Eine Gedenktafel für das lange vergessene ehemalige Frauen-KZ in der heutigen Grünauer Parkallee fordert der Club der Nachdenklichen. Der Zusammenschluss Grünauer Bürger will das Vorhaben am kommenden Montag dem Quartiersrat des westlichsten Leipziger Stadtbezirks vorschlagen.
Es sei eine “Schande”, dass seit dem Bau des neuen Grünau ab 1976 keine Form der Erinnerung an das ehemalige Frauen-KZ in der heutigen Grünauer Parkallee gefunden worden sei, platzte es aus Klaus Schammler hinaus. Der ehemalige Polizist gehört zum “Club der Nachdenklichen” in Grünau, der sich einmal monatlich zum Gedankenaustausch trifft.
Dabei bleibt es nicht beim Reden. Die Runde um Walter Preidel und Martin Mahlzahn entwickelte beispielsweise das Konzept für die Quartierbuslinie 66, die seit knapp einem Jahr als Grünolino seine Runden dreht. Gemeinsam überzeugten sich schließlich die Leipziger Verkehrsbetriebe von der Idee und gewannen Sponsoren.
In diesem Monat widmete sich die Runde einem historischen Thema. Es ging um ein Stück Geschichte, die die Nachdenklichen tief aufwühlt. Geschichte, die vor der Haustür liegt. Geschichte aus einer Zeit, die sie als Kinder und Jugendliche noch erlebt haben.
Die Nachdenklichen ließen sich von Friedrich Roßner vom Leipziger Bund der Antifaschisten vom einstigen Frauen-KZ in der heutigen Parkallee berichten. Von August 1944 bis zum April 1945 befand sich in der noch heute von Linden gesäumten Allee ein Außenlager des KZ Buchenwald. Hier waren 500 ungarische Jüdinnen eingepfercht, die in den nahen Flugzeugwerken der ATG Zwangsarbeit verrichten mussten. Die ATG gehörten zum Flick-Konzern, dessen Chef die Alliierten später als Kriegsverbrecher verurteilten.
Roßner ist auf seine Weise mit der Thematik verbunden. Als im April 1945 amerikanischen Einheiten in seine damalige Heimatstadt Zwickau einrückten, habe seine Mutter gesagt “Jetzt kommen die Juden wieder”. Seit dem beschäftigte er sich mit der Verfolgung von Menschen im Faschismus, wie er sagt.
Später wirkte Friedrich in Leipzig an der damaligen Ingenieurschule für Pharmazie im Leipziger Westen als Dozent. Das waren eben jene Gebäude mit den dicken Kellermauern, die zu den Flugzeugwerken der ATG nebst angeschlossener Pilotenschule gehörten.
Dabei sei die ATG und das Lager in der Parkallee nur “ein kleiner Teil der Leipziger Rüstungsindustrie” gewesen, so Friedrich. Nach seiner Kenntnis seien in der Phase der Hochrüstung des “totalen Krieges” der Nazis ständig 80.000 bis 100.000 Zwangsarbeiter in der Stadt gewesen. “Leipzig war die Stadt, in der am meisten Zwangsarbeiter in der Rüstung beschäftigt waren”, urteilte der engagierte Antifaschist.
So wurde in der HASAG-Werken bei der Hugo Schneider AG insbesondere die “Panzerfaust” gefertigt. Bei der ATG produzierte man in insgesamt sieben Betriebsteilen Flugzeuge der Marken Junkers und Focke-Wulf.
Insgesamt 55 Seiten Material über das KZ in der heutigen Parkallee liegen Friedrich seit dem Sommer letzten Jahres vor. Zusammengetragen hat diese seit den frühen 1980er Jahren eine Gruppe um den Grünauer Klaus Hofmann.
Bereits 1985, zum 40. Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft, schlug die Gruppe die Errichtung einer Gedenkstätte vor. So wolle man in dem Neubaugebiet sozialistische Traditionen entwickeln helfen und mahnen, “dass solche faschistischen Verbrechen niemals wieder zugelassen werden”. Das Konzept sprach von einer “großflächig polierten Steingestaltung, rechteckig mit symbolischem Stacheldraht und Inschrift”. Für den Standort spräche zu dem die Nähe zu drei Schulen. Auf Wohlwollen der realsozialistischen Obrigkeit stieß der Vorschlag damals nicht.
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Den Nachdenklichen ist es auch heute “wichtig, dass diese Örtlichkeiten im Bewusstsein festgehalten werden”, wie es Konrad Pröhl formuliert. Deshalb kam die Runde überein, dass in Verbindung mit der Skulptur “Mutter mit Kind” des Bildhauers Theo Balden künftig eine Gedenktafel an der Parkallee an die Leiden der Frauen in dem KZ erinnern soll. So will es Martin Mahlzahn am kommenden Montag dem Grünauer Quartiersrat vorschlagen.
Zugleich wollen die Nachdenklichen auf die anliegenden Schulen zugehen. Das sind heute, anders als 1985, nicht mehr die Polytechnischen Oberschulen “Alexander Matrossow”, “Otto Grotewohl” und “Fritz Weineck”. Sondern das Montessori-Schulzentrum und die Freie Schule Leipzig. Christel Lehmann wird sich an die Freie Schule wenden, an der die Beschäftigung mit dem Thema schon begonnen hat. Martin Mahlzahn sucht den Kontakt zur Montessori-Schule. Denn den Nachdenklichen ist es wichtig, dass die Erinnerung und die Mahnung an die NS-Verbrechen an die jüngeren Generationen weitergegeben werden.
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