Es ist nicht nur ein Problem der Linken, auch wenn die bei der Debatte um sexuelle Übergriffe in mehreren Beiträgen in der aktuellen „Leipziger Zeitung“ im Mittelpunkt steht. Seit Monaten kommt die Partei aus der LinkeMeToo-Debatte nicht heraus. Aber möglicherweise ist es auch so, dass die Linke gerade besonders heftig das Ende alter Männlichkeitsvorstellungen erlebt. Vorstellungen, die zunehmend dem Bild vom „gekränkten Mann“ weichen.
Darauf geht – natürlich ist das kein Zufall – auf Seite 15 Jens-Uwe Jopp ein, indem er Tobias Haberls Buch „Der gekränkte Mann“ sehr wohlwollend liest, immerhin eine „Verteidigung eines Auslaufmodells“.
„In ihrer Orientierungslosigkeit klammern sie sich an Statussymbole, die keine mehr sind, und Wahrheiten, von denen sie spüren, dass sie bedrohlich ins Rutschen gekommen sind“, zitiert er Haberl. Und lässt gleich noch ein herrliches Bild folgen, das ihm mal ein Impro-Theaterregisseur geschenkt hat: „Männer schleifen gern ein totes Mammut durch den Wald, Frauen knuddeln indessen kleine, pelzige Tiere.“
Am Ende möchte er das Buch gar Mario schenken, einem recht großkalibrigen Mann mit sehr kurzen Haaren, den er in der Kneipe getroffen hat, am Ende aber nicht wirklich ein Gespräch auf Augenhöhe hinbekommen hat, denn Mario hat seine Vorurteile, frisch aus den „social media“. Unerschütterlich.
Und auch David Gray (Seite 16) wundert sich, warum die Linke sich derart auf offener Bühne lieber selbst zerlegt. „Dabei ist aktuell kaum etwas nötiger als eine Umverteilungsdebatte mit Augenmaß, bei der endlich auch einmal diejenigen berücksichtigt werden, die schon lange nicht mehr wählen gehen, weil ewig schon keine Partei mehr die Bedürfnisse der ganz unteren Einkommen vertritt.“
Jener Erwerbstätigen nämlich, die unter der Energiepreisexplosion (Seite 8) und der angekündigten Gasumlage tatsächlich leiden. Und zwar jetzt schon. Denn die gestiegenen Energiepreise stecken ja in sämtlichen Produkten des täglichen Bedarfs. Und die sind schon lange kräftig angezogen.
So sehr, dass selbst Menschen, die bis jetzt umweltbewusst im kleine Bioladen an der Ecke eingekauft haben, lieber „Bio“ im nächsten Discounter einkaufen. Was dann den ersten Bio-Läden in Leipzig die Existenzgrundlage entzieht (Seite 9).
Und dabei vergisst man ziemlich schnell, dass die Energiepreise auch schon vor Putins Krieg gegen die Ukraine angezogen sind. Die Nahrungsmittelpreise werden folgen, denn längst schlägt die Klimakrise weltweit zu und sorgt für Ernteausfälle in großen Dimensionen.
Das thematisiert u. a. Schwarwel in seinen Karikaturen, die man gar nicht weiter kommentieren muss. Auch nicht die auf Seite 1. Viele von uns machen eben doch lieber weiter wie bisher, nicht nur „gekränkte Männer“, die aus „Trotztrotz“ doch wieder einen SUV kaufen und versuchen, in alten Männlichkeitsvorstellungen so etwas wie eine Selbstbestätigung zu finden.
Denn das tippt ja Jopp so schön an: Nicht nur unsere Arbeitswelt hat sich verändert, auch unser Alltag und die Rolle des Mannes in der Familie und der Gesellschaft. Und alte Felder, auf denen einst geballte Männlichkeit zelebriert (und inszeniert) wurde, gehen vor unseren Augen verloren – sei es der Arbeitsplatz, der der Computerisierung zum Opfer gefallen ist, sei es das Bild vom heldischen Krieger (was ja die ganze Verunsicherung in Bezug auf den Ukraine-Krieg mit sich bringt), als auch der Mammutjäger, der auszieht, seine Familie mit Fleisch zu versorgen.
Nur so für alle eifrigen Kämpfer/-innen: Auch die zunehmende Gleichberechtigung von Frauen im Berufsleben kostet einstige männliche Prestige-Posten. Während Medien und insbesondere Filme aller Art nach wie vor das Bild des kraftvollen und einsamen Kämpfers bedienen und damit ein Männlichkeitsideal schaffen, das schon lange nicht mehr zur Wirklichkeit passt.
Das war jetzt ein kleiner Ausflug, weit über die kleine Sexismus-Debatte hinaus, die vornehmlich auf den Seiten 1, 4 und 5 geführt wird. Und natürlich führen andere Parteien diese Debatte auch – nur oft mit völlig anderen Mitteln. Man denke nur an die rigorose Abschiebepraxis in Sachsen, mit der konservative Innenminister ihre Art Männlichkeit beweisen.
An Menschen, die sich nicht wehren können. Das wird neben Dutzenden anderen Themen aus der Gegenwart auch in dieser Zeitung diskutiert. Nebst einem Blick in eine Welt, in der ein Mann in verantwortlicher Position zeigt, dass es auch andere Rollenbeschreibungen geben kann, in denen Mann sich beweisen kann – wir haben den Delitzscher Bürgermeister Dr. Manfred Wilde (Seite 3) besucht, der im Gespräch erläutert, was ihn an seiner Stadt fasziniert, was noch fehlt und wie man sich das Vertrauen der Wähler/-innen erobert, indem man sich einfach kümmert um dieses Kleinod im Norden von Leipzig.
Es ist ja nicht so, dass es für Männer in einer sich verändernden Welt keine erfüllenden Rollen mehr gibt. Aber es sind andere, als sie Film, Funk und Spielzeugindustrie den Kindern immerfort beibringen. Übrigens nicht nur den Jungen. Die Mädchen bekommen mit diesen Widersprüchen genauso Probleme. Hinter MeToo steckt viel mehr, als die reine Fixierung auf Sexismus auch nur ahnen lässt. Und das Festhalten an veralteten Rollenmustern gehört zwingend dazu.
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