Die AfD hat sich medial des Themas Linksextremismus angenommen. Auf einem eigenen Infoportal informieren die Rechtspopulisten seit Kurzem über das politische Phänomen. Der Wahrheit fühlen sich die Autoren dabei jedenfalls nicht verpflichtet, wie ein Beitrag über den Leipziger Stadtteil Connewitz illustriert.
Für knapp 19.000 Leipziger ist Connewitz ein lebenswerter Kiez. In dem Stadtteil finden die Anwohner beliebte Bars, Schulen, eine schmucke Ortskirche, soziokulturelle Zentren, zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Friseure, einen Sportverein, Parkanlagen, Spielplätze, eine gut sortierte Videothek, einen Wildpark, das L-IZ-Büro und zwei Fachhochschulen. Kurzum: Alles, was man zum Leben braucht.
Beatrix von Storch hat in ihrem Leben vermutlich noch nie einen Fuß auf Connewitzer Boden gesetzt. Die AfD-Fraktionsvize steht im Impressum des jüngsten Mediencoups ihrer Partei. Auf dem Webportal „blicknachlinks.org“ möchte die Partei „linke Ideologie, über Akteure und die Folgen ihres Tuns, über die Netzwerke und Geldgeber“ informieren. „Linke Gewalttäter agieren praktisch im rechtsfreien Raum“, führt von Storch in einem Videoclip aus. AfD-Anhänger sollen deshalb der Partei linksextreme Vorfälle melden. Kaum hatte die Partei das Projekt öffentlich beworben, erntete sie Spott und Häme. Eine Grafik, die Josef Stalin abbilden soll, ähnelt mehr dem Konterfei Sylvester Stallones als dem des Diktators.
Äußerlich ist der „Blick nach Links“ Internetangeboten wie „Blick nach Rechts“ und „Endstation Rechts“ nachempfunden, die von SPD-nahen Institutionen verlegt werden. Dass die Rechtspopulisten ihr Portal keineswegs zur faktenbasierten Information über Linksextremismus nutzen, belegt ein Artikel über jenes Connewitz.
In einem Artikel, dessen Autor nicht genannt wird, nimmt die AfD alle Connewitzer in Sippenhaft. Die Rede ist von einem „linksextremen Stadtviertel“. Diese Einschätzung entspricht der Selbstwahrnehmung vieler Rechtsextremer, die sich in der Regel nicht so häufig im Leipziger Süden aufhalten. Ob sich auch diejenigen Stadtteilbewohner angesprochen fühlen dürfen, die bei den vergangenen Wahlen AfD gewählt haben, sei einmal dahingestellt. Die AfD untersetzt ihre Einschätzung mit einer Fülle unwahrer Tatsachenbehauptungen. Tatsachen sind nach juristischem Begriffsverständnis solche Aussagen, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich sind.
Die linksextreme Szene sei „seit Jahrzehnten in verwahrlosten Wohnhäusern verankert“, schreiben die Verfasser. Wo sich diese Objekte befinden, verschweigt der Beitrag. Nach Kennntis von L-IZ.de existieren in Connewitz jedenfalls keine verwahrlosten Immobilien. Die Polizei konnte auf Nachfrage gleichfalls keine Objekte benennen, auf die die Beschreibung zutreffen könnte. „Was die AfD mit ‚verwahrlosten Häusern‘ meint, entzieht sich meiner Kenntnis“, teilte Behördensprecher Uwe Voigt mit.
Apropos Polizei: Den AfD-Autoren ist offensichtlich entgangen, dass der Leipziger Polizeipräsident, dessen Aussagen sie aus einer Lokalzeitung übernommen haben, mit Nachnamen nicht Schulz, sondern Schultze heißt. Dennoch weiß die AfD genau, wie es um die Arbeitsbedingungen der Ordnungshüter im Stadtteil bestellt ist. „Regelmäßig werden Polizisten im Streifendienst angegangen oder mit Steinen beworfen“, beklagt die AfD. Dass „in diesem Zusammenhang noch nicht von Terrorismus“ gesprochen werde, zeige die angebliche „Deutungshoheit der linken Medien“.
Wir haben bei der Polizei nachgefragt. „Die Streifendienste werden nach bisherigem Stand nicht angegriffen oder mit Steinen beworfen“, sagte Voigt.
Ganz besonders nehmen die Rechtspopulisten die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel ins Visier, die in Connewitz ein Abgeordnetenbüro betreibt. Es sei Fakt, dass die Politikerin „bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt“ gekommen sei. Tatsache ist: Nagel wurde Anfang der 2000er Jahre mit Alkohol am Steuer erwischt. Ein Ermittlungsverfahren wegen eines angeblichen Blockadeaufrufs einer Legida-Demo wurde unter Auflagen eingestellt. Was der Artikel offenlässt …
Bedeutet im Klartext: Mehr als eine Trunkenheitsfahrt hat sich die Politikerin, die von Rechten häufig für eine Art Anführerin der autonomen Szene gehalten wird, in ihrem Leben nicht zuschulden kommen lassen. „Das Alkoholdelikt wurde längst aus dem Bundeszentralregister gelöscht“, erzählt Nagel. Die Vorgehensweise der AfD überrascht die 40-Jährige nicht.
„Dabei werden allerdings Fakten durcheinander gehauen und ziemlich alte Kamellen wieder rausgeholt. Ich empfehle auf jeden Fall sich von dieser Form rechter Hetzpropaganda nicht verunsichern zu lassen.“
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