Seit einigen Tagen geistert eine Meldung รผber die Fachportale und einige Medienseiten, welche wohl den eigentlichen Zustand der deutschen Regionalzeitungen treffend beleuchten dรผrfte. Oder besser ihren finanziellen Zustand und den Umgang mit Wahlwerbung fรผr die AfD. Genauer dreht es sich um die โHannoversche Allgemeine Zeitungโ (HAZ) und die โNeue Presseโ (beide Madsack-Verlag, u. a. auch LVZ & DNN), welche gerade mit der Beilage der โAlternativeโ ihr Wahl-Werbe-Geld verdienen mรผssen. Und dabei erklรคren, es ginge um Demokratie.
Zugegeben, es ist immer eine gewisse Krux fรผr Zeitungen und Verlage, wenn es um Wahlwerbung geht. Schnell werden eine zu hohe Parteiennรคhe unterstellt, Abhรคngigkeiten angemahnt, Beeinflussungen vermutet. Privat verantwortete Medien dรผrfen, im Gegensatz zum รถffentlich-rechtlichen Rundfunk, so etwas dennoch selbst entscheiden: wie weit sie dabei gehen wollen und auch, wen sie dabei ablehnen. Die Messlatte wird fรผr gewรถhnlich bei den meisten Verlagen mit โextrem, demokratiefeindlichโ oder schlicht bei โverfassungswidrigโ angesetzt โ ein Prรคdikat, welches trotz Nicht-Verbotes aktuell die NPD trรคgt.
Und wer wรคren wir bei der L-IZ.de, dass wir nicht wรผssten, wie schmal der Grat ist. Und dennoch frohgemut antworten kรถnnen: Nein, keine Partei, kein Konzern und kein Staat besitzen Anteile an unserer Zeitung. Und zunehmend finanzieren uns Menschen, die ein Abonnement abschlieรen โ schon immer ein Weg, unabhรคngiger von Einflรผssen zu werden und zu bleiben.
Die Struktur Madsack
Mancher hat sich da etwas anders aufgestellt, so auch der Madsack Verlag aus Hannover, welcher neben der Stammzeitung โHannoversche Allgemeine Zeitungโ (HAZ) und dem Boulevardblatt โNeue Presseโ (NP) auch die โLeipziger Volkszeitungโ und die โDresdner Neusten Nachrichtenโ in Sachsen รผber Untergesellschaften mit bis zu 100-prozentiger Beteiligung herausgibt.
Denn mit 23,1 Prozent ist die โDeutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbHโ, kurz DDVG, an der Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG als grรถรter von unzรคhligen Eignern bestimmend beteiligt. Ein Anteilseigner, hinter welchem letztlich die SPD steht.
Der SPD-Bundes-Schatzmeister Dietmar Nietan hรคlt an dieser 94,7 Prozent, weitere 5,3 Prozent liegen bei der โSolidaritรคt Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbHโ, welche selbst zu 100 Prozent dem Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschland gehรถrt. Von der DDVG aus werden so unter anderem auch zu 100 Prozent der โVorwรคrtsโ, die offizielle SPD-Parteizeitung, verantwortet und weitere Beteiligungen u. a. an der Sรคchsischen Zeitung gehalten.
Die AfD lockt mit Geld
Verstehbar also, dass es mรคchtig Wirbel im Hintergrund gab, wie der Spiegel berichtet, als die AfD mit einer Anfrage auf Madsack zutrat, mit einer Beilage am 16. September 2017 in der HAZ und der NP zu erscheinen. Geld, was HAZ und die โNeue Presseโ laut Spiegel dennoch nicht ausschlagen wollten. So erhielten also am gestrigen Samstag โ die Gesamthรถhe der Beilage ist nicht bekannt โ wenigstens ein Teil der rund 150.000 Abonnenten und Kรคufer der HAZ/NP am 16.09.2017 eine satte Portion AfD-Werbung ins Haus. Da geht es schnell mal um ein paar 10.000 Euro, je nach Gewicht und Auflage.
Die Meinung der Andersdenkenden
In einer Erklรคrung der โHannoverschen Allgemeinenโ heiรt es unter anderem nun zum angenommenen Geld: โDie Meinungsfreiheit ist eine Grundlage unserer Demokratie. Wer sich auf die Meinungsfreiheit beruft, kann sie Andersdenkenden nicht verwehren. Das gilt auch dann, wenn deren รuรerungen nur schwer zu ertragen sind. Deshalb wรคre es falsch, Wahlwerbung von Parteien abzulehnen, sofern sie sich nicht (wie etwa die NPD) eindeutig verfassungsfeindlich positionieren.โ
Auf die Idee, die erzielten รberschรผsse fรผr die Beilagen einem guten Zweck, wie beispielsweise Flรผchtlingshilfe oder Integrationsvereinen zukommen zu lassen und darรผber zu berichten, ist man bei Madsacks Hannoverschen, der SPD und der DDVG offenbar im Kampf um die Meinungsfreiheit noch nicht gekommen.
Aber was nicht ist โฆ Die DDVG wรผnscht sich derweil eine breite Diskussion รผber diesen Vorgang.
Es geht nicht um Geld!
Geht es vielleicht doch einfach nur um Geld in Zeiten schwindender Printabos fรผr die regionalen Zeitungsverlage? Dann wรคre der Vorgang ein erstes Indiz auf eine weitere Etablierung der AfD mithilfe etablierter Medienpartner. Kurios auch, dass so ein Teil davon mittelbar bei der SPD landet. Direkt vor der Bundestagswahl am 24. September 2017 soll sich das Schauspiel laut des Spiegel-Berichtes nochmals wiederholen.
Im Namen der Meinungs- und Pressefreiheit. Und der Demokratie natรผrlich.
Zu einem Beitrag auf โBentoโ (Spiegel Online), welcher inkl. einer Map der Frage nachgeht, wie viele โRechtsradikaleโ via AfD in den Bundestag einziehen kรถnnten.
Die LEIPZIGER ZEITUNG ist da: Ab 15. September รผberall zu kaufen, wo es gute Zeitungen gibt
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 7 Kommentare
Kurz zur โGรผteโ ๐ Zitat: โAuf die Idee, die erzielten รberschรผsse fรผr die Beilagen einem guten Zweck, wie beispielsweise Flรผchtlingshilfe oder Integrationsvereinen zukommen zu lassen und darรผber zu berichten, ist man bei Madsacks Hannoverschen, der SPD und der DDVG offenbar im Kampf um die Meinungsfreiheit noch nicht gekommen. Aber was nicht ist โฆโ
Man kann demnach auch beides tun. Wenn es โnicht um Geld gehtโ zumindest ๐
*verhรคlt natรผrlich. Blรถde Tastatur
Natรผrlich haben sie fรผr die AfD geworben. Darum geht es doch. Solang man nicht zur Neutralitรคt verpflichtet ist, MUSS man sich im Moment einfach positionieren, und wenn man dazu nicht in der Lage ist, hรคlt man sich besser raus. Wenn ich mit meinem Produkt gleichzeitig Werbung fรผr eine Partei mache, deren Parteispitze sich derart rassistisch erhรคlt (von den Aktionen der Anhรคnger braucht man da gar nicht erst anfangen), dann erwecke ich den Eindruck, dass ich zumindest nicht dagegen bin.
Hier geht es doch um die Wahlwerbung und die muss halt bei den privaten bezahlt werden und die haben ja nicht fรผr die AfD geworben.
รber etwas berichten und dafรผr gegen Bezahlung zu werben sind aber zwei komplett verschiedene paar Schuhe.
Ich fรผr meinen Teil finde, die haben sich richtig entschieden. Denn Medienkonzerne mรผssen auch die gesamte Breite der Meinungen beachten und sind wir mal ehrlich totschweigen hat noch nie etwas gebracht. Besser ist es darรผber zu berichten und die entsprechenden Argumente entkrรคften.
Das wรคre fรผr mich ein Grund, ein Abo bei diesen Zeitungen zu kรผndigen, was hoffentlich auch viele tun werden. Demokratie ist ganz toll, bedeutet aber ja wohl auch, dass man auch als Konzern Haltung zeigen und sich positionieren kann. Was sie meiner Meinung nach damit auch getan haben, nur feige und in die falsche Richtung. Egal ob aus Geldgeilheit oder Sympatie fรผr die AfD โ ich hoffe, jeder Abonnent, jeder Kรคufer und jeder Werbepartner denkt darรผber nach, ob er sich hinter diese Zeitungen stellen mรถchte. Oder nicht lieber selbst Haltung zeigt.