Eigentlich haben wir hier seit Jahren immer wieder darüber geschrieben, wie die großen US-amerikanischen Internetkonzerne die Medienlandschaft systematisch zerstören. Nicht nur, indem sie immer mehr Nutzer in ihre a-sozialen Netzwerke ziehen und sie in einer Flut von widersprüchlichen, oft übertriebenen oder erfundenen Meldungen irren lassen. Noch viel radikaler war die Zerstörung der Finanzierungsbasis für traditionelle, gedruckte Medien.

Wozu auch jene Magazintitel gehören, die Gruner + Jahr jetzt vom Markt nimmt. Was dann bei „Spiegel Online“ verkürzt wurde auf die Formel „Kahlschlag bei Gruner + Jahr“.

„Dabei gerät aus dem Blick, dass es sich bei journalistischen Medien nicht um x-beliebige Waren handelt, sondern um Güter, die neben ihrem wirtschaftlichen auch einen so bedeutenden gesellschaftlichen und demokratischen Wert besitzen, dass es gilt, ihre Verfügbarkeit unabhängig von ihren Gewinnaussichten zu sichern. Es war der Autor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der gesagt haben soll, dass er eher auf die Regierung als auf die Zeitungen verzichten würde. Und das stimmt noch immer“, kommentierte das dort am 11. Februar Carsten Brosda.

Ich hoffe sehr, dass das so bleiben wird …

Er hat durchaus wahrgenommen, was da gerade auf dem Print-Markt passiert: „Die Ökonomie der Medien verändert sich rasant. Ehemals sichere Erlösströme versiegen. Die Kosten für Papier und Energie gehen durch die Decke. Die digitalen Strategien verfangen noch längst nicht so, wie sie es müssten. Und die rein digitale Konkurrenz muss sich nicht mit den Lasten des analogen Geschäfts herumschlagen.“

Aber der SPD-Politiker, der auch als Pressesprecher und Redakteur gearbeitet hat, sieht die Medienwelt nach wie vor durch die Brille der Medienkonzerne und glaubt, eben diese alten Konzerne müssten Journalismus heute eben nur anders quer subventionieren.

„Der Wunsch, dass sich die Gesellschaft nicht weiter in den Medienmarkt einmischt, ist nur so lange begründet, wie dieser Markt auch die gesellschaftlich gewünschten Produkte produziert: freien Journalismus und die unabhängige Herstellung demokratischer Öffentlichkeit. Sie sind es, die geschützt werden müssen, nicht mediale Geschäftsmodelle an sich“, schreibt er.

„Wir sind bislang gut mit einem Mediensystem gefahren, in dem privat- und gemeinwirtschaftliche Angebote darum konkurrieren, diese Leistungen zu erbringen. Ich hoffe sehr, dass das so bleiben wird.“

Nein. Wird es nicht.

Alphabet, Amazon und Meta

Denn während die öffentlich-rechtlichen Sender, von denen er schwärmt, sich über Gebühren finanzieren und längst selbst so tun, als wären sie eben öffentlich-rechtliche Zeitungskonzerne mit ebensolchen digitalen Nachrichtenangeboten (werbefrei natürlich), legte Jonas Stark am 23. Februar die Zahlen vor, die zeigen, wie die unregulierten IT-Konzerne aus den USA den klassischen Medien das Wasser abgraben.

„Alphabet, Amazon und Meta dominieren den globalen Werbemarkt. Das zeigt der Report ‚Global Advertising Trends‘ der Marketingberatung WARC. Im vergangenen Jahr teilten die amerikanischen Tech-Riesen mehr als 40 Prozent des Gesamtvolumens unter sich auf. Amazon alleine hat 2022 knapp 37,7 Milliarden US-Dollar mit Werbungsdienstleistungen verdient, rechnet WARC vor. Im Vergleich dazu schätzt das Beratungsunternehmen den globalen Werbemarkt 2023 für Publisher auf 47,2 Milliarden“, schreibt er da. „Die globalen Erlöse für Printwerbung wiederum sind in den letzten Jahren eingebrochen. So lagen sie 2016 bei 75,9 Milliarden US-Dollar.“

Und 2022? „Doch 2022 lagen die weltweiten Erlöse für Printwerbung bei 37,3 Milliarden. Im Umkehrschluss bedeutet das: Das Werbegeschäft des Amazon-Konzerns ist mehr wert als der globale Print-Anzeigenmarkt.“

Binnen sechs Jahren haben sich also die Werbeerlöse für Printprodukte halbiert.

Und Amazon ist ja nur einer der großen Player aus den USA, welche die digitalen Werbeerlöse für sich verbuchen. Die Werbeumsätze des Facebook-Konzerns Meta haben sich von 27 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf 114 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 gesteigert.

Google (alphabet) kam 2019 auf 45 Milliarden US-Dollar.

Jeder einzelne dieser Riesenkonzerne, die ihre Webauftritte für den Verkauf von Werbung optimiert haben, verdient also im Jahr mehr durch Werbung als alle Printunternehmen zusammen. Das ist nicht nur ein problematisches Ungleichgewicht, das diesen Konzernen unheimliche Macht gibt, auch in die politische Meinungsbildung einzugreifen, ohne für ihre Informationsverbreitung presserechtlich in Anspruch genommen zu werden.

So entstehen „News Deserts“

Es bedeutet eben auch, dass gleichzeitig klassische Zeitungen und Magazine reihenweise in die Unrentabilität abrutschen. Das große Streichkonzert bei Gruner + Jahr hat ja wenig mit fehlender unternehmerischer Verantwortung zu tun. Aber viel damit, dass auch gestandene Magazintitel durch fehlende Werbeeinnahmen und schwindende Käuferzahlen ins Minus rutschen. Das hat mit Qualität und Inhalten wenig zu tun.

Aber eben viel damit, dass immer mehr Menschen ihre Nachrichten nur noch digital – zumeist auf ihrem Smartphone – wahrnehmen. Und dort auch die immer mehr personalisierte Werbung ausgespielt bekommen.
Was das mit dem Zeitungsmarkt anrichtet, darüber berichtete z.B. am 6. Juli 2022 die „Süddeutsche“: „Seit 2005 wurden in den USA etwa 2.500 Lokalzeitungen eingestellt, in den kommenden drei Jahren sollen noch einmal 500 wegfallen.“

Was so einiges erklärt, was da in der amerikanischen Politik zunehmend eskaliert. Denn die Folge ist, so die „Süddeutsche“: „So entstehen ‚News Deserts‘, also Nachrichten-Wüsten. 70 Millionen Amerikaner leben laut Studie also in so einer Wüste. In zwei Dritteln der 3.143 Bezirke in den USA gibt es gar keine oder nur eine Tageszeitung.“

Und das hat auch wieder direkte Folgen für die lokale Politik, wie Jürgen Schmieder in dem Artikel feststellt: „Und es gibt in journalistisch isolierten Gegenden mehr Korruption, sowohl bei Firmen als auch in Behörden. Die Studie prognostiziert, dass sich die Lage noch verschlimmern wird, bis 2025 dürften noch einmal mehr als 500 Zeitungen eingestellt werden. Die, die überleben, werden wohl Personal abbauen müssen, was die journalistische Qualität gefährdet. Eine Lösungsidee liefert die Studie nicht.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Darf man den Artikel als Aufruf verstehen den Ad-Blocker auf Ihrer Website wieder zu aktivieren? Hatte ich eigentlich Ihnen zu liebe ausgeschaltet, aber wenn Sie selbst gegen Google Ads sind, gut, ich auch.
Von G+J erwarte ich noch immer vergeblich die Herausgabe der echten Hitler-Tagebücher.

Schreiben Sie einen Kommentar