Wer jetzt, so knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl, immer noch nicht weiß, was er denn nun wählen könnte, sollte, dürfte, dem gibt auch die jetzt erschienene neue Druckausgabe der „Leipziger Zeitung“ ein paar Tipps. Insbesondere, was die Leipziger Direktkandidat/-innen im Süden betrifft (die im Norden wurden in der Ausgabe Nr. 93 vorgestellt), und was denn nun die Parteiprogramme eigentlich – aus kommunaler Perspektive – unterscheidet.
Denn die unterscheiden sich. Gerade was den Umgang mit unserer Umwelt, dem Klima und den sozialen Problemen betrifft. Es ist ja nicht nur Deutschland, das am Scheideweg steht. Und das jetzt endlich die Kurve kriegen muss, hin zu einem zukunftsfähigen Land. Das hat sogar die CDU gemerkt, die auf einmal ihre alten roten Socken wieder rausholt und den Wähler/-innen Angst zu machen versucht mit einer „Linksrutsch verhindern“-Kampagne.Geht’s noch?
Nach 16 Jahren in der Regierung ist die Partei mit dem geliehenen C regelrecht ausgebrannt, steht da mit leeren Händen und mit alten Rezepten, die einfach keinen Sinn mehr ergeben. Nackt heißt eben auch: Thema verfehlt. Auch wenn man jetzt wieder Wahlplakate klebt, die auch die SED zum 55. Parteitag hätte kleben können mit optimistisch in die Zukunft schauenden Bauarbeitern und so.
Nein: Es ist nicht die Wirtschaft, die die Weichen stellt, auch wenn sich das alle überbezahlten Big Bosse einbilden. Wirtschaft nutzt nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Wenn die zum Klimakillen und Steuerhinterziehen einladen, wird das Klima gekillt und die Steuer minimiert.
Nicht nur Sachsens CDU hat Jahrzehntelang allein auf fossile Technologien gesetzt: Kohle, Öl, Auto. Flughafen nicht vergessen. Aber spätestens die katastrophale Flut im Ahrtal hat vielen Wähler/-innen die Augen geöffnet dafür, dass dieser Weg der falsche ist. Dass Deutschland – so simpel das klingt – endlich eine Kimaregierung braucht. Und da kommt – man lese deren Programm – tatsächlich eher die Linkspartei infrage als die CDU.
Das war jetzt etwas ausführlicher. Auch wenn Tom Rodig sich im Blatt eher die scheinbare Langweile dieses Wahlkampfs vorknöpft. Was so nicht ganz stimmt. Das ist auch wieder ein Topos aus dem großen deutschen Feuilleton, das den Wahlkampf meist nur aus der elitären Königsperspektive betrachtet, aber selten bis nie unten an der Basis ist, wo die Kandidierenden tatsächlich mehr erleben, als in jede Zeitung hineinpasst.
Aber einen schönen Spaß hat er sich erlaubt mit dem Wahlplakat des FDP-Spitzenkandidaten, der nun auf einmal nach vier Jahren Nicht-Regieren feststellt, dass es so viel zu tun gibt wie noch nie. Da hat er sich mit Federhalter abbilden lassen, wie er gerade einen Haufen Papiere unterzeichnet. Seltsam: Aber so hat sich auch Josef Stalin ablichten lassen. Von Walter Ulbricht und anderen fleißigen Männern gibt es genauso eindrucksvolle Ich-kann-Schreiben-Bilder. Von Donald Trump sogar noch mehr.
Unser kleiner Donald L. …
Was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass unsere Autor/-innen sich diesmal eine Menge ernster Themen vorgenommen haben. Sehr ernsten.
So wie Maren Wilczek und René Loch, die darüber berichten, dass sich mittlerweile auch in Leipzig ein sogenannter „Pick-Up-Artist“ herumtreibt und auf der Straße die Frauen anmacht.
Oder Birthe Kleemann, Lucas Böhme und Michael Freitag, die den Leipziger Polizeipräsidenten René Demmler zum Interview gebeten haben und ihn auch über ein heißes Eisen wie die Waffenverbotszone Eisenbahnstraße befragt haben.
Oder wie Antonia Weber, die berichtet, wie Nazis in Taucha dafür gesorgt haben, dass eine Kundgebung zum Christopher Street Day aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden musste.
Antonia Weber hat auch mal den Tauchaer Bürgermeister Tobias Meier interviewt, der durchaus weiß, wie viel Ärger ihm die zugegezogenen Rechtsradikalen in der Stadt bereiten.
Frank Willberg hat Biodiversitätsforscher Christian Wirth befragt, wie es nun mit der Rettung des Auwaldes weitergeht und wo man eigentlich inzwischen steht bei der Frage, wie wieder Wasser in die Aue kommt.
Neue Lebenszeichen gibt es auch endlich wieder aus der Kultur und dem Sport, wo Jan Kaefer mit dem Ex-FFV-Trainer Hendrik Rudolph gesprochen hat, der nach sieben Jahren Pause noch mal im Frauenfußball angreifen will. Und während sich Maren Wilczek Gedanken darüber macht, wie Leipzig die Klimakrise vielleicht bewältigen kann, greift Birthe Kleemann ein Thema auf, das auch etlichen Leipzigern wirklich zu schaffen macht: das chronische Erschöpfungssyndrom.
Das ist zwar eine Krankheit. Aber Krankheiten erinnern uns immer daran, dass wir uns im Leben zu viel zugemutet haben. In unserer überdrehten Gesellschaft sowieso. Immer mehr Menschen verlernen, ihre eigenen Grenzen zu verstehen und zu akzeptieren.
Da ähneln sich dann viele der psychischen Erkrankungen. Und sie spiegeln das entgrenzte Denken einer wie irre aufs Wachstum fixierten Gesellschaft, die die Nacht zum Tag macht, die Arbeitszeiten zerfließen lässt, die Arbeitenden in permanente Flexibiltät und Mobilität versetzt und auf die Grenzen der Natur und unseres Klimas sowieso keine Rücksicht nimmt.
Wenn wir Menschen aber nicht verflixt schnell lernen, all diese lebensnotwendigen Grenzen zu akzeptieren, wird es unsere Spezies einfach herunterpusten von diesem Planeten. Die seelischen Erkrankungen zeigen nur, dass wir mit unseren Körpern und Seelen genauso enthemmt umgehen wie mit unserer Umwelt.
So gesehen ist auch die neue LZ (wieder mit einem pointierten Kalender zu den wichtigsten Ereignissen des vergangenen Monats) ein Stück Besinnung für alle, die noch bewusst mit sich, ihrer Seele und ihrer Zeit umgehen. Die sich das Stündchen sowieso freigehalten haben am Wochenende, wo sie sich mit LZ und einer Tasse Kaffee in die Sonne setzen und sich anregen lassen von Geschichten, die anderswo sowieso nicht stehen.
Die neue „Leipziger Zeitung (LZ)“ haben unsere Abonnenten natürlich im Briefkasten. Für alle anderen liegt die neue LZ (VÖ 03.08.2021) an allen bekannten Verkaufsstellen aus.
Sonderhinweis: Die neue LZ gibt es an diesem Wochenende auf der Leipziger Ökofete am 5. September 2021 unter dem Motto „Zahl so viel Du willst“ von 11 bis 18 Uhr zu erwerben (oder mitzunehmen). Wir freuen uns auf die Besucherinnen der Ökofete, an unserem Stand und die Gespräche mit uns.
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