Wie man einen eigentlich tragischen Vorgang mit Werbesprechblasen zu einem tollen Werbeprodukt aufblasen kann, das hat man im Hause Madsack gelernt. Die Übernahme der „Sächsischen Zeitung“ aus simplen ökonomischen Zwängen heraus und die Verschmelzung mit der „Leipziger Volkszeitung“ vermeldete die MADSACK Mediengruppe am Dienstag, dem 18. Juni, mit den Worten: „Leipziger Volkszeitung und Sächsische Zeitung bündeln ihre Kräfte und bilden eine der größten Regionalredaktionen Deutschlands“.

Als wäre das ein freiwilliger Zusammenschluss zweier Zeitungen, die jetzt einfach mal beschlossen haben, ihre Kräfte zu bündeln. Aber hinter dem Kräftebündeln steckt der Versuch, zwei Zeitungstitel zu retten, deren verkaufte Auflage sich in den vergangenen Jahren halbiert hat. Und damit sanken auch die Werbeerlöse. Und die schon jetzt in beiden Häusern durchgeführten Sparrunden haben den Trend nicht beendet.

Ein Trend, der vor allem dadurch ausgelöst wurde, dass Leser und Werbeeinnahmen in den vergangenen 20 Jahren systematisch in die „sozialen“ Netzwerke abgewandert sind. Weniger Geld für die Lokalzeitung aber bedeutet nun einmal, dass auch die journalistische Arbeit immer weiter ausgedünnt wird.

Im Werbesprech der MADSACK-Meldung klingt das dann positiv: „Die Leipziger Volkszeitung (LVZ) und die Sächsische Zeitung (SZ) stellen sich in Sachsen unter der gemeinsamen Führung der Chefredakteurinnen Hannah Suppa und Annette Binninger neu auf/Kompetenz von über 170 Journalistinnen und Journalisten zukünftig unter einem gemeinsamen Dach/Die Sächsische Zeitung wird zudem neuer Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).“

Etwas deutlicher wurde dann Thomas Düffert, CEO der MADSACK Mediengruppe, auch wenn er auf optimistische Blumen dabei nicht verzichten kann: „Wir leben in Zeiten enormer gesellschaftlicher Veränderungen. Qualitativ hochwertiger Regionaljournalismus ist wichtiger denn je. Wir bündeln publizistisch in dem für Madsack wichtigen Bundesland Sachsen unsere Kräfte und werden die großen Chancen von Journalismus in einer zunehmend digitalen Welt engagiert nutzen. Wir sind dafür personell und strukturell bestens aufgestellt.“

Verschmelzen und straffen

Der erste Schritt ist natürlich, Inhalte, die zuvor jeweils autonom erarbeitet wurden, künftig zentral zu produzieren: „In der neuen Aufstellung werden die Themen Landespolitik, regionale Wirtschaft sowie Investigatives und Reportage zukünftig aus einer Gemeinschaftsredaktion kommen, die an den Standorten Leipzig und Dresden für beide Publikationen zuständig ist. In einem gemeinsamen Team wird zudem der Digitaldesk gebündelt“, beschreibt MADSACK diesen Verschmelzungsprozess.

Und es klingt wie schon bei vielen früheren Einsparrunden, wenn Hannah Suppa, Chefredakteurin der LVZ, jetzt sagt: „LVZ und SZ profitieren enorm von dieser Zusammenarbeit. Die beiden Titel werden gemeinsam für Sachsen eine starke Stimme: mit tiefgründigen, investigativen Recherchen und Reportagen, fundierter landespolitischer und wirtschaftlicher Berichterstattung – mit innovativen digitalen Formatideen.“

Eine Aussage, bei der man natürlich stutzt, denn Medienvielfalt bedeutet eigentlich, dass zwei Lokalzeitungen auch ihre jeweils eigenen Perspektiven in der Berichterstattung abliefern.

Auch Annette Binninger, Chefredakteurin der SZ, redet sich die Symbiose schön: „Damit werden LVZ und SZ gemeinsam die wichtigste publizistische Stimme aus Ostdeutschland.“

Was sich in den Redaktionen ändert

Suppa und Binninger leiten künftig gemeinsam die neue Gemeinschaftsredaktion. Neben der Gemeinschaftsredaktion werden beide weiterhin die Redaktionen ihrer jeweiligen Titel führen. Die LVZ- und SZ-Redaktionen wollen sich jeweils auf die Berichterstattung aus dem Verbreitungsgebiet ihrer Titel fokussieren, heißt es weiter. Insgesamt werde die sächsische Redaktion mit mehr als 170 Vollzeitstellen für Journalistinnen und Journalisten ausgestattet, verkündet die MADSACK Mediengruppe. So entstehe somit eine der größten Regionalredaktionen in Deutschland.

Eine Feststellung, die die tatsächliche Entwicklung völlig auf den Kopf stellt. Denn tatsächlich fallen bei der „Sächsischen Zeitung“ jetzt 30 Stellen weg. Der Konzern will für die freigestellten Journalistinnen und Journalisten sozialverträgliche Lösungen finden.

Die DDV-Betriebsräte jedenfalls sind entsetzt, dass gleich mal 30 Stellen gestrichen werden. Denn das sind nicht nur ausgedünnte Redaktionen – im gleichen Zug werden mehrere Regionalausgaben der „Sächsischen Zeitung“ eingestellt, aus 17 werden 11. Das heißt: Journalist/-innen der SZ sind in einigen Regionen nicht mehr vor Ort.

Das passe nicht zur „Stärkung des Lokaljournalismus“, wie behauptet wird, stellt der Betriebsrat fest. Für „tiefgründige, investigative Recherchen und Reportagen, fundierte landespolitische und wirtschaftliche Berichterstattung“ sind einfach weniger Leute da, die Zeit und Kraft für diese Recherchen haben. Das heißt: Die Arbeitslast für die Verbliebene wird sich erhöhen. Und es wird weniger Tiefenrecherchen geben, nicht mehr.

Bitte neu bewerben

Und auch die Arbeitsverträge werden nicht einfach beibehalten, wie der Betriebsrat feststellt: Alle Mitarbeiter/-innen in der Redaktionen sollen sich bei einer bei der „Leipziger Volkszeitung angesiedelten Gesellschaft neu bewerben“.

Das ist schlichtweg die Entwertung einer ganzen Berufslaufbahn. Man steht wieder als Neuling da und bewerbt sich um den Job, den man jahrelang gemacht hat. Der Betriebsrat jedenfalls befürchtet noch weitere Einschnitte und auch Folgen für die Mitbestimmung im Haus.

Die Perspektive der Beschäftigten ist ganz offensichtlich eine völlig andere als die der Geschäftsführung, für die Carsten Dietmann, Geschäftsführer der DDV Mediengruppe, sagte: „Die Einbindung in einen starken Verbund führt zu einer effizienten Aufstellung von redaktionellen Strukturen. Wir können so sicherstellen, dass unabhängiger und innovativer Journalismus bei der Sächsischen Zeitung eine erfolgreiche Zukunft hat.“

Inzwischen hat auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) die Stellenstreichungen scharf kritisiert. Gegenüber „Meedia“ kommentiert ein Gewerkschaftssprecher: „Vor dem Hintergrund der Bedrohung durch die AfD ist der angekündigte Abbau von 30 Redaktionsjobs unverantwortlich. Madsack muss seiner verlegerischen Verantwortung gerecht werden.“

Das ist zwar etwas eng gesehen: Es geht nicht nur um kompetente Berichterstattung über die AfD. Aber der Aspekt ist natürlich eines der Probleme, die immer deutlicher werden: Je mehr Lokalzeitungen in Mitteldeutschland entweder fusionieren (wie SZ und LVZ) oder einfach nur ihre Redaktionen ausdünnen oder „nur“ ihre Printtitel einstellen – jedesmal geht ein Teil journalistischer Berichterstattung über die Region verloren.

Die Bewohner der Region werden immer lückenhafter und oberflächlicher informiert. Das kommt natürlich allen populistischen Bewegungen und Parteien entgegen, für die eine starke Medienlandschaft genauso zum Feindbild gehört wie eine gut informierte Demokratie.

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Es gibt 8 Kommentare

> Berückend” als eines seiner Markenzeichen-Wörter hat mich meist den Kopf schütteln lassen.
Ich finde mich in diesem Wort meist wieder. Ist es nicht so, dass die meisten Autoren ihre “Macken” und Eigenheiten haben? Es gibt hier einen, der die beim Leser gewünschte Einordnung des Themas gern gleich in der Überschrift erwähnt, oder doch zumindest in der ersten Artikelzeile, wenn es um “verständliche”, oder auch “allzu verständliche” Anliegen geht. Ein Anderer gibt sich Mühe, die zweifelsfreie Rechtsradikalität der einen oder anderen Subjekte dieser Stadt akribisch nachzuweisen. Oder gelegentlich diese Einsatz-Absätze.
Ich würde mich an “berückend” nicht stören. Eine Matthäuspassion kann genau das sein. Außerdem verfügt Korfmacher über einen breiten Wortschatz, um mir unbekannte, oder nur fühlbare Effekte der Musikaufführungstechnik zu beschreiben. Davon profitiere ich genau so, wie die Pflege der Liebe zu Blomstedt, dessen Anhänger Herr Korfmacher zweifelsfrei ist. Ich nehme ihn einfach als satirisch-angehauchten Feuilletonisten war, den man im Zweifel nicht mit jedem Wort Ernst
nehmen muss.

> Hoffen wir also fest, daß wir absehbar eine/n 19. nach Bach begrüßen können…
Da bin ich bei Ihnen. Es ist nicht so, dass ich mit Herrn Reize gar nichts anfangen kann und ihn verdamme, aber ich habe Ihre Kritik sofort verstanden und sehe das auch so. Ich tippe mal auf etwas, was auf der Hand liegt, aber nicht die reine Wahrheit sein muss: Herr Biller war ein genialer, durchaus gestrenger Hausherr, der Formungsarbeit leisten wollte. Mit einem riesigen Erfahrungsschatz, mit Erwartungen an die Leute, mit der ein oder anderen tollen Vision. Es entstand an vielen Stellen, über Jahre, kontinuierliche Spitzenleistung. Seine große Mühe hat zweifelsfrei gefruchtet.
Ganz so gestreng war sein Nachfolger Gotthold Schwarz nicht mehr, aber er konnte aufbauen auf dem Schatz, den er vorfand. Er stammte aus der gleichen Riege, kannte alle Zusammenhänge der Anstalt. Herr Reize scheint mir der freundliche Kumpel zu sein, der den Fokus des Anspruchs verloren hat, zugunsten “weicherer” Faktoren. Nicht ganz unwichtig; unter Biller gab es durchaus auch Probleme.

> Jedenfalls möchte ich mir Leipzig ohne LVZ nicht vorstellen […] Es sind weiterhin, abnehmend zwar, anerkennenswerte journalistische Arbeiten drin.
Auch da bin ich bei Ihnen. Bei beiden Aussagen.

Die Sächsische Zeitung, lieber User “Sebastian”, las ich zuletzt in seliger DDR-Zeit Anfang der Achtziger, mein Vater hielt sich das Blatt. Interessant, daß Sie aktueller Leser sind.

Die LVZ v.a. wegen Korfi zu lesen, überrascht mich allerdings. Ich erinnere mich gut, wie ich 1999 einer unter wirklich vielen Wütenden war, deren Zuschriften hinsichtlich Peter Korfmachers (und Hagen Kunzes) Rundumschlag gegen die von G.C.Biller praktizierte Bachpflege auf einer eigenen Seite gesammelt abgedruckt worden waren, eine wirklich illustre Sammlung. Nun sind 25 Jahre vergangen, und Korfi ist nicht mehr ganz so knallig wie damals, zumal längst selbst Kulturchef, leider hat er es bisher nicht gelernt, lesenswerte Glossen zu schreiben, man vergleiche die Texte von Janina Fleischer oder Jürgen Kleindienst. “Berückend” als eines seiner Markenzeichen-Wörter hat mich meist den Kopf schütteln lassen. Daß er sich weiterhin nicht durchringen kann, daß Wirken von Thomaskantor Reize (“Die internationale Lösung”) substantiell zu kritisieren, finde ich mehr als bedauerlich. Der Thomanerchor kann seit Jahren Bachmotetten nicht (mehr) überzeugend singen, da hilft auch keine übermotorisierte Basso-Continuo-Begleitung. Weite Teile der Soprane singen dünn oder schrill. Korfi verliert dazu kein Wort. Hoffen wir also fest, daß wir absehbar eine/n 19. nach Bach begrüßen können…

Jedenfalls möchte ich mir Leipzig ohne LVZ nicht vorstellen (bis zur Einstellunc ca. 1992 hielt ich mir das Sächsische Tageblatt). Ich nehme an, lieber Autor, Ihnen geht es auch so. Es sind weiterhin, abnehmend zwar, anerkennenswerte journalistische Arbeiten drin.

Die SZ war bis vor kurzem noch deutlich SPD dominiert, mindestens in der Eigentümerschaft. Insofern absoluter Unsinn vonwegen AfdcduWurstblatt.
Ich lese sie jeden Tag seit ungefähr 15 Jahren, und finde sie ein wertvolles Element der lokalen Berichterstattung.
Frau Töberich macht den Wüterich am Elberadweg. Die Standseilbahn wird wieder mal gewartet. Und die kleine Dampflok Lisa auch. Und überhaupt die Parkeisenbahn! Dynamo wechselt das Trainingsgelände, da plant schon jemand die Erweiterung der Gleise!
Die Elbe führt wenig Wasser – werden die Dampfer noch am Wochenende bis Bad Schandau kommen?
Fahrradwegversuch am Blauen Wunder – jetzt lösen sich schon die Markierungen! Der Abschied der Tatrabahnen – großes Tamtam mit Sonderfahrten aller restlichen Bahnen!
Diese Zeitung ist so viel relevanter als die LVZ mit ihren Bäckertests, Bartests, Frühstückstests und Eisladentests.

Auf die LVZ kann ich, bis auf den Korfmacher’schen Teil, weitestgehend verzichten. Erst als Gegengewicht zum Fahrradzeitgeist dieser Stadt erscheint sie mir wieder relevanter. Aber alles wichtige, wenn mal ein neuer Kantor zu St. Thomas kommen soll, oder der Hbf am Wochenende gesperrt ist, steht es auch immer schon in der SZ drin. Beim Gewese um das Erdbeerland in Döbeln, inklusive Bockwurstschleuder und VERKEHRSCHAOS haben sie sich nicht viel genommen…

Es läge mir gänzlich fern, etwa Hannah Suppa, die m.W. in der Redaktion “die Alte” genannt wird, nennenswerte Verdienste zuzugestehen. Daß Jan Emendörfer, dessen Vater Max weiland 1943 der einzige im sog. Mannschaftsdienstgrad war, der das NKFD mitgegründet hatte, 2020 Jahren von Madsack auf den RND-Osteuropa-Posten weggelobt worden war, bleibt dumm. “Unser geliebtes Heimatblättchen” LVZ nun aber allen Ernstes als Schundblatt zu bezeichnen, ist mehr als dumm und obendrein doof. Was haben Sie, werter User “Martin” z.B. gegen die Redaktoren (ein Helvetismus) Jens Rometsch, Mathias Wöbking, Janina Fleischer, Andreas Dunte, Klaus Staeubert und Guido Schäfer, oder auch Josa Mania-Schlegel, um nur ein paar zu nennen, von denen Sie getrost sicher sein können, daß es sich um helle Köpfe (sic!) handelt Und was meinen Sie mit “Leipzigs Potential”? Das hiesige Wokie-Level? Und Ihr Bild vom “objektiven Sprachrohr” ist albern, man weiß einfach, daß Madsack kein, sagen wir, humanistischer Zirkel sein kann, wie es schon Springer nicht war. Und tatsächlich ist der RND-Manteilteil der LVZ chronisch unlesbar. Na und? Ich halte mir immer ein paar alte nassgewordene Schuhe, die ich sofort ausstopfen kann…

Mehrere von einander unabhängige Zeitungen sind für jede Region ein Gewinn, auch wenn das für einige Blasenbewohner schwer zu verstehen ist. Sowie das über das verschwinden weitere Journalisten in der täglichen Berichterstattung hier berichtet wird, findet meine höchste Achtung.

Nachtrag: Dieser Wunsch nach “Objektivität”, der besonders oft von politisch linker Seite kommt, scheint mir – unbewusst(!) – etwas höchst Unmodernes zu haben, schließlich ist die Moderne durch jene Differenzen gekennzeichnet, die wir – auf allen Ebenen – aushalten müssen. Streit ist Recht, um es – ebenso apokryph wie aphoristisch – mit Heraklit zu sagen. Einheitszeitungen sind, so gesehen, nie etwas Gutes, egal welche Werte, Ideologie und politische Richtung sie vertreten.

Meine Eltern gehören zu den “Rentnerdorftrotteln” aus der Umgebung, die die Zeitung täglich lesen. Und meine Tante ist in der Redaktion für das Gewinnen von Anzeigen zuständig. Ich weiß daher aus erster Hand, wie schwer das Geschäft ist und wie sehr die Leute trotzdem an ihrer Zeitung hängen, sei es als Arbeitsplatz oder Morgenlektüre. Gerade die Regional- und Lokalteile werden gelesen. Es berichtet ja auch sonst niemand drüber. Was ein “objektives Sprachrohr” sein soll, erschließt sich mir nicht, ich glaube, die LVZ wollte es bis 1989 sein, war dadurch aber objektiv nur das Sprachrohr der SED. Die hatte den gleichen (moralischen) Hochmut und glaubte sich auf der richtigen Seite der Geschichte wie heute manch einer.

Diese AFDCDUCSUFDP Schundblätter können beide weg. Eine lokale Tageszeitung könnte ja auch ein objektives Sprachrohr aller Bürger sein, was bei der LVZ einfach nicht der Fall ist und deutlich unter Leipzigs Potential läuft. Taugt allerhöchstens für die Rentnerdorftrottel aus der Umgebung und kann weg.

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