Die Veranstaltung "Zu Gast bei Schiller - Von Apels Garten bis zum Apelstein" im Schillerhaus am Donnerstag, 6. September, war eigentlich als kleine Geburtstagswürdigung für Andreas Dietrich Apel gedacht, der am 28. Juli schöne runde 350 Jahre alt geworden wäre, Seidenfabrikant, Inhaber einer Gold- und Silberwarenmanufaktur, Handelsherr. Apels Garten ist den Leipzigern noch heute ein Begriff. Auch wenn der Garten verschwunden ist.
Zumindest als Garten. Virtuell existiert er ja noch. Die fächerförmige Anlage des Kolonnadenviertels in der Leipziger Westvorstadt geht auf die berühmte barocke Gartenanlage von Apels Garten zurück. Den seinerzeit schönsten Barockgarten der Stadt, wie Zeitzeugen berichten.
Die Veranstaltung am 6. September fällt leider aus, weil der Referent erkrankt ist. Also gibt es hier bei uns das Geburtstagstörtchen für Apel. Denn nächstes Jahr, wenn die Veranstaltung im Schillerhaus nachgeholt werden soll, wäre er ja dann schon 351. Geboren wurde er übrigens – wie die meisten berühmten Leipziger – auch nicht in Leipzig, sondern in Quedlinburg. Was übrigens ganz besonders für Leute galt, die seinerzeit etwas unternehmen und Geschäfte machen wollten. Leipzig war im ausgehenden 17. Jahrhundert eine Stadt am Beginn der wirtschaftlichen Umwälzungen. Es war nicht nur die Messe, die die Stadt für Geschäftsleute interessant machte. Hier siedelten sich auch einige der wichtigsten und berühmtesten Manufakturen an, die Sachsen im 18. Jahrhundert reich machten.
Das ist fast vergessen. Jüngst erst wurde auch in Leipzig eindrucksvoll der 300. Jahrestag der Gründung der Meissener Porzellanmanufaktur gefeiert. 1710. Das war die Apel-Zeit in Leipzig. Und Sachsens Kurfürst August der Starke war eben nicht nur ein Fürst, der seinen Reichtum mehrte. Er war auch einer, der wusste, dass es die aufkommenden Manufakturen im Land waren, die seinen Reichtum mehrten. Sachsen war im Grunde der Produzent für all die Luxuswaren, die die seinerzeitigen Fürstenhöfe und immer mehr auf Präsentation bedachten reicheren Stadtbürger kauften.
Luxuswarenmanufakturen nach französischem Vorbild. Auch das machte Leipzig zu einem Klein-Paris – bis hin zur Kleidung, zur Sprache und dem Nachahmen französischer Sitten, was den jungen Frankfurter Studenten Johann Wolfgang Goethe noch ein halbes Jahrhundert später verblüffen sollte nach seiner Ankunft aus dem eher biederen Frankfurt.
Das Buch über den Leipziger Barock ist bis heute nicht geschrieben.
Andreas Dietrich Apel wäre ein Protagonist für dieses Buch, der sich geradezu anbietet. Er kam 1674 nach Leipzig und begann beim Vetter seines Vaters, Jonas Barniske, in dessen Seidenhandlung seine Lehre, 1690, mit 28 Jahren, wurde er Teilhaber. 1700 erbte er von Barniske den so genannten “Bieringschen Garten” am Pleißemühlgraben und errichtete hier eine “große Manufaktur zur Herstellung von Seiden-, Brokat- und Atlasstoffen, Tapeten, Leinwänden sowie Gold- und Silbergeweben”.In seiner Manufaktur stellte er zum Beispiel Damaste und “Grosdetours” her, schwere Tafte. Und das Zeug wurde gekauft. Mit Luxuswaren konnte man um 1700 in Leipzig reich werden. Und im Grunde waren es zwei Luxuswarenfabrikanten, die sich um 1700 auf großem Parkett mit wirtschaftlichem Glanz duellierten: Apel und Georg Heinrich Bose, jener Bursche, der 1709 das heute so benannte Bosehaus kaufte und so umbaute, wie wir es heute kennen mit dem Bach-Archiv und dem Bach-Museum. Und nicht nur hier zeigte er, dass er Geld in der Börse hatte. Denn berühmt war auch der Großbosische Garten im Südosten der Stadt, den sein Vater Caspar 1685 angelegt hatte.
Wie zeigt man als erfolgreicher Geschäftsmann in Leipzig, dass man genauso erfolgreich ist? – Man kauft sich auch ein Haus und baut es so um, dass auch Könige gewillt sind, drin zu schlafen. Auch dieses Haus steht noch: Es ist das so genannte Königshaus am Markt, das Andreas Dietrich Apel 1704 erwarb und 1706/1707 vom seinerzeit berühmten Johann Gregor Fuchs umbauen ließ. Vielleicht war das der Anlass für Bose, sich selbst ein Haus in der engen Stadt zu suchen, das er barock umbauen konnte.
Es war die Zeit, in der genau die Barockstadt entstand, in der wenig später Johann Sebastian Bach Thomaskantor wurde.
Vielleicht hat auch Apel eine Weile gebraucht, um das präsentable Grundstück direkt am Markt zu bekommen, das er wollte. Der Vorgang sieht ganz nach dem Üblichen aus: Hier ist ein junger erfolgreicher Unternehmer, der sich am wichtigsten Platz der Stadt zeigen will. Der damit auch zeigen will: Ich hab’s geschafft.
Den Boses, die schon etabliert waren, hat er es schon vorher gezeigt: 1701/1702. Da kaufte er nämlich große Teile der “Schlosswiese” im Westen der Stadt dazu und erweiterte dort seinen Besitz. “Schlosswiese” genannt, weil sie natürlich unter den Fenstern des (alten) kurfürstlichen Schlosses lagen, jenem, in dem Luther und Eck seinerzeit disputierten. Und Apel ließ sich die Auenlandschaft westlich des Pleißemühlgrabens von Gartenbaumeister David Schatz umbauen – zum schönsten Barockgarten der Stadt.
1701? War da was? – Ja. Das war der Amtsantritt eines gewissen Franz Conrad Romanus als Bürgermeister in Leipzig. Mit kurfürstlicher Protektion. Und berühmt wurde Romanus ja durch viele Dinge, die zeigen, dass er selbst von diesem Fieber eines neuen Zeitalters angesteckt war wie Apel und Bose. Davon zeugt bis heute das barocke Kleinod Romanushaus in der Katharinenstraße. Über seiner ungnädigen Absetzung und Inhaftierung vergisst man fast, dass Romanus es war, der zwei wichtige Unternehmungen begründete: 1701 startete er die öffentliche Stadtbeleuchtung, 1703 begründete er das städtische Sänftenträgerwesen. Manche sagen: Das war der Beginn des Leipziger ÖPNV. Aber es war wohl eher der Beginn des Leipziger Taxi-Wesens.Das neue, barocke Leipzig, das diese Männer miterschufen, lebte zwar aus eigener Kraft und Finesse – aber nicht nur bei der Mode schielte man nach Frankreich und zu den Fürstenhöfen. Noch steckte auch in sächsischen Unternehmern der Untertan, versuchten sich auch die Reichen und Erfolgreichen oben beim Fürsten anzubiedern und in dessen Glanz zu sonnen. Auch Apel, der 1714 auf den Kanälen seines schönen Gartens das erste Fischerstechen organisierte.
1787 ging Apels berühmter Garten in den Besitz der Familie Reichel über, aus “Apels Garten” wurde “Reichels Garten”. Und über Reichels kam das Gelände an einen gewissen Carl Erdmann Heine, jenen berühmten Karl Heine, nach dem heute der Kanal im Leipziger Westen benannt ist. Fast vergessen, dass er es war, der die Parklandschaft westlich der alten Stadtmauern im 19. Jahrhundert in die Westvorstadt verwandelte. Die Wegeführung aus Apels Garten wurde in der Elster-, Kolonnaden- und Reichelstraße beibehalten. “Apels Garten” heißt ein bekanntes Restaurant am Dorotheenplatz.
Und im Stadtbild sind die Apels auch noch anderweitig vertreten: Durch die berühmten Apelsteine, die ein spätes Mitglied der Familie, Guido Theodor Apel (Schulfreund Richard Wagners) zur Erinnerung an die Gefechte der Völkerschlacht aufstellen ließ.
Wer heute nach Spuren der Familie Apel sucht, kann auch auf das Kultur-Gut Ermlitz bei Schkopau fahren, das 1771 der Leipziger Jurist und Ratsherr Heinrich Friedrich Innozenz Apel kaufte, später auch Bürgermeister von Leipzig.
Womit man so eine Ahnung bekommt, was am 6. September im Schillerhaus alles erzählt worden wäre. Nun vielleicht im nächsten Jahr.
Ehrung zum 200. Geburtstag: Eine Bronzetafel für Guido Theodor Apel
Am Mittwoch, 11. Mai, gab es ein buntes …
Vorbereitet fürs Jubiläum 2013: Denkmale der Völkerschlacht sind wieder schmuck
Eigentlich hat Leipzig kein Problem mit Jubiläen …
Kleine Wiederauferstehung in einem Buch: Das verlorene Leipziger Westviertel
Ein Fußweg schlängelt sich von der Haltestelle …
Eine Anekdote wurde gern über die fächerförmige Anlage von Apels Garten erzählt. Es heißt, August der Starke, dem man ja allerlei Liebeständeleien nachsagt, habe auch Apels spätere Ehefrau als Favoritin gehabt und sie habe sich einen besonderen Fächer gewünscht – und den berühmten Garten bekommen.
Was natürlich ein Märchen ist. Denn Apel hat sich seine Ehefrau nicht in jenen Revieren gesucht, in denen sich der starke August tummelte. Er heiratete 1691 ganz bürgerlich die Tochter von Jonas Barniske, Dorothea Elisabeth hieß sie. Aber nach ihr ist der Dorotheenplatz trotzdem nicht benannt. Was schade ist. Benannt ist er nach Christina Dorothea Heine, geborene Reichel, der Mutter von Karl Heine.
Mehr zur Familie Apel: www.kultur-gut-ermlitz.de
Und eine umfangreiche Quelle zu allem, was man zu Leipzig wissen kann: www.leipzig-lexikon.de
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