Wer genau sich wegen eines Tweets, den Christian Wolff am 20. Mai, in der heißen Endphase des Wahlkampfes auf Twitter absetzte, beschwert hat, kann er zwar auch nicht sagen. Er kann es nur vermuten. Aber auch in seinen Twitter-Beiträgen ist der ehemalige Thomaspfarrer gern bissig und genau und prangert auch gern die doppelbödige Haltung einiger rechter Zeitgenossen an. Die Beschwerde über den Tweet hat Twitter jetzt abgelehnt.

„Wegen des folgenden Inhalts haben wir eine Beschwerde zu deinem Account erhalten, @Chriwo49“, teilt Twitter dem engagierten Leipziger mit, der sich mit Mitstreitern im Projekt „Aufruf 2019“ auch seit Monaten für eine gelebte Demokratie einsetzt. „Tweet-Text: Schon vergessen? #AfD Leipzig-Kreisvorsitzender Droese fuhr einen Benz-Kombi mit dem Nummernschild L-AH 1818. In seinem Lokal ‚Central-Apotheke‘ (führte er in Insolvenz) hing ein Leipzig-Stadtplan von 1937. Warum? Da gab es noch eine ‚Adolf-Hitler-Straße‘. Alles kleine Straches. – Wir haben den gemeldeten Inhalt untersucht und konnten keinen Verstoß gegen die Twitter Regeln (https://support.twitter.com/articles/18311) oder entsprechende Gesetze feststellen. Wir sind deswegen dazu nicht aktiv geworden.“

Gegen demokratischen Streit hat Christian Wolf nichts. Als einstiger Thomaspfarrer weiß man, wie man deutlich redet und Menschen auch ins Gewissen redet. Streit gehört zur Demokratie, klare Worte gehören auch dazu. Aber er mag die Wölfe im Schafspelz nicht, Leute, die – so auch im „Aufruf 2019“ artikuliert – die Demokratie aushöhlen.

„Für uns sind die Grundwerte der Verfassung nicht verhandelbar: die Würde des Menschen, Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, Recht auf Asyl, Gewaltenteilung, repräsentative Demokratie“, heißt es im Aufruf. „Wir treten ein für eine offene Gesellschaft, kulturelle Vielfalt und den streitigen demokratischen Diskurs. Darum werben wir für ein faires, respektvolles Miteinander und stellen uns gegen jeden Versuch national-völkischer Ausgrenzung.“

Der erwähnte AfD-Kreisvorsitzende Siegbert Droese, der seit 2017 auch im Bundestag sitzt, hat am 26. Mai auch ein Stadtratsmandat errungen, wird uns also auch die nächsten fünf Jahre in der Stadtpolitik begleiten. Ob dann aus der AfD-Fraktion belastbare Vorschläge für die Stadtpolitik kommen, werden wir sehen. Das Wahlprogramm der AfD liest sich eher wie das von Leuten, die sich vor jeder Veränderung fürchten und am liebsten alles beim Alten ließen, manchmal auch beim ganz Alten. Egal ob es um die verschnupfte Haltung zum Klimawandel und seine Folgen geht oder um die (motorisierte) Verkehrspolitik.

Und Christian Wolff wird wohl genug Anregungen für sehr scharfe Twitter-Tweets bekommen. So einen, wie er ihn gleich nach dem oben zitierten – diesmal zur Ibiza-Affäre der FPÖ – abgesetzt hat zum Beispiel: „Strache: ‚Es war ein typisch alkoholbedingtes Macho-Gehabe …‘ Das wichtigste Wort ist ‚typisch‘. Das, was Strache und Gudenus in Ibiza aufführen, war und ist typisch für Rechtsnationalisten in aller Welt. Jeder weiß, was er bekommt, wenn er solche ‚Typen‘ wählt.“

Gastkommentar von Christian Wolff: Voll krass – die Botschaften der Wahlen am 26. Mai 2019

Gastkommentar von Christian Wolff: Voll krass – die Botschaften der Wahlen am 26. Mai 2019

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