Für Oberbürgermeister Burkhard Jung ist das Verfahren zu einem möglichen Verkauf des Wassergutes Canitz noch völlig offen. Für die Landesdirektion Leipzig nicht so ganz: Die hatte 2011 die Stadt beauftragt, auch einen Verkauf des Wassergutes Canitz prüfen zu lassen. Das darauf stehende Wasserwerk wird - als wäre es Zufall - dieser Tage 100 Jahre alt. Am 28. April laden die Wasserwerke Leipzig zum Feiern ein.

Ihnen gehört das Wassergut, die Wassergut Canitz GmbH ist eine Tochter der Wasserwerke, die in den letzten Jahren in die Schlagzeilen gerieten, weil ihr ehemaliger kaufmännischer Geschäftsführer Klaus Heininger im Namen des Unternehmens mit hochriskanten Papieren zockte. Sollte die gerichtliche Auseinandersetzung mit den Banken, die den Deal ermöglicht haben, für die Leipziger Verkehrs- und Versorgungsgesellschft (LVV) und damit die Stadt Leipzig negativ ausgehen, stehen 290 Millionen Euro an angehäuftem Risiko im Raum.

Daher die Auflage der Landesdirektion, die finanzielle Position der LVV deutlich zu stärken durch Verkäufe in Höhe von 70 Millionen Euro. Auch das Wassergut Canitz sollte deshalb auf den Prüfstand.

Gegründet worden war die Wassergut Canitz GmbH als Tochterunternehmen der Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH (KWL) 1994, um den Trinkwasserschutz für Leipzig zu gewährleisten. Konkret ging es um den Schutz der Trinkwasserressourcen im Einzugsgebiet der Wasserwerke in Canitz, Thallwitz und Naunhof. Umweltschonung und Bodenfruchtbarkeit stehen dagegen im Mittelpunkt. Womit die Wassergut Canitz GmbH einer der größten Öko-Agrarbetriebe in Sachsen ist, wo auch im Jahr 2012 noch immer die für den Osten typische Agrarindustrie dominiert mit ihrem Großeinsatz an Düngemitteln. Was unter anderem auch die Wasserqualität sächsische Fließgewässer bis heute negativ beeinträchtigt.
Auf insgesamt 750 Hektar Fläche – einem Areal größer als 1.000 Fußballplätze – werden auf dem Wassergut Canitz pflanzliche und tierische Ökoprodukte erzeugt. Dies geschieht ohne den Zusatz von chemisch-synthetischen Stoffen. So wird sichergestellt, dass keine Verunreinigungen in das Trinkwasser gelangen, betont das Unternehmen.

Die Wassergut Canitz GmbH ist ein zertifizierter Musterbetrieb für den ökologischen Landbau. Durch die gezielt umweltschonende Bewirtschaftung der besonders empfindlichen und für die Brunnen der Wasserwerke wesentlichen Flächen konnten die Werte für Nitrat im Grundwasser inzwischen erheblich gesenkt werden.

Das Leipziger Trinkwasser stammt aus den Tiefen des urzeitlichen Muldetales. Es ist besonders reich an Mineralstoffen wie Calcium und Magnesium. Die Wasserwerke Leipzig fördern das Trinkwasser für den Ballungsraum Leipzig in ihren Wasserwerken in Canitz, Thallwitz, Naunhof 1 und 2. Und nicht nur Canitz feiert. Die Wasserwerke Naunhof 1 in diesem Jahr 125-jähriges Jubiläum.

Die Wasserwerke wollen das Doppeljubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen feiern. Wer hinter die Versorgung der Leipziger Trinkwasserversorgung schauen möchte, kann dies am Sonnabend, 28. April, von 11 bis 17 Uhr im Wasserwerk Canitz tun. Die Wasserwerke öffnen die Türen zu ihrem größten und wichtigsten Wasserwerk und laden Besucher ein, ein Stück Leipziger Wassergeschichte zu erleben. Parallel öffnen dazu auch der Park Canitz und die Wassergut Canitz GmbH ihre Türen – große und kleine Gäste können also viel erleben.
Und sie können sehen, woher der größte Teil des Leipziger Trinkwassers kommt. Sie können sich auch erklären lassen, warum die Stadt sich im 19. Jahrhundert um eine solche eigene Trinkwasserversorgung bemühte. Denn wenn sauberes Trinkwasser aus dem Hahn kommt, fragt man ja in der Regel nicht nach, wie es anders wäre. Etwa wenn Leipzig sein Trinkwasser einkaufen müsste.

Die erste Anlage, die Stadt mit unbelastetem Wasser aus der Umgebung zu versorgen, entstand schon 1496 – eine hölzerne Wasserleitung von den Stötteritzer Wiesen in die Stadt, 1501-1504 wurde eine Wasserleitung vom Marienbrunnen in die Stadt verlegt, 1501 entstand auch die erste Wasserkunst an der Nonnenmühle, auch dies zur Trinkwasserversorgung der Stadt. Die Leipziger tranken jahrhundertelang also tatsächlich richtiges Pleißewasser. Freilich war das noch nicht durch industrielle Einleitungen oder eingeschwemmte Düngemittel belastet.

Dass aber klares Wasser nicht unbedingt auch unbelastetes Wasser sein musste, das hatte man dann im 18. Jahrhundert begriffen. 1719 wurde erstmals aus dem Marienbrunnen entnommenes Wasser untersucht. Und im 19. Jahrhundert, als die Stadt in alle Richtungen zu wachsen begann, war durchaus die Frage: Wo bekommt man für eine derart große Stadt genug sauberes Trinkwasser her? Die Stadtväter gingen intensiv auf die Suche nach näher gelegenen Trinkwasserreservoiren. Kurzzeitig nahm man 1866 ein Wasserwerk in Connewitz in Betrieb. Doch das war so schnell in Stadtnähe gerückt, dass man schnellstmöglich ein weiter entferntes sichern musste.

1887 wurde Wasserwerk Naunhof 1, 1895 das Wasserwerk Naunhof 2 und 1912 dann das Wasserwerk Canitz. Für letzteres hatte die Stadt Leipzig 1907 extra 800 Hektar Land im mittleren Muldetal gekauft. Wie wichtig es ist, was oben auf der Erdoberfläche passiert, erlebten die Leipziger Wasserwerker nach 1945, als die Felder in die übliche intensive landwirtschaftliche Bearbeitung einbezogen wurden, die in der DDR üblich war. Seit Anfang der 1970er Jahre stieg der Nitratgehalt im geförderten Trinkwasser bedrohlich an. Und die Leipziger Wasserwerker hatten keinen Einfluss darauf. Erst 1989 bekam die Stadt Leipzig die Flächen rückübertragen. Ab 1992 wurde die landwirtschaftliche Bestellung auf die Richtlinien der Gaä umgestellt. Seitdem ist der Nitratgehalt deutlich gesunken.

Mit den angebauten Produkten und acht angestellten Arbeitskräften macht die Wassergut Canitz GmbH rund 1,1 Millionen Euro Umsatz im Jahr. 623 Hektar werden als Ackerland bewirtschaftet. Man produziert Getreide, Erbsen, Zwiebeln, Zuckerrüben, Kartoffeln und Luzernepellets.

Zum Vergleich: Im gesamten Direktionsbezirk Leipzig gab es 2010 nur 85 Betriebe, die ökologische Landwirtschaft betrieben und dabei 9.241 Hektar bewirtschafteten, rund 109 Hektar also pro Betrieb. Vielleicht bewegt die schiere Größe des Wassergutes Canitz die landesamtlichen Sachwalter, Leipzig zum Verkauf zu drängen. Immerhin sind das 800 Hektar auf dem wertvollsten Boden in Sachsen. Bei vergleichbaren Verkäufen in der Region werden 7.800 Euro pro Hektar erzielt.

Nur macht es einen Unterschied, ob man den Boden danach ökologisch bewirtschaftet oder industriell. Und vor allem: Wer kauft? – Können sich Bauern, die ökologisch wirtschaften wollen, eine Investition von über 6 Millionen Euro leisten? Oder kommt einer der internationalen Fonds in Frage, die derzeit weltweit auf Einkaufstour in Sachen landwirtschaftlicher Nutzfläche sind? Die – und das ist das Beklemmende an dieser Entwicklung – oft für die aktuell rentabelsten Produkte genutzt werden. Und das sind aktuell Biokraftstoffe.

Wer also mehr wissen will über die Herkunft des Leipziger Wassers und die Bedingen über und unter der Erde, dem kann man den Tag der offenen Tür im Wasserwerk und Wassergut Canitz am 28. April von 11 bis 17 Uhr nur empfehlen.

Die Wasserwerke veranstalten dazu auch noch ein Gewinnspiel. Mehr dazu findet man unter:

www.wasser-leipzig.de/jubilaeumsjahr
www.wassergut-canitz.de

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