? Wie hat sich das Stadtbild über einen Zeitraum von mehr als 150 Jahren gewandelt?
Ein idealer Anlass für eine direkte Gegenüberstellung.
Und die beiläufige Frage:
Wie alt ist denn eigentlich der Leipziger Ring?
Es wird zwar gern erwähnt, was gerade Bürgermeister Carl Wilhelm Müller im 18. Jahrhundert für die Umwandlung der alten Befestigungen zu Flaniermeilen und ersten Grünanlagen für die Stadt getan hat – aber augenscheinlich fand es niemand für wichtig, den Tag zu erwähnen, an dem tatsächlich ein geschlossener Straßenring um die ehemals von Mauern umschlossene Stadt entstand. Im Jahr 1650, kurz nach Ende des 30-jährigen Krieges, war es eindeutig noch nicht möglich, um die Stadt herumzufahren.
Die Stadt war noch mit den unter Bürgermeister Hieronymus Lotter erbauten Bastionen, Stadtgräben, Glacis (Erdaufschüttungen) und Ravelins (Wallschilde) umbaut. Die einst vor dem Grimmaischen Tor gelegene Bastion existierte noch 1781, während die Bastion vor dem Halleschen Tor und die Hallesche Bastei da schon abgeräumt waren. Hier entstand der zweitälteste Teil des Leipziger Promenadenrings: die 1784 vom Stadtbaudirektor Carl Friedrich Dauthe angelegte Parkanlage, die damals noch die ganze Stadtecke im Nordosten umschloss. Die Goethestraße gab es noch nicht, die heute in Unterer und Oberer Park geteilte Parkanlage hing noch zusammen. Der Schwanenteich war Teil des ehemaligen Stadtgrabens. Und daneben hatte man die Reste der alten Stadtbefestigung zu einem 15 Meter hohen Hügel aufgetürmt, dem Schneckenberg, an dessen Stelle später das Neue Theater und folgend die Oper gebaut wurden.
Das älteste Stück Promenadengrün befindet sich aber auf der anderen Seite der Stadt: die Grünanlage am Dittrichring vor der Thomaskirche. Auch die damals noch nicht zerschnitten von der Thomasgasse. 1725 war hier eine erste mehrreihige Lindenallee angelegt worden, auf der die Leipziger nach Herzenslust flanierten. Auch ein gewisser Herr Bach.
1781 war dann das Gelände außerhalb der alten Befestigungen schon komplett mit solche Lindenreihen bepflanzt und man kam auf diesem Weg wohl auch schon komplett um die Stadt.
Aber auch Friedrich Gottlob Leonhardi sprach 1799 noch nicht von einem Ring, auch wenn der lindenbestandene Weg einmal rund um die Stadt führte – und das wohl auch direkt auf dem Gelände, auf dem der heutige Ring verläuft. Doch zwischen diesem Weg und den Stadtmauern lag noch immer das breite Gelände, auf dem noch in weiten Teilen die alten Stadtgräben erhalten und der Verlauf der alten Glacis zu erkennen waren.
Selbst als das Panorama von 1850 entstand, war der Ring noch nicht der Straßenring, wie wir ihn heute kennen. Erst 1898 wurde ganz offiziell vom “Ring” gesprochen, bekamen einzelne Teilstücke dieses Rundkurses, die vorher einfach An der Pleiße, Obstmarkt oder Löhrs Platz geheißen hatten, offizielle Ring-Bezeichnungen. Der heutige Martin-Luther-Ring bekam damals den Namen Rathausring, der heutige Dittrichring war der Thomasring. Aber tatsächlich zu dem für Leipzig heute typischen Ring wurde das Ganze erst in den Jahren 1904 bis 1912.
Näheres dazu kann man auch wieder in einem Lehmstedt-Buch nachlesen: Andreas Martin “Der Leipziger Promenadenring”.
Mark Lehmstedt steckte also schon tief im Thema, als er mit Jörg Dietrich das jetzige Ausstellungs- und Buchprojekt entwickelte.
Ausstellung zum 1.000-jährigen Stadtjubiläum
Mit der Gegenüberstellung des lithografischen Panoramas von 1850 und dem gegenwärtigen Ebenbild wird auf nunmehr 60 Meter Länge auch ein bewegtes Stück der jüngeren, modernen Geschichte Leipzigs zum Leben erweckt.
Anders als in der üblichen 360 Grad Darstellung, handelt es sich bei der neuzeitlichen Bearbeitung Jörg Dietrichs um eine Fotografie, die eine Ansicht über kilometerlange Abschnitte ermöglicht. Bei dem sogenannten “Stitching” werden hunderte Einzelbilder am Computer zu einer Gesamtansicht zusammengesetzt. Am Ende entsteht eine riesige Montage, die durch vorherige Entzerrung und Begradigung einen bis dato unbekannten Blick auf den Leipziger Ring offenbart.
“Durch die Unterstützung und das Engagement des Leipziger Kulturdezernats, und nicht zuletzt des Lehmstedt-Verlages, kann nun, nach mehr als zwei Jahren Vorbereitungszeit, dieser Anblick auch der Öffentlichkeit preisgegeben werden”, freut sich Dietrich.
Die Ausstellung wird im Rahmen des 1.000-jährigen Jubiläums der Stadt und im Einklang der Leipziger Buchmesse eröffnet.
“Doch nicht nur die bewegte Geschichte Leipzigs kann in der dreimonatigen Ausstellung erlebt werden, sondern auch der rasche technische Fortschritt”, verspricht Dietrich. “Und was könnte dies besser dokumentieren als der Kontrast zwischen Lithografie und Fotografie, damals und heute?
Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, 13. März, um 18:30 Uhr unter Anwesenheit von Kulturbürgermeister Michael Faber, Dr. Mark Lehmstedt und Jörg Dietrich im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek. Dazu gibt es auch gleich eine Podiumsdiskussion.
Das Buch zu den beiden Ring-Panoramen erscheint am 9.März im Lehmstedt Verlag.
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