Mit Zeitzeugeninterviews und Unternehmensporträts lädt die Ausstellungsagentur Zeitläufer unter www.schichtwechsel.zeitlaeufer.de zu einer Entdeckungsreise durch den industriellen Alltag im Leipziger Westen ein. Die Macher suchen weiter Zeitzeugen, die in den 1980er und 1990er Jahren in einem Industriebetrieb in Plagwitz, Lindenau oder Kleinzschocher gearbeitet haben.
Der Leipziger Westen erfindet sich seit einigen Jahren wieder neu. In ehemalige Fabrikgebäude zieht neues, nachindustrielles Leben ein. Die Baumwollspinnerei und die Tapetenfabrik zählen zu den prominenten Beispielen dieses kreativen Wandels.
An anderen Stellen rückt Baugerät an, um lange brachliegende Immobilien nun neu zu verwerten. Derzeit zu sehen etwa auf dem Gelände der ehemaligen Trikotagenfabrik auf dem Grundstück Lützner Straße 102 – 104. Seit 1897 wurde hier knapp 100 Jahre Bekleidung produziert.
Auch heute Industriestandort
Doch der Leipziger Westen ist in Teilen das geblieben, als das er während der Industriellen Revolution entstand: Industriestandort eben. An der Spinnereistraße fertigt Kirow auch heute hochmoderne Eisenbahndrehkrane. Mit der Fertigung der Leoliner-Straßenbahnen in der Unternehmenstochter HeiterBlick kam ein neues Geschäftsfeld hinzu. Die Anfänge des Unternehmens im Leipziger Westen gehen bis 1880 zurück, der Aufstieg begann als Unruh & Liebig AG.
In der Klingenstraße 15 baut Siemens Turbomachinery Equipment GmbH, der Nachfolger des VEB Pumpen- und Gebläsewerk, Dampfturbinen und Verdichter für den Weltmarkt. Los ging es 1893 als Firma C.H. Jaeger & Co.
Landmaschinen unter dem Label BBG Bodenbearbeitungsgeräte entstehen heute nicht mehr beiderseits der westlichen Karl-Heine-Straße, sondern in Großzschocher bei Amazone. Den Grundstein legte Rudolph Sack 1863, also vor genau 150 Jahren, mit seinem Unternehmen.
Tiefgreifender Wandel im Zeitraffertempo
Gleichwohl: In dem klassischen Industrierevier fand ausgangs der 1980er Jahre und in den beginnenden 1990er Jahren ein tiefgreifender Wandel im Zeitraffertempo statt. Was dieser Umbruch mit den Menschen gemacht hat, die ihn erlebt und teils gestaltet haben, kann man unter www.schichtwechsel.zeitlaeufer.de nachlesen und nachhören.
Mit Firmenporträts, Objektabbildungen, Fotos und Auszügen aus Zeitzeugen-Interviews wollen die Macher der Agentur Zeitläufer ein “facettenreiches Bild einer Industrie im gesellschaftlichen Umbruch” zusammenfügen.
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“Ich bin öfters herbeizitiert worden. Ich solle doch in die SED eintreten. Da ich noch ein Textilstudium machen wollte, hätte ich auch eintreten müssen. Ich hab’s aber aus dem Grund dann nicht gemacht, dass ich meine Westverwandtschaft verleugnen sollte. Ich sollte jeden Kontakt abbrechen. Das wollte ich nicht, also durfte ich auch nicht studieren”, berichtet Textilfacharbeiterin Birgit N. aus dem vormaligen VEB Plauener Spitze in der Naumburger Straße von ihren Erfahrungen aus den 1980er Jahren.
Die Zeit der Massenentlassungen in den frühen 1990er Jahren schildert Bernd B., ehemaliger Mitarbeiter im VEB Polygraph in der Ludwig-Hupfeld-Straße in Leutzsch, so: “Wir sind ja dann nach und nach alle entlassen worden und ich sah das dann auf mich zukommen. Nach der Wende hat der Herr W. die Arbeiterversorgung übernommen und er hatte mir angeboten, dort bei ihm Geschäftsführer zu werden. Da ich absah, dass mein Arbeitsplatz irgendwann liquidiert wird, hab ich mir gesagt, eh du hier lange rumsitzt, gehst du zu ihm. Dabei habe ich jedoch eine Abfindung eingebüßt, weil ich mir selber was gesucht hab. Alle andern haben eben abgewartet, was kommt – die sind entlassen worden und haben natürlich noch eine Abfindung bekommen. Jedoch sind die dann auch alle arbeitslos geblieben und ich war nicht einen Tag lang arbeitslos. Das habe ich – glaube ich – richtig entschieden.”
Bislang bereichern elf Interviews dieses digitale Stadtteilgedächtnis. Zeitzeugen, die in den 1980er und 1990er Jahren in einem Industriebetrieb in Plagwitz, Lindenau oder Kleinzschocher gearbeitet haben, werden weiter gesucht.
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