Seit dem 30. Januar 2012 ist im Leipziger Schulmuseum die Ausstellung "Die Leipziger Meuten - Jugendopposition 1933 - 1945" zu sehen. Projektleiter Alexander Lange schlug bei der Ausstellungseröffnung den Bogen in das Sachsen unserer Tage. Ob die Jugendopposition gegen das NS-Regime von manchem heute das Etikett "extremistisch" angeheftet bekäme, stellt der Historiker als Frage in den Raum.
Das Lob war am Montag im Schulmuseum groß für die Leipziger Jugendlichen, die sich zwischen 1933 und 1945 nicht von den Nazis und der Hitler-Jugend vereinnahmen ließen. Dank ging bei der Ausstellungseröffnung an all jene, die die Lebenswege der unangepassten Jugendlichen in den letzten Jahren rekonstruiert haben. Das Wort “Vorbild” fiel mit Blick auf heutige Jugendliche. Das Projekt wurde mit Mitteln des Förderprogramms “Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz” finanziert.
Projektleiter und Ausstellungsmacher Alexander “Sascha” Lange schlug hingegen einen ganz anderen Bogen in das Sachsen unserer Tage. In einen Freistaat, in dem sich an vielen Orten nichtrechte Jugendgruppen für Toleranz und Demokratie einsetzen. Würden denn die Meuten von manchem zeitgenössischen Politiker nicht auch als “extremistisch” eingestuft, fragte der Leipziger Historiker, der seit gut zehn Jahren zu den Meuten forscht und publiziert. Nach Langes Worten ließe sich das Wissen um die Meuten auch heute produktiv nutzen, wenn mancher Entscheider den Begriff Antifaschismus nicht als Schimpfwort verstünde, so Lange weiter.Mit der neuen Exposition widmet sich erstmals eine Ausstellung im mitteldeutschen Raum einer der größten oppositionellen Jugendgruppen während der Zeit des Nationalsozialismus. Das waren die Leipziger Meuten in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg in der Tat.
Die NS-Repressionsorgane gingen regelmäßig von 1.500 jungen Menschen aus, die sich diesseits der Hitler-Jugend trafen. Noch im Jahre 1938 nannte das Leipziger Jugendamt bei 60.000 jungen Menschen zwischen 10 und 18 Jahren 16.000 Jugendliche, die nicht den jungen Braunhemden angehörten.
So gleich und plötzlich funktionierte die NS-Gleichschaltung dann eben doch nicht. Vor allem in Leipzig nicht, wo es ein großes und noch lange Zeit NS-immunes Milieu der sozialistisch orientierten Arbeiterbewegung gab. Wer vor 1933 in dieses Milieu hineingeboren wurde, wollte auch nach 1933 meist nicht in die HJ. Diese Jugendlichen aus den eher proletarischen Stadtteilen trafen sich in den Meuten. “Reeperbahn” hieß beispielsweise eine Gruppe rund um den Lindenauer Teil der heutigen Georg-Schwarz-Straße, “Hundestart” die Meute in Kleinzschocher und “Lille” die in Reudnitz. Doch auch Netzwerke der bündischen Jugend aus den eher bürgerlichen Wohnvierteln blieben weiter intakt.Nun ist nonkonformes Jugendverhalten und das Aufkommen neuer Jugendkulturen ein zeitloses Phänomen. Doch während offene Gesellschaften über kurz oder lang zumeist einen Weg der Integration einer Jugendkultur finden, müssen sich Diktaturen in ihrem Herrschaftsanspruch herausgefordert fühlen. Denn totale Herrschaft will totale Unterordnung und normiert im Zweifel auch das Freizeitverhalten und den Musikgeschmack.
Deshalb reagierten Hitlerjugend, Staatspolizei und Leipziger Jugendamt auch entsprechend rabiat: mit Denunziationen, Inhaftierungen, Verurteilungen wegen Vorbereitung zum Hochverrat und einem Umerziehungslager in städtischer Regie.
Von all dem wird in der Ausstellung erzählt. Auf Schautafeln mit Karten und zeitgenössischen Fotos ebenso wie mittels Ausstellungsstücken in Vitrinen. Dort findet sich beispielsweise ein tragfähiges Grammophon. Mit dem konnten auf offener Straße, wie in Wald und Flur die neuesten Schelllackplatten mit Swing-Musik laut abgespielt werden. Für die Ausstellungsmacher ist das so etwas wie der Urahn aller MP3-Player.Die Ausstellung ist zudem multimedial angelegt. Auf Touchscreens können Fakten zu den Meuten recherchiert werden. Zwei Zeitzeugeninterviews kann man über Kopfhörern lauschen: Thomas Buhe erzählt von seinem Erleben in der bündischen Jugend, Henri Rosch aus seiner Zeit in den proletarischen Meuten.
Ein Kurzspielfilm von 25 Minuten rundet das Ausstellungsangebot ab. Er heißt “Kein Bock auf HJ” und erzählt aus dem Leben der Jugendlichen in den Meuten und ihrer Auseinandersetzung mit dem NS-Staat bis zum Einsetzen der staatlichen Repression. In die Rollen der Jugendlichen schlüpften Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Schulzentrums. Mit einem überzeugenden und bewegenden Ergebnis.
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Neben vielen jugendlichen Ausstellungsbesuchern setzt Schulmuseumsleiterin Elke Urban auf gut besuchte Multiplikatorenveranstaltungen mit Lehrern. Darüber hinaus sucht sie den Austausch mit den Schulbuchverlagen. Denn dort findet sich selbst in sächsischen Schulbüchern kein Hinweis auf die Leipziger Meuten. Stattdessen wird Jugendwiderstand gegen den NS-Staat dort am Beispiel der Kölner Edelweißpiraten erläutert. Dank der akribischen Forschungsarbeit von Alexander Lange und des Leipziger Ausstellungsprojektes bietet sich nun die Möglichkeit, die Geschichte am lokalen Beispiel anschaulicher zu erzählen.
Die Ausstellung “Die Leipziger Meuten – Jugendopposition 1933 – 1945” ist als Teil der Schau “Schule unterm Hakenkreuz” gestaltet. Sie geht in die Dauerausstellung des Schulmuseums ein und ist bei freiem Eintritt montags bis freitags von 9 – 16 Uhr zu sehen.
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