Es gehört mit zur Leipziger Wirtschaftsgeschichte: das düstere Kapitel der Zwangsarbeit in der NS-Zeit. Im 2. Weltkrieg war Leipzig eine der großen Rüstungsschmieden für den Kriegsbedarf. Das ist heute fast vergessen, weil im Grunde keines der involvierten Unternehmen aus dieser Zeit in Leipzig überdauert hatte. Das berühmteste war die Hugo Schneider AG, die HASAG. Eine Gedenkstätte erinnert an die dort zur Zwangsarbeit Verpflichteten.

Man findet sie heute auf dem Gelände des Umweltforschungszentrums. Die Aufarbeitung dieses Kapitels der Leipziger Geschichte ist bislang noch rudimentär. Auch weil die Unternehmen fehlen, die diese Aufarbeitung der eigenen Geschichte anpacken.

Um so wichtiger sind dann die Erinnerungsstücke, die auf privatem Weg in die Sammlung der Gedenkstätte kommen. So wie Ende Januar ein Fotoalbum, das eine Delegation von Nachfahren ehemaliger niederländischer Zwangsarbeiter an die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig (GfZL) übergab, das wertvolle Fotografien aus der Zeit des Nationalsozialismus enthält. Unter großen Anstrengungen war es Annie Hekkelman gelungen, die Herausgabe des Fotoalbums ihres Schwiegervaters aus dem Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation in Amsterdam (NIOD) zu bewirken, um es nun der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig zu schenken.

Ein Großteil der Fotos stammt von einem professionellen Fotografen, der sie auf dem Gelände der HASAG (Hugo Schneider AG) in Leipzig aufnahm. Diese Bilder nahm der Niederländer Gert-Jan Jochems, der bei der HASAG in Leipzig-Schönefeld Zwangsarbeit leisten musste, nach seiner Befreiung 1945 mit in die Niederlande. Dort klebte er sie kurze Zeit später in jenes Album ein und versah die Fotos mit Anmerkungen.Aber auch seine eigenen Fotos, die Gert-Jan Jochems während seiner Zeit in Leipzig mit einem Agfa-Apparat aufnahm, klebte er in das Album ein. Sie zeigen vor allem eine Gruppe von Männern, die im Juni 1942 im Alter zwischen 18 und 25 Jahren aus dem niederländischen Loenen zur Zwangsarbeit nach Leipzig verschleppt worden waren. Bis zum April 1945 mussten sie bei der HASAG in der Rüstungsproduktion schuften.

Christoph Kaufmann, Leiter der Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, geht davon aus, dass dies die größte Sammlung originaler Fotos zur HASAG sei.

Auch den Fotoapparat, mit dem Jochems die meisten seiner Bilder aufgenommen hatte, übergab Annie Hekkelman der GfZL für ihre Sammlung. “Für unsere Väter wäre es gut gewesen, zu wissen, dass es hier in Leipzig diese Gedenkstätte gibt”, so Stef Beumkes, dessen Vater ebenfalls in Leipzig Zwangsarbeiter war. Dem Engagement von Beumkes ist es zu verdanken, dass sich die Nachfahren der ehemaligen niederländischen Zwangsarbeiter aus Loenen in regelmäßigen Abständen treffen. Gemeinsam begeben sich Familie Beumkes, Annie Hekkelman-Van Sloeten, Hermien Put und die Familie van de Spreng, um nur einige zu nennen, auf Spurensuche.

Bei dem Besuch in der Gedenkstätte übergab Stef Beumkes zudem das bereits zweite Buch, welches er mit Hilfe der anderen Nachfahren Leipziger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erstellt hat. Es enthält Erzählungen, Abbildungen von Fotos sowie Auszüge aus dem Tagebuch von Jan Put. Diese Materialien ermöglichen es, ein Bild der Zwangsarbeit bei der HASAG aus der Sicht der niederländischen Zwangsarbeiter nachzuzeichnen. Es sind wertvolle Dokumente für die Sammlung der Gedenkstätte, betont Anne Friebel, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig.

Ein zweiter Besuch der Nachfahren niederländischer Zwangsarbeiter aus Loenen wird bereits geplant. Diese Kontakte stellen einen wichtigen Bestandteil der Arbeit der GfZL dar, welche nicht nur ein Ort der Information, sondern auch der Begegnung ist. Und immer mehr auch ein Ort der Dokumentation zu einem Kapitel der Leipziger Geschichte, das durchaus mehr Beleuchtung vertragen kann.

“Die Gespräche mit den Nachfahr_innen waren sehr bewegend und ermöglichen uns einen Austausch, wo die Überlebenden leider nicht mehr unter uns sind”, so Fördervereinsmitglied Martin Winter über den Besuch.

www.zwangsarbeit-in-leipzig.de

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