Der Journalismus ist in der ganzen Bundesrepublik in den vergangenen Jahren massiv unter Druck gekommen. Den großen Verlagen und vor allem den Regionalzeitungen brachen Auflage und Einnahmen weg. Ganze Regionen verlieren eine unabhängige Berichterstattung, während die Plattformen der großen IT-Konzerne die Gesellschaft mit Fakenews und Verschwörungstheorien überschwemmen. Dabei braucht die Demokratie einen unabhängigen Journalismus wie die Luft zum Leben.

Am Montag, 29. Juli, wurde deshalb eine Petition an Claudia Roth überreicht. Die Kulturstaatsministerin (Bündnis 90/ Die Grünen) nahm in Berlin die innn.it-Petition „Schafft Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus!“ im Bundeskanzleramt entgegen. Für das Forum Gemeinnütziger Journalismus übergaben die Vorstände Anne Webert (stellvertretende Vorsitzende Deutscher Journalisten-Verband, DJV), Susanne Stiefel (KONTEXT:Wochenzeitung) und CORRECTIV-Geschäftsführerin Jeannette Gusko im Bundeskanzleramt mehr als 50.000 Unterschriften.

Schon zuvor hatte es Meldungen gegeben, dass der Bund vorhabe, gemeinnützige Medienprojekte durch einen Anwendungserlass anzuerkennen, damit also auch endlich anzuerkennen, dass Journalismus eine elementare Rolle für die Demokratie spielt. Nur zu einer ordentlichen gesetzlichen Regelung konnte man sich noch nicht durchringen.

Am 25. Juli meldete sich der Deutsche Journalisten Verband (DJV) zu Wort und forderte, dass dem Erlass zwingend ein Gesetz folgen müsse. „Dieser Beschluss ist gut“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster, „aber er kann vom Bundeskabinett jederzeit widerrufen werden.“ Rechtssicherheit sei nur durch ein entsprechendes Bundesgesetz gegeben.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth konnte zum Termin bestätigen, dass sich Bund und Länder darauf geeinigt haben, die Bedingungen für gemeinnützigen Journalismus zu verbessern. Mit einem Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums sollen gemeinnützige Medienprojekte anerkannt werden.

„Ich danke den Initiator/-innen für die Petition, denn gemeinnütziger Journalismus ist von großer Bedeutung für unsere Demokratie. Es braucht für gemeinnützigen Journalismus mehr Rechtssicherheit“, sagte sie.
Aus Sicht des Forums Gemeinnütziger Journalismus ist das ein Erfolg auf dem Weg zur Rechtssicherheit für gemeinnützige Medienprojekte.

Weder Markt noch ÖRR füllen die Lücke

„Mehr als ein Jahrzehnt gemeinsamer Kampf zahlt sich aus, gemeinnütziger Journalismus wird grundsätzlich anerkannt! Ein wichtiger erster Schritt“, erklärte David Schraven (Vorstand Forum Gemeinnütziger Journalismus).

„Für den Erhalt der Demokratie ist das notwendig wie nie. Wo weder der Markt noch die öffentlich-rechtlichen Sender funktionierende Qualitätsangebote schaffen, kann gemeinnütziger Journalismus für demokratische Aufklärung sorgen. In den kommenden Jahren folgt sicher eine gesetzliche Regelung.“

Die Petition war am 14. Mai 2024 vom „Forum Gemeinnütziger Journalismus“ gestartet worden, einem Zusammenschluss von lokalen und nationalen Medien sowie Verbänden und Stiftungen. Der Anlass der Petition war die überraschende Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Anti-Fake-News-Blogs „Der Volksverpetzer“. Seitdem wächst die Sorge, dass auch weitere gemeinnützig arbeitende Medienhäuser ihre Gemeinnützigkeit verlieren könnten.

Bislang agieren gemeinnützige Medien in Deutschland in einer Grauzone. Sie sind auf das Wohlwollen von Finanzbehörden angewiesen, da Journalismus in der Abgabenordnung nicht unter den steuerlich begünstigten Zwecken aufgeführt wird. Ihre Gemeinnützigkeit erlangen sie über andere Zwecke. Die Regierung will nun eine untergesetzliche Regelung vornehmen. Das heißt: Es wird keine gesetzliche Änderung der Abgabenordnung geben.

Journalismus ist Volksbildung

Dafür gibt es einen sogenannten Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums, der nicht-gewinnorientierten Journalismus unter dem Zweck „Volksbildung“ führt. In der Praxis führe das dazu, dass nicht-gewinnorientierter Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen sei. Das Forum Gemeinnütziger Journalismus wertet dies als Zwischenerfolg, wird sich aber weiter für die Aufnahme des Journalismus in die Abgabenordnung einsetzen.

Nächster Adressat sind daher jetzt die zuständigen Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition. Denn die Abgabenordnung kann mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz (Jahressteuergesetz) geändert werden. Dieses wird aller Voraussicht nach im Herbst in den Bundestag eingebracht.

„Dass das Bundeskabinett gegenüber den Finanzämtern grünes Licht für die Anerkennung des gemeinnützigen Journalismus gegeben hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ein solcher Beschluss kann auch wieder zurückgenommen werden“, sagt Anne Webert vom DJV. „Deshalb brauchen wir ein Gesetz. Nicht mehr und nicht weniger.“

Wie das aus Sicht der Wochenzeitung „KONTEXT“ im Raum Stuttgart aussieht, schildert Susanne Stiefel: „Journalismus als Daseinsvorsorge – das hätten die Landräte in der Metropolregion Stuttgart auch gerne. Stattdessen leere Pressebänke. Darüber haben sie sich beim Monopolblatt beklagt, und niemand hätte davon erfahren. Wenn es nicht die Kontext:Wochenzeitung gäbe. Als einziges Medium hat sie darüber berichtet.

Das zeigt, wie wichtig Gemeinnützige sind. Sie schließen Lücken in der regionalen und lokalen Berichterstattung, die die Verlegerpresse (und auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten) sträflich vernachlässigen. Kontext macht das seit 13 Jahren. Wir wollen andere motivieren, auch aktiv zu werden. Deshalb muss Non-Profit-Journalismus gemeinnützig werden. Ein erster Schritt ist jetzt getan.“

Die Petition findet man hier.

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