Sind wir nun klüger? Sind die Zuhörer der Diskussionsveranstaltung „Journalismus in Zeiten der Klimakrise“, zu der Scientists 4 Future Leipzig und das Referat Wissenspolitik der Stadt Leipzig am Dienstag, 13. Juni, ins Stadtbüro am Burgplatz eingeladen hatten, etwas besser informiert, wie (Klima-)Journalismus funktioniert? Denn längst weiß eine Mehrheit der Bundesbürger, wie gefährlich der Klimawandel ist und wie dringend Klimaschutzmaßnahmen. Doch wird eine Maßnahme konkret, geht in den Medien meist erst das Zeter und Mordio los.

Sind also die Medien gar nicht auf der Höhe der Zeit? Oder sind da andere Mechanismen am Werk, die verhindern, dass unsere Gesellschaft tatsächlich endlich alles tut, wenigstens in Deutschland den Klimaschutz zur erlebbaren Politik zu machen?

Einige dieser Probleme kamen am 13. Juni tatsächlich zur Sprache, als Dominik Memmel von Scientist for Future (S4F Leipzig) versuchte, mit Hannah Suppa (Chefredakteurin Leipziger Volkszeitung), Daniel Schlechter (Redaktion MDR Wissen), Carel Mohn (Chefredakteur klimafakten.de) und Ruth Ciesinger (Onlineredaktion Tagesspiegel, Chefredaktion Gradmesser-Podcast) auszuloten, wie gut eigentlich die Klimaberichterstattung in ihren Medien schon ist, ob sie funktioniert und woran sie scheitert.

Das Beharrungsvermögen des alten Stiefels

Ist sie eigentlich nur eine Nischenproduktion, während die Hauptredaktion einfach ihren alten Stiefel weiterfährt? Oder schalten die Nutzer gar ab, wenn schon wieder dramatische Klimanachrichten kommen? Von allem ist etwas dabei.

Was die psychologische Seite der Mediennutzung betrifft, konnten Daniel Schlechter aus der Redaktion von MDR Wissen und Carel Mohn, Chefredakteur von klimafakten.de, so einiges beitragen. Denn natürlich kann niemand die Menschen zwingen, alles zu lesen, anzuhören oder anzuschauen, was Medien publizieren.

Hannah Suppa, Carel Mohn und Ruth Ciesinger in der Diskussion "Journalismus in Zeiten der Klimakrise". Foto: Sabine Eicker
Hannah Suppa, Carel Mohn und Ruth Ciesinger in der Diskussion „Journalismus in Zeiten der Klimakrise“. Foto: Sabine Eicker

Viele sind vom heutigen Nachrichengeprassel so überfordert, dass sie sich sogar völlig ausklinken und all das gar nicht mehr wissen wollen. Auch weil dahinter ein Mechanismus steckt, den die Schlagzeilenmacher nur zu gut kennen. Denn am schnellsten Klicks generiert man, wenn man Dinge dramatisiert, skandalisiert und gleich noch mit dem Hammer draufschlägt. „Klimakleber“ zum Beispiel. Oder „Klimaterroristen“. Eine Kunst, die die deutschen Boulevard-Medien zur Perfektion getrieben haben.

Und die leider auch Nachrichtenredaktionen scheinbar seriöser Medien nur zu gern kopieren. Denn wer als Erster eine Nachricht bringt, bestimmt auch, welchen Dreh sie bekommt. Sie wird bei den Suchmaschinen ganz oben stehen. Und jede noch so fundierte Berichterstattung, die den Schnellschuss wieder korrigiert, hat in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie keine Chance mehr.

Mehr als die ersten fünf Suchmaschinentreffer werden in der Regel nicht angeklickt. Suchmaschinen haben eine enorme Macht – auch als Filter.

Ein Thema, das kurz gestreift wurde in der Diskussion. Leider zu kurz. Manchmal bestehen die Konflikte im eigenen Haus, wie Daniel Schlechter für den MDR andeutete. Da kann sich der Wissenschaftsredakteur oft auch nur an den Kopf fassen, wenn die Kollegen aus anderen Ressorts wieder ihre üblichen alten Frames setzen.

Selbst wenn es um die Umorganisation eines Verkehrsraums in Leipzig vor dem Hauptbahnhof geht, wo sich die hier heimische Zeitung LVZ ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckert hat – aber eine Diskussion anheizte, die am Thema völlig vorbeiging.

Was hat eigentlich alles mit Klima zu tun?

Denn die Anlage von Radwegen ist nun einmal auch ein Klimathema. Und eigentlich müsste man ja die Leser und Zuschauer mit positiver Berichterstattung wieder abholen können. Ein Thema, das in der zweistündigen Diskussion immer wieder artikuliert wurde.

Denn natürlich verweigern sich viele Bundesbürger, weil sie den Zank und den Streit, die Skandalisierung und Angstmachen einfach nicht mehr aushalten. Ein nur zu verständlicher psychologischer Effekt.

Wenn man sie dann einmal dazu bekommt, ihre eigenen Gefühle zu artikulieren und über echte, für sie praktikable Lösungen nachzudenken, kann man den Knoten auflösen, da ist sich Schlechter sicher.

Aber wie will man sie erreichen, wenn Politik und Medien wie kommunizierende Röhren sind: Wenn Medien ein Thema skandalisieren, kann man sicher sein, dass sich sofort Politiker einschalten, die aus dem Skandal Profit schlagen wollen. Die Schraube wird also weitergedreht, denn jetzt befeuern dann diese Politiker mit ihren Äußerungen in der Zeitung die Debatte, die immer weiter eskaliert.

Moderator Dominik Memmel und Daniel Schlechter in der Diskussion "Journalismus in Zeiten der Klimakrise". Foto: Sabine Eicker
Moderator Dominik Memmel und Daniel Schlechter in der Diskussion „Journalismus in Zeiten der Klimakrise“. Foto: Sabine Eicker

Und besonders beschämend wird es dann, wenn in den üblichen Pro-und-Kontra-Gegenüberstellungen auf einmal Leute zu Wort kommen, die einfach Fakten und Wirklichkeit ignorieren und es so erscheinen lassen, als könnte man über Themen wie die Klimakatastrophe und die notwendigen Rettungsmaßnahmen völlig unterschiedliche Ansichten haben. Und beide wären rechtens.

Das hat bei einigen Zeitungen inzwischen zu gelindem Erschrecken geführt und zu der Erkenntnis, dass dieses eingebürgerte Zuwortkommen „beider Seiten“ schlichtweg keinen Sinn ergibt, wenn es um eine realistische Darstellung der Wirklichkeit geht.

Die (eingebildeten) Erwartungen der Leser

Dass sich die Runde dann sogar darauf verständigte, eine realistische Darstellung der Wirklichkeit käme schon allein durch die Pluralität der Medienlandschaft zustanden, ist wohl eher ein Versuch, dem eigentlichen Konflikt auszuweichen.

Der natürlich benannt wurde. Denn Journalisten – schöne Erkenntnis – sind auch nur Menschen. Und eben auch abhängig – von ihren Chefs und Chefinnen, von Rundfunkräten, Werbekunden, Klickzahlen, Lieblingsinterviewpartnern und nicht zuletzt ihren Lesern. Die eben keine homogene Masse sind.

Nicht einmal in dem Sinn der 70-Jährigen, die die Leserschaft der gedruckten LVZ sind, und der jungen Leute, die man natürlich verprellt, wenn man jahrelang nur so berichtet, dass man den Nerv der Älteren trifft. Vielleicht in der grundfalschen Annahme, dass diese Menschen ihr Verhalten gar nicht ändern wollen und tatsächlich nur schimpfen auf die Jungen.

Auch Journalisten sind voreingenommen. Und es ist eben nicht die Regel, dass eingefleischte Sichtweisen in den meisten Zeitungsredaktionen tatsächlich aufgebrochen werden. Oder überhaupt hinterfragt wird, ob der Dreh, den man einer Geschichte gibt, nicht eher eine ganz persönliche Voreingenommenheit ist.

Wobei die Frage ja wirklich ist: Wie nimmt man die Leser und Zuschauer doch wieder mit, löst die – auch von einigen großen Playern gewollte – Demotivierung auf und ermutigt dazu, tatsächlich das eigene Leben zu ändern. Auch wenn klar ist, dass alle Menschen in einem sozialen Rahmen leben, der ihre Entscheidungen bestimmt und begrenzt.

„Es wird unterschätzt, wie sehr Leute bereit sind, sich zu ändern“, sagt Carel Mohn. Nur tun sie das eben ungern, wenn ihnen die Veränderung immer nur als Verzicht madig gemacht wird. Aber genau das passiert. Und die großen Medien haben sich alle emsig bemüht, diesen konservativen Frame immer wieder zu stärken. Nur zu gern wurde und wird dazu jede Wortmeldung eines auf Stimmenfang fixierten Politikers breit aufgemacht.

Im Angesicht des tatsächlichen Zustands unserer Medienlandschaft war die Diskussion eigentlich ein bisschen zu niedlich, um es einmal zurückhaltend zu formulieren. Aber man will ja niemandem wehtun. Und sich nicht in die Nesseln setzen. Oder riskieren, dass die Leute einen mit viel Aufwand geschriebenen informativen Artikel gar nicht erst lesen.

Denn den Druck erzeugen ja andere, die mit ihren fertigen Meinungen und Vorurteils-Schablonen schon am Start sind, wenn etwas gerade erst passiert. Die Medien des Springer-Konzerns wurden zumindest erwähnt. Aber das Rennen machen eben auch andere mit und sorgen dafür, dass Themen eskalieren und am Ende nur noch als heillose Debatte in Erinnerung bleiben.

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> “Das hat bei einigen Zeitungen inzwischen zu gelindem Erschrecken geführt und zu der Erkenntnis, dass dieses eingebürgerte Zuwortkommen „beider Seiten“ schlichtweg keinen Sinn ergibt, wenn es um eine realistische Darstellung der Wirklichkeit geht.”
Spätestens seit dem Höhlengleichnis als eine der möglichen Metaphern und Sichtweisen der Erkenntnistheorie ist klar, dass es “die Wirklichkeit” nicht gibt.
Und das hier befürwortet wird, gewissermaßen aus “guten Gründen”, den anderen Teil des Meinungsspektrums am besten weg zu lassen ist erstens für mich befremdlich und zweitens Wasser auf die Mühlen derer, die eh schon sehr medienkritisch unterwegs sind. Oder ich habe die Aussage falsch interpretiert, das will ich nicht ausschließen.

Um beim bemühten Beispiel zu bleiben: mit Radwegen im kommunalen Klimanotstandsgebiet Leipzig werden wir den Klimawandel nicht aufhalten. Die Wirkung ist so gering, dass es nicht mal ein Puzzleteil ergibt. Es gibt andere gute Gründe für Radwege, und die kann man ja auch gern ins Spiel bringen. Aber das Wegsehen, Abschalten, nicht hören wollen so vieler, erschreckend vieler Leute, das hat zwar auch mit dem Aufmerksamkeitsmechanismus der Medien zu tun, so wie er hier gut beschrieben ist, aber auch mit dem parallelen Senden der gewünschten, “guten” Sichtweise über Sender und Medien hinweg. Wenn dann wenige Alternativen wie Dieter Nuhr aus der gleichen, guten, Ecke bekämpft und runter gemacht werden, wird das Gefühl der Abschalter nicht besser.

Wie sehen das Andere? Hat noch jemand den Eindruck, dass man zwischen einer Tagesschau von vor der Wende und einer Heutigen viele Unterschiede feststellen kann, was die “Haltungsnoten” angeht?
Kommen wir wieder in eine Zeit des Biedermeier, wo die Leute sich ins Private und “mal wieder ans Meer” Deutschschnulzen verkriechen?
“Warum lesen Sie denn das alles, wenn es Sie so aufregt?” fragte mich kürzlich die Psychologin. Aber ist Wegschauen von all dem alarmistischen Irrsinn die (tragende) Alternative?

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