Die Universität Leipzig hat am Freitag, 5. Dezember, auf dem Südfriedhof eine Gedenktafel für den Frauenarzt Prof. Dr. med. Felix Otto Skutsch (1861 bis 1951) enthüllt, der fast ein Jahrhundert deutscher Geschichte erlebt und erlitten hat. Im alten Preußen als Jude geboren, wurde er 1871 Bürger des Deutschen Reiches, erlebte den ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik, überlebte die Schrecken des Nationalsozialismus und war Zeuge der Gründung zweier Staaten im Nachkriegsdeutschland.

Nachdem er das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt hatte, kehrte er an die Medizinische Fakultät zurück und nahm seine Lehrtätigkeit wieder auf. Skutsch gehörte nicht nur zu den angesehensten Vertretern der Frauenheilkunde, sondern war als vielseitig gebildeter Mann außerdem in herausragender Weise im öffentlichen Leben der Stadt Leipzig engagiert.

Felix Otto Skutsch wurde am 14. Januar 1861 in Königshütte/Oberschlesien (heute Chorzów, Polen) geboren. Seine Familie gehörte der großen Breslauer jüdischen Gemeinde an. Er studierte in Breslau Medizin und ging 1884 als junger Arzt zunächst an die Universitätsfrauenklinik Jena. Dort habilitierte er, ließ sich evangelisch taufen und wurde 1891 zum Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie berufen.

1903 wandte er sich mit einer zweiten Habilitationsschrift an die Universität Leipzig, wo er fortan vielfältig unterrichtete und zusätzlich eine Privatpraxis führte. Der damalige Dekan der Medizinischen Fakultät und Medizinhistoriker Karl Sudhoff schrieb 1923 über ihn: “Skutsch genießt im Kreise der deutschen Gynäkologen einen sehr guten Ruf. Sein Lehrbuch über die geburtshilfliche Operationslehre gilt für das Beste, das über das Thema überhaupt geschrieben worden ist.”

Das Spektrum seiner wissenschaftlichen Arbeiten war sehr groß: Er verbesserte diagnostische Verfahren und die Technik geburtshilflicher Operationen, plädierte für strenge Hygiene, für eine bessere Versorgung früh- und neugeborener Kinder und trat für eine engere Zusammenarbeit des Frauenarztes mit Vertretern anderer medizinischer Disziplinen ein. Skutsch war nicht nur in mehreren Fachgesellschaften aktiv, sondern engagierte sich wie seine Frau auch gesellschaftlich. So gehörte er mehrere Jahrzehnte dem Leipziger Bibliophilen-Abend an und trat 1924 in die Deutsche Demokratische Partei ein, die liberales und soziales Gedankengut vertrat und der Intellektuelle wie Walther Rathenau, Theodor Heuss und Thomas Mann angehörten.
Während der Zeit der Nationalsozialisten wurden aus sogenannten “rassischen Gründen” auch zahlreiche wissenschaftliche Mitarbeiter und Ärzte von der Medizinischen Fakultät in Leipzig vertrieben. Felix Skutsch erlebte alle Diskriminierungen und Demütigungen, denen die jüdischen Bürger ausgesetzt waren. Das Dresdner Ministerium für Volksbildung entzog ihm im Herbst 1933 die Lehrbefugnis. Ab 1935 konnte er unter seiner Wohnadresse zumindest noch eine gynäkologische Praxis führen, bis ihm 1938 auch die Approbation entzogen wurde. Nach einer Umzugs-Odyssee landete das Ehepaar Skutsch schließlich im sogenannten “Judenhaus” in der Leipziger Färberstrasse 11, dem heutigen Ariowitsch-Haus. Das Ehepaar Skutsch wurde am 18. März 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Seine Frau Helene starb dort im Januar 1944 an Hunger und Entkräftung. Felix Skutsch wurde im Lager als Arzt gebraucht und konnte so bis zur Befreiung durch die Rote Armee überleben.

Trotz alledem kehrte er nach seiner Befreiung nach Leipzig zurück. Obwohl er inzwischen das 84. Lebensjahr erreicht hatte, beauftragte ihn das Gesundheitsamt der Stadt im August 1945 mit der Aufnahme ärztlicher Sprechstunden. Nachdem der Lehrbetrieb an der Universität 1946 wieder aufgenommen wurde, erklärte er sich außerdem bereit, erneut Aufgaben in der Lehre an der Medizinischen Fakultät zu übernehmen. Im Januar 1951 wurde Felix Skutsch, mit 90 Jahren Deutschlands ältester Professor im Amt, mit einem akademischen Festakt geehrt. Die Leipziger Volkszeitung berichtete ausführlich, dass die Plätze des großen Hörsaales der Universitätsfrauenklinik nicht ausreichten, um alle Gratulanten aufzunehmen. Skutsch wurde gewürdigt als ein “lebender Zeuge der Entwicklung der Frauenheilkunde, die er wesentlich gefördert habe”. Er selbst wird in einem anderen Zusammenhang rückblickend zitiert: “Ich klage nicht über das, was ich verloren habe, ich freue mich an dem, was mir geblieben ist.” Nur wenige Tage nach dem Festakt, am 19. Februar 1951, starb Felix Skutsch und wurde auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt.

Seine ursprüngliche Grabstelle wurde über die vergangenen Jahrzehnte nicht erhalten. Deshalb hat sich Dr. Gabriele Pretzsch von der Universitätsfrauenklinik dafür eingesetzt, dass eine neu gegossene, von Spenden finanzierte Bronzetafel zum Gedenken an Prof. Felix Skutsch einen Platz auf dem Südfriedhof erhält: “Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Sein Wirken nimmt an der Leipziger Medizinischen Fakultät eine herausragende Stellung ein. Ich sehe es als unsere Pflicht, an ihn und das erlittene Unrecht zu erinnern.” Die Tafel mit Stele befindet sich auf dem II. Universitätsareal in würdiger Nachbarschaft zu den denkmalgeschützten Gräbern des Internisten Heinrich Curschmann und des Psychologen Wilhelm Wundt. Der erste demokratisch gewählte Mediziner-Dekan nach 1989, Prof. Gottfried Geiler, hatte 1948 als junger Student selbst bei Skutsch die Vorlesung zur Geburtshilfe besucht und es sich nicht nehmen lassen, bei der Enthüllung dabei zu sein: “Wir waren von seiner Persönlichkeit tief beeindruckt. Erst allmählich erfuhren wir von seinem Schicksal, was uns sehr beklommen machte. Er trug die Zeit der Verfolgung nicht vor sich her, vielmehr brachte er uns väterliche Zuwendung entgegen.”

(Quelle für die historischen Informationen: Aufsatz “Der Frauenarzt Prof. Dr. med. Felix Otto Skutsch und die Leipziger Medizinische Fakultät” von Medizinhistorikerin Prof. Ingrid Kästner)

Quelle: www.uni-leipzig.de

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