Vom 14. bis 18. Oktober findet die Frankfurter Buchmesse als Spezial-Edition statt. Corona zwingt auch hier zu deutlichen Verรคnderungen gegenรผber dem Langgewohnten und Beliebten. Aber das Buch hat augenscheinlich noch immer seinen Platz in den Herzen der Deutschen bewahrt, auch wenn es den Bรผchermachern seit Jahren immer schwerer gemacht wurde. Davon erzรคhlt auch die neueste Statistik des Bรถrsenvereins in Mitteldeutschland.
Im mitteldeutschen Bรถrsenverein sind die Verleger und Buchhรคndler aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thรผringen versammelt. Einen richtigen Groรverlag, wie es sie in Mรผnchen, Berlin oder Hamburg gibt, sucht man hier vergebens. Die Szenerie wird von einigen wenigen mittelgroรen Verlagen und vielen kleinen dominiert. Aber was heiรt hier dominiert? Sie dominieren nichts, sondern sind meist froh, wenn sie in ihrer Nische erfolgreich sind oder den regionalen Markt erreichen und in den hiesigen Buchhรคndlern gute Partner finden.
Manche arbeiten sogar fast ehrenamtlich, einfach um des guten Buchs willens. Denn schon lange ist es nicht mehr so, dass gute Autoren einfach bei groรen Verlagen anklopfen kรถnnen und als Stars herausgebracht werden. Viele starten in kleineren Verlagen und kรถnnen dort oft auch auf jede Menge Engagement hoffen, mit dem gute Titel und Autor/-innen promotet werden.
Wie dรผnn freilich bei manchen dieser ambitionierten Kleinverlage bislang immer die Kapitaldecke war, zeigte die Auswirkung eines Gerichtsurteils zur VG Wort vor zwei Jahren, als das Gericht die Vergรผtungen der VG Wort komplett den Autor/-innen zusprach.
Zuvor hatten auch die Verlage einen Teil dieser Vergรผtungen bekommen, denn in der Regel gehen sie selbst in Vorleistung, wenn sie Bรผcher auf den Markt bringen โ auch Redigieren und Lektorieren kosten in der Regel Zeit und Geld. Und manche hatten die frรผhen Warnungen der VG Wort auch nicht ernst genommen, dass man die ausgereichten Gelder in den Jahren vor dem endgรผltigen Gerichtsentscheid lieber nicht ausgeben, sondern zurรผcklegen sollte.
Als dann das Urteil kam, erwischte es auch viele Verlage in Mitteldeutschland auf dem falschen Fuร. Das macht die Statistik zu den mitteldeutschen Verlagen sichtbar: In den entscheidenden Jahren 2017 und 2018 meldeten fast 70 Verlage ein Ende ihrer Tรคtigkeit. Allein in Sachsen waren es 63, nachdem die Zahl der Verlage in den Vorjahren immerfort gewachsen war.
Natรผrlich war das Gerichtsurteil zu den Vergรผtungen der VG Wort nicht der einzige Grund fรผr die Geschรคftsaufgabe. Denn andere Statistiken zeigen nun einmal auch, dass auch andere Entwicklungen die Arbeit der Verleger/-innen erschwert haben. Was dann nicht immer zur Aufgabe des Verlages fรผhrt, aber zur deutlichen Drosselung der Buchproduktion. Das ist schon seit 2012 zu beobachten. Vorher strebte die deutsche Jahresproduktion an Titeln immer weiter der 100.000er-Marke zu und nicht nur Rezensenten fragten sich: Wer liest denn das alles รผberhaupt noch?
Zwar schrumpften oft die Auflagenhรถhen, Angebote wie Print on demand ermรถglichten sogar die Herstellung von kleinen und kleinsten Auflagen. Aber auch solche Bรผcher mรผssen vermarktet werden und irgendwo die Aufmerksamkeit potenzieller Leser/-innen wecken.
Wobei viele Verlage auch erst lernen mussten, dass ihnen die Internet-Verkaufsgiganten dabei nicht die Bohne helfen. Denn die sind nicht unter der Prรคmisse geschaffen worden, (neue) Bรผcher mรถglichst leicht auffindbar fรผr alle Leser/-innen sichtbar zu machen, sondern um der Rendite willen. Es geht eigentlich nur noch um hohe Verkaufsmargen und Masse.
Was lรคngst dazu gefรผhrt hat, dass viele kleine Verlage auf diesen Weg des Vertriebs verzichten und lieber รผber die eigene Homepage verkaufen.
Was dann zum Beispiel zum Ergebnis hat, dass die Verlage รผber ihren eigenen Shop heute 21 Prozent der deutschen Buchumsรคtze abwickeln, auch wenn der bekannte Internet-Riese seinen Anteil immer weiter ausbaut und 20 Prozent erreicht hat im letzten Jahr.
Unseren Leser/-innen empfehlen wir schon aus rein รถkologischen Grรผnden, ihre Bรผcher lieber in der nรคchstgelegenen Lieblingsbuchhandlung zu kaufen. Und mit 46 Prozent decken die Buchhandlungen noch immer das wichtige Marktsegment ab.
Aber zurรผck zur Titelzahl. Die Tabelle zeigt recht eindeutig, wie die Titelzahl ab 2014 unter die 90.000er-Marke rutschte, ab 2018 dann auch unter die 80.000er-Marke. Und die Jahre 2016/2017 zeigen auch hier einen starken Rรผckgang, der darauf hindeutet, dass viele Verlage ihre Titelproduktion oft auch schon vorsorglich zurรผckgefahren haben, lieber Rรผcklagen bildeten und vor allem vermieden, die VG-Wort-รberweisungen in neuen Bรผchern zu binden.
Der Blick auf die Leipziger Zahlen zeigt dann recht deutlich, dass Leipzig sich zwar (nach Berlin, der mittlerweile unumstrittenen Nr. 1 in Deutschland) als zweitgrรถรter Verlagsstandort im Osten behauptet, das aber auf einem recht genรผgsamen Niveau mit einer relativ stabilen Titelproduktion um die 900, was immerhin fรผr einen beachtlichen 9. Rang unter den Verlagsstรคdten (nach Titelproduktion) in Deutschland reicht. Sie ist quasi unter den kleinen die grรถรte. Berlin โ zum Vergleich โ warf 2019 insgesamt 9.679 Novitรคten auf den Markt, Mรผnchen 7.555.
Aber die Deutschen lesen noch, stellt der Bรถrsenverein fรผr Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thรผringen mit einer spรผrbaren Erleichterung fest: โDer Fernseher baut seine Position als Freizeitbegleiter Nummer eins zwar weiter aus, gleichzeitig aber holt das Internet als Informations- und Unterhaltungsmedium rasant auf. Die Zahlen im Detail: 92,0 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ,mehrmals in der Wocheโ den Fernseher einschalten. Parallel dazu nutzen 70,4 Prozent der deutschen Verbraucher/-innen mehrmals wรถchentlich das Internet (2018: 58,0 Prozent). Auf Platz zwei bleibt jedoch weiterhin das nach wie vor sehr populรคre ,Radio hรถrenโ (74,4 Prozent ,mehrmals in der Wocheโ).
Dass die drei grรถรten Kanรคle weiterhin zulegen konnten, ist der Beleg dafรผr, dass das Medienverhalten eher vom ,Sowohl als auchโ als vom ,Entweder-oderโ geprรคgt wird. Trotzdem ist das Zeitbudget begrenzt und wird durch den Online-Boom zwangslรคufig neu verteilt. Das ,Bรผcher lesenโ ist in der Rangfolge auf einem guten zwรถlften Platz zu finden. 16,7 Prozent der deutschsprachigen Bevรถlkerung ab 14 Jahren gaben 2019 an, mehrmals wรถchentlich zum Buch zu greifen. Positiv zu erwรคhnen ist, dass sich trotz der Allgegenwรคrtigkeit von Smartphones und Internet 50 Prozent aller befragten Kinder fรผr das Lesen von Bรผchern interessieren. Die Dominanz des Smartphones รคndert damit kaum etwas am Stellenwert von Bรผchern fรผr Kinder.โ Dabei beruft sich der Bรถrsenverein auf die Markt-Media-Studie โbest for planningโ.
Und unter den Buchkรคufern gibt es dann die Intensivkรคufer, wie sie der Bรถrsenverein nennt, Menschen, die ohne regelmรครigen Bรผchernachschub also gar nicht leben wollen und kรถnnen: โ10 Prozent der Konsument/-innen haben zehn oder mehr Bรผcher mit nach Hause genommen, 4 Prozent shoppen mehr als 20 Bรผcher pro Jahr. 62 Prozent der Frauen legten 2019 mindestens ein Buch in den Einkaufskorb, sie sind nach wie vor die wichtigsten Kund/-innengruppe im Buchhandel. Die Bรผcherkรคufer unter den Mรคnnern kommen aktuell auf 47 Prozent.โ
Und das E-Buch, das in der Corona-Zeit schon als groรer Gewinner des Shutdowns gefeiert wurde, kam zumindest auch 2019 noch nicht รผber 5 Prozent Anteil an den Buchumsรคtzen hinaus. โAlles in allem hat die Branche auf dem Privatkundenmarkt im vergangenen Jahr 32,4 Millionen E-Books verkauft, im Jahr zuvor waren es 32,8 Millionen gewesen (minus 1,5 Prozent)โ, stellt der Bรถrsenverein fest.
Und man weiร dort auch, wer besonders hรคufig zum E-Book greift: โEs ist auch keineswegs die junge Generation der ,digital Nativesโ, die bevorzugt E-Books ersteht: An der Spitze liegt diesmal die Altersklasse 50 bis 59 mit einem Wert von 7,6 Prozent. Die 40-bis 49-Jรคhrigen, die das Feld im Vorjahr anfรผhrten, werden damit auf den zweiten Platz verwiesen.โ
Aber man ahnt schon, warum gerade die รlteren zum digitalen Buch greifen โ das Buchregal platzt nรคmlich schon aus allen Nรคhten. Da wird dann der Nachteil des E-Books (man kann es nicht in die Hand nehmen und drin herumblรคttern) zum Vorteil: Es nimmt keinen Platz weg. Genauso wenig wie zehn oder 100 davon. Nur der Preis zieht langsam an, wie der Bรถrsenverein feststellt: โDer bezahlte Preis pro E-Book ist erstmals seit 2010 gestiegen (plus 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Der hรถhere Durchschnittspreis sorgt dafรผr, dass der Umsatz trotz gesunkener Absatzzahlen leicht zulegen kann.โ
Warum verschwinden Kleinverlage eigentlich vom Markt? Ist die Digitalisierung dran schuld?
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