Am 14. August berichteten wir über einen Offenen Brief der Themengruppe Medien und Journalismus bei Aufstehen Leipzig an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Darin ging es um neue Ansätze für den Medienstaatsvertrag. Die Themengruppe geht jetzt in einem Leserbrief auf unseren Beitrag ein. Wir stellen den Leserbrief auch gern zur Diskussion.

Sehr geehrte Redaktion,

als zwei der Verfasser des Offenen Briefes an den Ministerpräsidenten freuen wir uns außerordentlich, dass die Leipziger Internet Zeitung unserer Arbeit einen Artikel gewidmet hat. Wir wollen mit diesem Leserbrief gerne darauf eingehen und mit weiteren Anregungen die Diskussion weiterführen. Es wird neuerdings wieder öfter davon gesprochen, dass „die Bürger sich einbringen und den demokratischen Prozessen neuen Schwung verschaffen sollen“.

Genau das ist ein Ziel der Sammlungsbewegung Aufstehen. In der praktischen Umsetzung werden schnell Grenzen erkennbar. Es gibt so viele Themen, die aktives Handeln erfordern. Daher wurden bei Aufstehen Leipzig nach der Gründung Themengruppen gebildet. Die Themengruppe Medien und Journalismus hat sich der Frage angenommen, warum die Unzufriedenheit über die Medien so groß ist, welche Auswirkungen das hat und was zu tun ist, um den Zustand zu verbessern.

In Ihrem Artikel wird auf wichtige Passagen aus unserem Thesenpapier eingegangen. An einigen Stellen fühlen wir uns noch missverstanden. Beispielsweise sind die von uns aufgelisteten alternativen Medien natürlich nur Beispiele – es gibt viel mehr, z. B. auch sehr viele bloggende unabhängige Journalisten. Vor allem wurden im Artikel auch die Freien Radios gar nicht erwähnt.

Insgesamt geht es darum, dass der durch die öffentlich-rechtlichen Medien eingeschränkte Debattenraum durch o. g. und weitere Akteure erweitert wird, und dass diese dadurch einen wichtigen Beitrag leisten. Sie übernehmen quasi Aufgaben des ÖR-Rundfunks, die in seinem Programmauftrag festgeschrieben, aber nicht (mehr) erfüllt werden (z. B. umfassende, neutrale Berichterstattung, Bildungsauftrag, Vielfalt und Ausgewogenheit der Meinungen, etc.).

Verwechselt wurde im Artikel der Begriff „Rundfunkrat“ – wir meinten die Einführung eines Publikumsrates. Rundfunkräte gibt es und sie haben bisher schon die Aufgabe, die plurale Programmgestaltung zu überwachen, können jedoch aufgrund ihrer nur beratenden Funktion nicht wirklich wirksam Einfluss nehmen. Daher schlagen wir neben einem unabhängigen Qualitäts-Kontroll-Organ die Einführung von Publikumsräten vor, die sich von den Rundfunkräten in ihrer Zusammensetzung und Funktion unterscheiden sollen.

Eine Besetzung nach dem Losverfahren soll die (parteipolitischen) Abhängigkeiten, wie sie bei der Besetzung der Rundfunkräte zu großen Teilen noch vorhanden sind, ausschließen. Die Publikumsräte sollen auf Basis der unabhängigen Qualitätskontrolle die Einhaltung des Programmauftrages überwachen und bei Nichteinhaltung auch Sanktionen aussprechen können. Eventuelle „Strafzahlungen“ könnten dann zur Unterstützung alternativer Medien und Freier Radios verwendet werden. Die Idee vom Publikumsrat ist auch nicht komplett neu. Den Namen „Publikumsrat“ trägt z. B. ein Blog von Dr. Christine Horz, Ruhr-Uni Bochum (http://publikumsrat.de/). Der Medienwissenschaftler Prof. Michael Meyen (LMU München) sowie Heiko Hilker, Mitglied des MDR-Rundfunkrates, hatten bereits ähnliche Vorstellungen zur Qualitätskontrolle.

Der am Ende unseres Thesenpapiers formulierte Wunsch nach einer tagesaktuellen Berichterstattung stellt eher eine Vision dar, die wir uns als Themengruppe von Aufstehen gegeben haben. Wir stellen uns vor, dass eine (fiktive) Aufstehen-Redaktion – wie andere Nachrichtenredaktionen auch – die aktuellen Meldungen aus den Nachrichten-Tickern sichtet und eine alternative Berichterstattung zusammenstellt, die von dem Einheitsbrei der Mainstream-Medien abweicht. So sollen z. B. auch solche Meldungen veröffentlicht werden, die dort (absichtlich?) unter den Tisch fallen. Alternative Sichtweise bedeutet nicht eine alternative Kommentierung, sondern eine andere Auswahl und Wichtung.

Das Thesenpapier wurde von Laien in der Freizeit geschrieben. In einigen der Diskussionsrunden der Themengruppe haben auch zwei „Profis“ (Medienschaffende) ihre Sichten eingebracht. Das Papier soll einen ersten Aufschlag darstellen, den die Gruppe nach ihrer Gründung Ende 2018 gemacht hat. Wir haben uns in die gesetzliche Situation der Medien eingearbeitet, haben daran das Erscheinungsbild der ÖR-Medien gemessen und uns überlegt, wie es verbessert werden kann. Unser Ziel ist es, den Dialog anzuschieben, mit anderen ins Gespräch zu kommen, die ebenfalls Veränderungen suchen, und nicht zuletzt Rat von Experten zu holen.

Wir haben (mehr oder weniger zufällig) von der anstehenden Unterzeichnung eines neuen Medienstaatsvertrages erfahren, der gerade für die neuen Medien große Veränderungen bringen wird. Daraus hat sich für uns die Notwendigkeit ergeben zu handeln, uns inhaltlich in die Debatte zu dem Vertrag einzubringen. Wir haben eine Stellungnahme zum Entwurf des Medienstaatsvertrages abgegeben. Dabei, wie auch in unserem Positionspapier, geht es uns um Inhalte und journalistische Grundlagenarbeit. Nicht mehr aber auch nicht weniger steckt hinter unseren Aktivitäten. Dafür brauchen wir die Weiterführung der Diskussion und die Vernetzung.

Wir laden Sie als Redaktion der Leipziger Internet Zeitung herzlich ein, mit uns ins Gespräch zu kommen, z. B. zu einem unserer monatlichen Treffen. Bisher hatten wir Internet-Zeitungen noch nicht im Blick. Gerne würden wir lernen, was Ihre Anforderungen für eine besser funktionierende Medienlandschaft sind, oder in welcher Weise eine Internet-Zeitung vom geplanten Medienstaatsvertrag betroffen ist. Wir würden uns über eine positive Rückmeldung sehr freuen. Auch eine Verstärkung unserer Themengruppe durch weitere Interessierte ist sehr erwünscht.

Mit freundlichen Grüßen,
Beate Strehlitz und Dieter Korbely

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Es gibt 2 Kommentare

Erwiderung von Dieter Korbely: Vielen Dank für Ihren Kommentar. Im Großen und Ganzen bin ich der gleichen Meinung. Auch wir stellten uns gleich zu Anfang die Frage, wie man als Beitrag zahlender Bürger darauf reagieren soll, dass der ÖR Rundfunk seinem Programmauftrag nicht nachkommt. Allerdings sehen wir es nicht so, dass die alternativen Medien in Konkurrenz zum ÖR Rundfunk treten sollen. Sie erweitern den Debattenraum und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Information und zur Belebung der Demokratie. Wie Sie richtig festgestellt haben, kann man das von den Privaten nicht verlangen. Solange der ÖRR beispielsweise nicht bereit ist, vom Mainstream abweichende Meinungen zu publizieren, sondern sie als rechts- oder linkspopulistisch abstempelt, solange springen die alternativen Medien ein und leisten diese Arbeit.
Es geht darum, breite und auch kontroverse Diskussionen in der Bevölkerung wieder zu aktivieren, um die mehrheitsfähigste Meinung in politisches Handeln zu transformieren. Herausforderungen gibt es da viele z.B. wie wir die Herausforderungen durch den Klimawandel am besten bewältigen können. Aktuell wird dazu nur noch über eine CO2-Steuer oder –- Emmissionshandel debattiert. Andere Möglichkeiten werden nicht in Betracht gezogen. Über Verursacher aus Industrie oder Landwirtschaft wird kaum diskutiert, noch weniger über Maßnahmen ihren Einfluss auf den Klimawandel zu begrenzen bzw. ihm entgegen zu wirken.
In den alternativen Medien werden diese Diskussionen aber geführt. Oder – weiteres Beispiel – haben Sie in den Mainstreammedien etwas über die Demonstration zur Freilassung von Julian Assange am 02.09.2019 in London mit 12.000 Teilnehmern gehört (u.a. eine Rede und Musik von Roger Waters), oder über die Proteste gegen die Airbase Rammstein. Das sind nur Beispiele von Themen, die von den ÖR Medien geflissentlich unter den Tisch gekehrt werden, aber im Sinne des Programmauftrages dringend bei den ÖR Medien erscheinen müssen.
Zur Qualitätskontrolle kann man nur hoffen, dass der ÖRR mit ihrer Einführung dann auch Konsequenzen zieht und seinen Auftrag wieder besser erfüllt. Da die Qualitätskontrolle z.T. vom Rundfunkbeitrag finanziert werden müsste, und die alternativen Medien bisher keine Anteile aus dem Rundfunkbeitrag bekommen, kann man das nicht auch noch auf sie abwälzen. Die Privaten müssten die Kosten auch selbst tragen. Sie sollten aus Eigennutz dafür interessiert sein.

Die Ideen sind gut.
Mein Respekt gilt den “Laien”, die sich in ihrer Freizeit mit diesen Themen intensiv beschäftigen.

Eine Frage fiel mir beim Lesen des Beitrages ein:
Wenn der ÖR-Rundfunk seinen Grundaufgaben / Programmaufträgen nicht (mehr) nachkommt – wie gehen wir damit um?

Der ÖRR war / ist dazu da, Programmaufträge zu realisieren, die durch private Hand aufgrund fehlendem Interesse eben nicht gewährleistet sind. Was verständlich ist. Aber wenn der ÖRR – bei ausufernden Ausgaben – selbst das nicht schafft, und lieber Formate bedient, deren Niveau fragwürdig und leider mit zunehmender Werbung gewinnbringend sind, muss über den Umfang und die Finanzierung des ÖRR dringend nachgedacht werden.

Gut ist die Idee einer Aufgabenteilung; weitere kompetente Akteure übernehmen. Es entstünde auch eine gewisse Konkurrenz.

Wäre eine “Öffnung des ÖRR-Marktes” sinnvoll?
Und wer sichert die Qualität alternativer Akteure?

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