Man sollte seine Medien nicht so einseitig konsumieren, wie das der Leipziger Landtagsabgeordnete der CDU Andreas Nowak tut. „Wie jetzt bekannt wurde, will die ARD künftig keine Winnetou-Filme mehr senden“, ließ er am Freitag, 26. August, vermelden. „Laut Medienberichten habe der öffentlich-rechtliche Senderverbund die Lizenzen für die Karl-May-Verfilmungen mit Pierre Brice in der Rolle des Apachen-Häuptlings auslaufen lassen.“ Jetzt will er das im MDR-Rundfunkrat thematisieren.

„Nach der unmöglichen Entscheidung des Ravensburger Verlages, die Karl-May-Bücher aus dem Programm zu nehmen, ist das ein weiterer Schritt der Cancel Culture“, lässt sich der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages zitieren. „Dass das von einem öffentlich-rechtlichen Sender vorangetrieben wird, ist inakzeptabel. Der MDR ist Mitglied der ARD. Ich werde das Thema deshalb im MDR-Rundfunkrat ansprechen!“

Ärger an der falschen Stelle

Dass die ARD hier gar nichts vorantreibt, sondern nur schlicht seit 2020 keine Lizenzen mehr für die alten Karl-May-Filme besitzt, war dann eben mal nicht in der „Bild“ zu lesen, sondern in anderen Medien. Beim „Spiegel“ zum Beispiel: „Die ‚Bild‘-Zeitung hatte in einer seltsamen Volte berichtet, dass die ARD keine Winnetou-Filme mehr zeigt. Von der ARD-Programmdirektion hieß es am Freitag, die ARD könne derzeit keine Winnetou-Filme ausstrahlen, denn die Lizenzrechte seien schon 2020 ausgelaufen.“

Das wäre vielleicht ja wirklich ein Thema für den Rundfunkrat. Denn Lizenzen kosten Geld. Und gerade hier zeigt sich die ARD mal sparsam, wie der „Spiegel“ berichtete: „Für Lizenzkäufe in der ARD zentral zuständig ist die Tochterfirma Degeto. Eine Sprecherin der Degeto bestätigte auf SPIEGEL-Anfrage, dass die Lizenzen ausgelaufen und nach aktuellem Stand auch nicht frei verfügbar seien.“

Das ZDF besitzt noch Lizenzen und will die Karl-May-Filme in den nächsten Jahren auch ausstrahlen.

Hier ärgert sich Nowak als an der falschen Stelle.

Geht es tatsächlich um Winnetou?

Aber wie ist es mit dem Ursprung dieser neuen Debatte, der Ankündigung von Ravensburger, die gerade frisch produzierten Bücher zu „Der junge Häuptling Winnetou“ gleich wieder aus dem Programm zu nehmen? Es sind Begleitbücher zum Film „Der junge Winnetou“, der am 11. August in die Kinos kam. Doch kritisiert wurden an ihnen „verharmlosende Klischees“ über die Einwohner Nordamerikas und die Behandlung der indigenen Bevölkerung. Postwendenden Widerspruch gab es auch.

„Wie bei vielen anderen Kunstwerken auch müssen die Bücher und Filme über den Indianerhäuptling Winnetou im zeitlichen Kontext gesehen werden“, formuliert Andreas Nowak sein Unbehagen.

„Ähnliche Versuche, gegen Kunstwerke vorzugehen, gibt es ja auch in manchen Museen. Dass man jetzt auf die Bücher eines Autodidakten losgeht, der die Minderheit der amerikanischen Ureinwohner stets als ‚Die Guten‘ und die ‚weißen Zuzügler‘ kritisch beschreibt, ist mehr als absurd. Das gilt in besonderem Maße auch auf die auf den Büchern aufbauenden Filme.“

Naja, Karl May als einen Autodidakten zu bezeichnen, ist zumindest mutig. Denn die Wahrheit über Schriftsteller – auch über Abenteuerschriftsteller – ist: Sie sind allesamt Autodidakten. Und ihre Geschichten sind in der Regel allesamt erfunden. Ob sie die Realität tatsächlich abbilden, ist dann meist eine andere Frage.

Die sich auch bei namhaften Kollegen von Karl May nicht immer eindeutig beantworten lässt – man denke nur an James Fenimore Cooper oder Friedrich Gerstäcker. Gerade heldenhafte Abenteuergeschichten leben von der Idealisierung. May war nicht der einzige, der den „edlen Wilden“ idealisierte, auch wenn Winnetou diese romantische Idealisierung geradezu auf die Spitze treibt.

Das Klischee vom „edlen Wilden“

„Karl-May-Bücher und Filme sind Teil der europäischen Kulturgeschichte. Die Karl-May-Gesellschaft e.V. und die Karl-May-Stiftung haben zu Recht eine Petition gestartet. Darin heißt es: ‚Gerade weil in seinen (Mays) Texten Vorurteile vorausgesetzt, verbalisiert, bekämpft und überwunden werden, ist er keineswegs überholt, sondern auch für das 21. Jahrhundert eine lohnende Lektüre‘. Dem ist nichts hinzuzufügen und das gilt auch für die Filme. Wir werden die Petition daher unterstützen“, sagt Nowak.

Was er noch ausblendet, ist natürlich die Rolle, die dieses Bild vom „Edlen Wilden“ in der deutschen Jugendkultur bewirkt hat. Die wieder die Karl-May-Gesellschaft in ihrer Petition sehr deutlich benennt: „Als deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts ist Karl May unvermeidlich vom Habitus eines kolonialen Zeitalters geprägt.

Beim Verfassen seiner Reiseerzählungen kreierte er aus den Wissensbeständen der zeitgenössischen Ethnografie exotische Fluchtwelten für seine bürgerliche Leserschaft, die gleichzeitig als fantastische Bewährungsräume für ein literarisch überhöhtes Ich fungieren. Insbesondere seinen frühen Texten sind daher damals gängige ethnische Stereotypen und eine eurozentrische Perspektive eingeschrieben. Diese kritisch herauszuarbeiten und auf ihre Quellen zurückzuführen, ist Aufgabe der Literatur- und Kulturwissenschaft.“

Damit muss man sich beschäftigen – und das tun auch viele Forscher. Denn es macht deutlich, warum Mays Bücher zu seiner Zeit so erfolgreich waren und diese Generationen von jungen Lesern begeistert haben. Und warum er selbst die kolonialen Stereotype seiner Zeit nicht überwunden hat. Denn dafür brauchte es erst die intensive Beschäftigung mit diesen Stereotypen. Die ja in Deutschland bekanntlich sehr, sehr spät begann.

„Der Ravensburger Verlag begründet seine Entscheidung mit der Beobachtung, dass eine auf Karl May basierende Darstellung des Apachenhäuptlings Winnetou die Gefühle anderer Menschen verletzt habe“, heißt es weiter in der Petition. „Wenn dies der Fall ist, so werden Wunden nicht dadurch geheilt, dass man den Verursacher – oder stellvertretend für ihn eine historische Künstlerpersönlichkeit – kurzerhand ausradiert. Im Gegenteil bedarf eine wirksame und nachhaltige Therapie der expliziten Auseinandersetzung mit den Ursachen.“

Wie sehen heute die Fluchtwelten der Leser aus?

Eigentlich ist es auch gar keine Petition, die Karl-May-Gesellschaft und Karl-May-Stiftung geschrieben haben, sondern ein Offener Brief, den man unterschreiben kann. Es steht auch keine konkrete Forderung dahinter, außer der Wunsch, sich mit Karl May, seinen Büchern und seiner Darstellung der Welt der indigenen Bevölkerung Nordamerikas auseinander zu setzen.

Im Brief fällt das wichtige Wort von den „exotischen Fluchtwelten“, das man nicht überlesen darf. So funktionierten auch die Karl-May-Verfilmungen der späteren Zeit. Es sind Idealwelten mit Idealhelden, die von Anfang an nicht zuletzt Gegenentwürfe waren zu einer ganz konkreten deutschen Wirklichkeit, in der auch Karl May seine bitteren Erfahrungen gemacht hat. „Fluchtwelten“ eben, die das Ideal des gerechten Helden erstaunlicherweise nicht im wilhelminischen Kaiserreich suchten, sondern in exotischen Fernen.

Mit Karl May sind Generationen von jungen Lesern aus einer zutiefst kolonialen und rassistischen Gesellschaft in eine Welt geflohen, die mit der damaligen amerikanischen Wirklichkeit genauso wenig zu tun hatte wie mit der deutschen. Nur geht es derzeit ja nicht um das Verbot Karl Mays, auch nicht im deutschen Fernsehen.

Da kann Andreas Nowak im MDR-Rundfunkrat noch so laut auf den Tisch pochen. Die Lizenzen hat das ZDF. Eigentlich reicht wirklich eine deutsche Medienanstalt, die Karl-May-Filme ausstrahlen kann. Ein guter Stoff, sich als Medienpolitiker zu profilieren, ist es nicht wirklich.

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