„Auf große Lustbarkeit folgt Kummer, und gutes Wetter hält nie ewig an“, heißt es regelrecht tröstlich in Flann O’Briens Roman „Das Barmen“. Tröstlich, weil wir jetzt alle langsam lernen, uns vor „schönem Wetter“ zu fürchten. Denn es wird heiß. Und selbst wenn man es nicht plant, wird es zum Thema in der „Leipziger Zeitung“. Nicht nur mit dem Burschen, der sich in Schwarwels Titelkarikatur für den Klimaschutz auf die Fahrbahn geklebt hat.
Natürlich kann man jetzt anfangen darüber zu diskutieren, ob sich die Klimaschutzbewegung radikalisiert, ob sie sich radikalisieren sollte oder gar drastische Bilder gebraucht werden, damit die Nutznießer einer klimazerstörenden Wohlstandsgesellschaft endlich begreifen, worum es geht.
Allein in der Juni-Ratsversammlung, aus der wir punktuell auf einer Doppelseite berichten, ging es mehrfach um Themen des Klimaschutzes und der Anpassung der Stadt an die längst angebrochenen Hitze- und Dürrezeiten – unter anderem mit einem nun vom Stadtrat beauftragen Hitzeaktionsplan.
Außer Rand und Band
Was Lucas Böhme, der sich diesmal am Editorial ausprobierte, zu allerlei Sprachspielen mit dem Wort Hitze animierte. Da geht es um einen mutmaßlichen Brandstifter (Seite 11), der jetzt vor Gericht steht, um erhitzte politische Diskussionen, die in einem großen Interview mit Martin Sonneborn (Die PARTEI) auf den Seiten 4 und 5 thematisiert werden (herrlich hintersinnig, so, wie Politik eben selten ist) und die Hitzköpfe einer Security, die im „Spizz“ so rabiat zugriffen, dass ihr Opfer ins Krankenhaus musste.
Hat die Hitze also schon die Köpfe erreicht?
Wohl eher nicht.
Eher erzählt das von einer Gesellschaft, die völlig außer Rand und Band zu geraten droht, weil Eskalation auch für einige politische Akteure das liebste Mittel der Wahl geworden ist. Weshalb die neue LZ eben auch vom Parteitag der AfD in Riesa berichtet, einer Partei, die sich vor aller Augen zusehends radikalisiert.
Und das – das muss man hier erwähnen – mit beifälligem Nicken ihrer Wähler, die eben leider auch auf Regierungsparteien und ihren ganz und gar nicht menschenfreundlichen Kurs verweisen können. Worauf Maren Wilczek in ihrer Kolumne „Die Grenzen des Wohlbefindens“ eingeht. Denn die Kehrseite unserer gern als abgeschottet gedachten Wohlstandsgesellschaft ist eine gefühls- und gnadenlose Abschiebepolitik – und zwar nicht nur in Großbritannien. Auch in Sachsen.
Menschlichkeit also nur für bestimmte Menschen? Ist das alte Denken des Prof. Kant in unterschiedlichen Werte-Kategorien für Menschen also ungebrochen?
Wo beginnt Menschlichkeit?
Dabei weiß es doch jeder, wenn er auch nur ein bisschen über sich, seine Ticks und Unangepasstheiten nachdenkt, dass diese hornalten Kategorien dumm, ignorant und schäbig sind. Jeder ist ein anderer. Übrigens wieder Thema in einem der Interviews, die Konstanze Caysa geführt hat – diesmal mit Léon P. (Seite 10).
Was einem noch ein bisschen klarer macht, dass Menschlichkeit genau da beginnt, wo wir beginnen, uns umeinander zu kümmern und zu sorgen. Im Großen und im Kleinen. Jeder da, wo er kann und wo einem schon Herz und Gewissen sagen, dass man einfach mithelfen muss. Und das heißt eben auch: die Lebensgrundlagen für all unsere Kinder und Enkel zu bewahren.
Denn was wir heute mit Preissteigerungen allerenden erleben, ist nur ein Vorbote der kommenden Knappheiten. Genau 50 Jahre nach Veröffentlichung von „Die Grenzen des Wachstums“ erweisen sich die Prognosen als richtig, auch wenn sich die Knappheiten der Ressourcen an unterschiedlichen Stellen zeigen.
Lucas Böhme stellt sich und den Lesern auf Seite 13 die berechtigte Frage: „Knappheit – der neue Supertrend der Zukunft?“
Wobei man von Supertrend nicht reden kann. Hier trendet nichts. Hier schauen die besoffenen Genießer eines auf Raubbau basierenden Wohlstands in die Abgründe, die sie mit 50 Jahre langer Ignoranz aufgerissen haben. Ist doch genug da von allem!? Nein, ist es nicht. Jedenfalls so nicht, wie ein völlig entfesselter Weltmarkt mit den Ressourcen dieses einzigartigen Planeten umgeht.
Wenn Provokation schon die „Gesprächsbasis“ ist
„Die Leute sind durch die sozialen Netzwerke vermutlich alle abgestumpft“, sagt OXON im Interview von Sabine Eicker mit der Band „SOKO LiNX“, die eigentlich auch mit ihrer Namenswahl richtig provozieren wollte. Aber wo die Provokation längst zum wichtigsten „Gesprächs“-Merkmal geworden ist, läuft auch musikalische Provokation zunehmend ins Leere.
Das Interview findet man auf Seite 14, bevor Jens-Uwe Jopp auf den Seiten 16 und 17 auf seine Weise auf den Hochmut unserer Zeit eingeht – einmal mit der Besprechung von Katja Diehls Buch „Autokorrektur“ und zum anderen mit seinem geübten Griff zu Schiller, dessen Drama „Maria Stuart“ er diesmal würdigt – auch indem er den so treffenden Satz zitiert: „Denkt an den Wechsel alles Menschlichen. Es leben Götter, die den Hochmut rächen.“
Wer liest noch Schiller? Und wer versteht noch, was in solchen Sätzen steckt?
Und natürlich ist diese LZ auch deshalb etwas Besonderes, weil sie wieder auf vier Seiten einlädt zum Fußballbegegnungsfest „Max & Leo Bartfeld-Pokal“ vom 8. bis 10. Juli, dem wohl schönsten Fußballfest, das Leipzig zu bieten hat.
Eines, bei dem sich die Gemüter einmal nicht erhitzen, wie das sonst für gewöhnlich bei der Fußballerei so ist und in den dann folgenden „Spielberichten“, die oft eher Schlachtberichten ähneln. Beim Bartfeld-Pokal geht es tatsächlich um Begegnung und Freude am Spiel. So wie Fußball ursprünglich einmal gedacht war. Und wie man das Leben und die Welt für gewöhnlich nehmen sollte: mit Spielfreude und Leidenschaft.
Es könnte ganz leicht sein – ohne die Hitzköpfe, die sich so gern für etwas Besseres halten und sich auch so benehmen.
Die Wahrheit ist: Wir werden alle kein gutes Bild abgeben, wenn wir unseren Kindern und Enkeln einen geplünderten Planeten hinterlassen, auf dem die Wälder verbrennen und die Böden verdorren und die Angst vor „vielen schönen Tagen“ (Goethe) den Alltag der Menschen bestimmt.
Keine Kommentare bisher