Die Frage steht. Sie steht auch für die Leipziger Medien, für das, was man so Regionalberichterstattung nennt. Eine Frage, die auch LVZ-Chefredakteur Jan Emendörfer aufgemacht hat, als er am 5. Dezember eigentlich recht flapsig auf die Proteste vieler Nutzer reagierte, die sich darüber ärgerten, dass die Berichterstattung der LVZ über den Fund einer Fliegerbombe im Leipziger Norden hinter der Bezahlschranke (der berühmten Paywall) stattfand.
Wobei das Wort schon immer unglücklich war. Es erzählt den Leuten, sie würden zum Bezahlen einer Ware gezwungen, die sie normalerweise kostenlos bekommen. Sozusagen als bürgerliches Anrecht.
Aber auch Emendörfer hat diese Denkweise bestärkt, als er flapsig schrieb: „Last but not least habe ich in Sachen Liveticker noch einen Vorschlag: Bei der nächsten großen Lage schwärmen Sie alle als Reporter aus und berichten bei Facebook, was Sache ist. So schaffen wir eine echte Win-win-Situation: Es entstehen für niemanden Kosten, weil Sie alle für den guten Zweck arbeiten. Der Content ist für alle User frei (keine Bezahlschranke!), weil ja zuvor gar keine Kosten angefallen sind. Wenn wir von fast 300 Reportern live mit Nachrichten versorgt werden, stellen wir nicht nur LVZ.de, sondern auch jedes andere Portal in den Schatten. Was meinen Sie?“
Es scheinen ein paar unsichtbare Gänsefüßchen dabei zu sein. Aber so ganz sicher bin ich mir nicht, ob er die tatsächlich mitgedacht hat.
Denn da fehlt eigentlich die ganz einfache Frage: „Haben Sie ein Abo?“
Denn dass die LVZ solche Berichterstattung hinter die „Bezahlschranke“ setzt, hat ja einen Grund: Sie kämpft ebenfalls um Abonnenten im Internet. Denn für die gedruckte Ausgabe schwinden die Käufer und Abonnenten. Immer mehr Menschen holen sich alle Informationen – auch die über ihre Stadt – aus dem Internet.
Oft suchen sie die wahllos zusammen, lassen sich von seltsamen Netzwerken wie Facebook, Twitter & Co. irgendwelche Nachrichten aufs Smartphone spielen, nutzen manchmal auch Google, um wenigstens eine Ahnung zu bekommen, welche Nachrichten aus ihrer Stadt wirklich relevant, wichtig und – nicht zu vergessen – richtig sind.
Wer macht die Arbeit?
Denn Emendörfer hat ja sogar den (mindestens) einen Mann/die eine Frau weggelassen, die auch noch nachts bei LVZ-Online am Rechner sitzen und alle verfügbaren und leidlich verlässlichen Informationen über einen Bombenfund zusammenstellen und prüfen.
Was für mich heißt: Ihm ist das gar nicht mehr bewusst, wie sehr Journalismus vor allem Prüfen bedeutet. Oder im „Spiegel“-Deutsch: Faktenchecking.
Haben Sie ein Abo?
Das fragen wir bei der Leipziger Internet Zeitung jetzt seit drei Jahren. Hoffend, es werde verstanden, warum wir da fragen. Und warum wir wissen, dass wir viele wirklich treue Abonnenten brauchen.
Ja: Sie lesen richtig. Wir brauchen Sie. Sie ganz persönlich.
Wir brauchen Sie
Wir würden auch gern auf das Wort Abonnement verzichten. Wir sind ja kein Gewandhaus und auch keine Oper, die jedes Jahr zwölf Stücke anbieten und dies als Jahresabonnement verkaufen.
Wir spielen jeden Tag. Genauso wie die Online-LVZ. Denn Sie kommen zu jeder Zeit auf unsere Seite, morgens, mittags, abends, nachts. Sie sind neugierig. Und wir sind froh, dass das so ist. Die Kollegen im Peterssteinweg genauso wie wir.
Und das nicht, weil uns das bauchmiezelt, dass Monat für Monat 100.000, 200.000 neugierige Leser auf unsere Website kommen. Oder weil das bedeutet, dass wir nicht langweilig sind, dass wir über das Richtige und das Wichtige berichten. Oder dass wir nicht faul sind.
Es bedeutet nämlich auch, dass Sie noch nicht hirntot sind. Dass Sie sich noch immer für Ihre Stadt interessieren und das, was in Ihrer Stadt vorgeht. Dass sie ein politisch interessierter Mensch geblieben sind, der sich wahrscheinlich auch engagiert, wo es Kraft und Zeit ermöglichen. Und dass sie damit auch ein Mensch sind, dem diese Gesellschaft und das, was aus ihr wird, nicht egal ist.
Und trotzdem haben Sie kein Abo.
Warum nicht?
Ist Ihnen egal, woher Sie ihre Informationen bekommen? Das glaube ich nicht.
Wem vertrauen Sie wirklich?
Ich bin mir sogar sicher, dass Sie darauf vertrauen, dass bei einer richtigen Zeitung auch richtige Journalisten am Rechner sitzen, die wissen, wie man falsche von richtigen Informationen trennt, wie man einen Stoff, der sich so darbietet wie ein Bombenfund auf die wirklich wichtigen Informationen reduziert und die üblichen Mutmaßungen in den Netzwerken, die Jan Emendörfer erwähnt, von den wirklichen Fakten trennt. Und dann wirklich nur noch eine Geschichte erzählt, auf die sich Leser verlassen können.
Dazu aber muss Einer oder Eine (mindestens) am Rechner sitzen, die mit einer Heidengeduld Ereignisse auf ihren Kern bringen können, auf das, was wirklich passiert ist und worauf sich Leserinnen und Leser verlassen können müssen.
Nach bestem Wissen und Gewissen, füge ich hinzu.
Denn Eine oder Einer an so einem Platz sind eigentlich zu wenig.
Das wissen alle, die L-IZ lesen. Denn selbst die Berichterstattung über eine eigentlich überschaubare 600.000-Einwohner-Stadt wie Leipzig braucht mehr als Einen, um überhaupt erst einmal auch nur einen Teil des wirklich Wichtigen zu berichten. Und diese Eine (oder ein paar mehr) sitzen ja nicht nur abends mal vier Stunden am Rechner.
Sie sind jeden Tag unterwegs, bei Ereignissen vor Ort, zu Presseterminen, Interviews, Recherchen. Worüber Michael Freitag an dieser Stelle schon geschrieben hat. Wenn sie nicht mehr an die frische Luft kommen, ist was faul.
Oder es fehlt ihnen der Rückhalt. Der richtige Rückhalt, der nicht nur in 300 erbosten Facebook-Kommentaren besteht, wie Emendörfer ja anmerkte. Bei diesen 300 Facebook-Kommentaren gewinnt übrigens auch die LVZ nichts, sondern nur die Facebook Inc. Die erheblich dazu beigetragen hat, dass klassische Medien in Deutschland mit Online-Werbung nicht mal mehr die Butter aufs Brot verdienen.
Der LVZ geht es nicht anders als uns: Sie muss riesigen Fleiß aufwenden, um irgendwie über Werbung noch ein bisschen Online-Geld zu verdienen. Aber das reicht nicht, um eine (auch nur kleine) Lokalredaktion zu bezahlen. Jene Reporter, die für Sie losgehen und versuchen, jeden Tag genug fundierte Geschichten zu schreiben, die Ihnen wenigstens ein Gefühl dafür geben, wie Ihre Stadt funktioniert, wo sie kränkelt oder prosperiert.
Aber welchen Rückhalt geben Sie den Redakteuren des Mediums Ihrer Wahl?
Die Frage hat Jan Emendörfer nicht gestellt.
Also muss ich Sie stellen: Wo bekommen Sie die verlässliche und unabhängige Berichterstattung über Ihre Stadt und all das, was Ihr direktes Lebensumfeld angeht, wenn nicht bei Zeitungen, die ihren Informationsauftrag noch so ernst nehmen wie wir und noch ein paar Kollegen in dieser Stadt?
Die jeden Tag aufstehen und wissen, dass sie wieder ein paar drängende Fragen klären und ein paar Leute etwas drängender fragen müssen – im Interesse ihrer Leser. Weil sie wissen, dass Demokratie (hier ist es, dieses hart umkämpfte Wort) nur funktioniert, wenn die Demokraten überhaupt wissen, was vorgeht in ihrer Demokratie. Und die Stadt ist nun einmal der kleinste demokratische Kosmos.
Informierte Demokraten
Wer sich darüber informieren will, der landet bei ganz wenigen Medien in seiner Region.
Und dann packt die LVZ den ganzen Bombenfund hinter die „Paywall“. Ist das fair?
Nein: Es ist aus der Not geboren. Es ist derselbe Kampf, den auch wir führen: der Kampf um Sie. Um ihr Einsehen, dass diese beiden Tageszeitungen – ich schließe jetzt die LVZ einfach mal mit ein – eine Arbeit machen, die Ihnen hilft, das Wichtigste zu erfahren über Ihre Stadt. Nicht nur Marketing und Schönwetter-Geschichten. Sondern all das andere, das sie – das verrät uns ja unsere Zählmaschine – immer wieder anklicken. Weil Sie es wissen wollen.
Und Sie sind immer noch kein Abonnent?
Oder – weil es das besser trifft: richtiger Unterstützer, Engagierter, einer, der uns nicht nur auf die Schulter klopft, weil wir so fleißig sind, sondern einer, der sagt: Die unterstütze ich mit einem richtigen Abonnement. Nennen Sie es Mitgliedsbeitrag, Unterstützerbeitrag, Scherflein. Der kleine Beitrag, der – wenn Sie immer mehr werden – auch unsere Arbeit stärkt.
Und unabhängiger macht.
Rückhalt macht erst unabhängig
Denn Medien, die sich die Hälfte der Zeit um Werbeeinnahmen abstrampeln müssen, sind nicht stark. Da fließt die ganze Kraft ständig ab. Und 500 oder 1.000 Geschichten bleiben liegen, werden nie geschrieben, weil keiner mehr die Zeit hat, sich in sie hineinzustürzen.
Und ehrlich? Ein paar hundert Abonnenten sind zu wenig. Da bleiben wir alle im Fegefeuer – nicht Hölle, nicht Himmel. Immer in einem Zustand, dass keiner da ist, die notwendige nächste Geschichte anzupacken.
Wir haben uns 1.500 Abonnenten als Ziel gesetzt. Das Ziel ist noch lange nicht erreicht.
Auch weil Sie zögern und sich lieber bei jedem Klick die Frage stellen: „Warum soll ich DENEN Geld geben?“
Und dann lesen Sie doch. Und manchmal schreiben Sie uns dann: „Könnt ihr denn nicht noch mehr machen?“
Könnten wir. Wenn Sie uns wirklich den Rückenwind geben, es zu tun.
Es liegt an Ihnen.
Und seit Jan Emendörfers recht burschikosem Beitrag wissen wir: Wir werden Sie in diesem Jahr noch öfter fragen. Auch und gerade Sie als Demokrat und engagierte Zeitgenossin: Wollen Sie eine starke Tageszeitung oder wollen sie lieber nicht wissen, was wirklich los ist?
Das ist die Frage, die Sie sich beantworten müssen.
Und mein großer Wunsch ist: Sie sagen Ja, Leipzig braucht eine starke Zeitung. Eine, hinter der wirklich genug Menschen stehen, die sich eingestehen: „Die sind für mich auf Achse. Jeden Tag. Es ist mein Auftrag, den sie erfüllen.“
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