Natรผrlich ist das frech. Es ist sogar regelrecht unverschรคmt, wenn der ProSieben-Sat1-Vorstand Conrad Albert via โ€žFrankfurter Allgemeine Sonntagszeitungโ€œ fordert, die privaten Sender mรผssten einen Anteil an den Fernsehgebรผhren bekommen. Weil sie ja irgendwie einen groรŸen Batzen vom โ€žGrundversorgungsauftragโ€œ รผbernommen haben.

โ€žNur fรผnf Prozent der Zuschauer von ARD und ZDF sind unter 30 Jahre alt. In der Zielgruppe von 14 bis 29 Jahren erreichen wir mit โ€šPro7 Newsโ€˜ deutlich mehr Zuschauer als Tagesschau und Heute zusammenโ€œ, sagte Albert.

Natรผrlich ist der Mann Teil des Problems. Manager eines Konzerns mit 3,8 Milliarden Euro Umsatz (2016), dessen Kerngeschรคft Unterhaltung ist. Das ist ja das Problem bei der ganzen Debatte um den โ€žGrundversorgungsauftragโ€œ: Die Leute, die in diesem Geschรคft die entscheidenden Positionen besetzen, reden darรผber, als ginge es vor allem darum, Menschen aller Altersgruppen mรถglichst lange mit mรถglichst unterhaltsamem Stoff vor den Bildschirm zu ziehen. Und dort ruhigzustellen. Das schreibe ich jetzt โ€“ Schelm der ich bin. Aber natรผrlich ist Alberts Kritik an den brรคsigen Unterhaltungsfabriken ARD und ZDF berechtigt. Kein Mensch braucht 8 Milliarden Euro, um einen โ€“ Klammer auf: demokratischen โ€“ Grundversorgungsauftrag zu erfรผllen.

Denn gerade Konzerne wie ProSieben-Sat1 zeigen ja, dass man Unterhaltung fรผr (jรผngere) Leute auch billiger produzieren kann. Und zwar reineweg mit Werbeeinnahmen. Da schaut man natรผrlich neidisch zu den ร–ffentlich-Rechtlichen, die das Geld quasi als Steuer von den Bรผrgern einsammeln dรผrfen. Ohne Gegenleistung. Denn wer vor allem Programm fรผr eine Zuschauergruppe 60plus macht, erfรผllt ganz eindeutig seinen Senderauftrag nicht.

Seltsam ist die Kritik nur, wenn sie von einem Manager kommt, der einem Konzern vorsteht, der ganz bestimmt keinen Grundversorgungsauftrag erfรผllt. Einen journalistischen schon gar nicht. Er investiert sein Geld nicht in anspruchsvolle Berichterstattung und wirklich gut ausgestattete Redaktionen, sondern in Spiel, SpaรŸ und Soaps. Damit kann man zwar jede Menge junger Leute, die mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen wissen, vor die Glotze locken. Aber man tut zur informellen Grundversorgung der Gesellschaft nichts wirklich Substanzielles hinzu.

Man hat zwar einfach mal so aus der Portokasse ein Portal wie lokalisten.de aufgekauft. Aber der eigentlich stinkreiche Konzern hat es nicht fertiggebracht, das Portal auch nur einigermaรŸen auskรถmmlich zu finanzieren. Am 30. September 2016 hat es den Betrieb eingestellt.

Und ganz ehrlich? โ€“ Journalismus ist das Preiswerteste von Allem, was in deutschen Medien bezahlt werden muss. Preiswerter als jede Talkshow, als FuรŸball sowieso, preiswerter als jede Soap und jede Musiksendung.

Im Grunde hat sich ProSieben-Sat.1 schon 2016 vรถllig blamiert und mit der Einstellung von lokalisten.de gezeigt, dass man von einer Grundversorgung im journalistischen Sinn gar nichts hรคlt.

Und dann sagt Conrad Albert so einen Satz: โ€žDie รถffentliche Finanzierung darf sich nicht lรคnger an der Institution festmachen, sondern am Inhalt.โ€œ

An welchem Inhalt? An Girlie-Sendungen? Germanys Next Top Model? Baby Daddy?

ProSieben-Sat.1 ist Teil des Problems.

Und das Problem heiรŸt nun einmal: Wirklich intensive und gut gemachte Berichterstattung findet in den milliardenschweren Medienkonzernen nicht (mehr) statt. Wurde eingedampft, in Nischen und Randzeiten verdrรคngt. Und die GroรŸkopferten auch in den ร–ffentlich-Rechtlichen haben die Diskussion schon vor Jahren in eine vรถllig falsche Richtung gedrรคngt und den โ€žGrundversorgungsauftragโ€œ immer mehr mit Inhalten vollgestopft, die mit der ursprรผnglichen Intention nichts mehr zu tun haben. Denn die basiert noch auf einem Bildungsauftrag.

Nach ยง 11 Abs. 1 RStV (Rundfunkstaatsvertrag) hat der รถffentlich-rechtliche Rundfunk durch die โ€žHerstellung und Verbreitung von Hรถrfunk- und Fernsehprogrammen als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und รถffentlicher Meinungsbildung zu wirken. Das ist zwar eingebettet in die Vorstellung eines โ€žklassischen Vollprogrammsโ€œ. Musik und Sport sind also nicht untersagt.

Aber wer nur ein bisschen darรผber nachdenkt, was es braucht, damit ein โ€žProzess freier individueller und รถffentlicher Meinungsbildungโ€œ zustande kommt, der weiรŸ, dass Sport und Show dabei keine Rolle spielen. Das braucht etwas anderes. Und das sind zuallererst kompetente und gut ausgestattete Redaktionen, die das breitenwirksamste Medium auch mit spannenden und gut recherchierten Sendungen bespielen kรถnnen, die auch Stoff bieten, damit โ€žfreie Meinungsbildungโ€œ erst einmal mรถglich wird. Das decken die zumeist zeitlich und inhaltlich eingedampften Nachrichtensendungen schon lange nicht mehr ab. Und die groรŸen Reportageformate sind fast vรถllig verschwunden oder ins Nachtprogramm verbannt worden. Ich zumindest nenne das eine Nicht-Erfรผllung des Grundversorgungsauftrages.

Dass nun ein Medienkonzern, der so ein Anliegen noch viel weniger erfรผllt, gierig auf die Milliarden schielt, weil er glaubt, er trรผge auch was zur Grundversorgung bei, zeigt im Grunde, wie verdreht die Selbstwahrnehmung der hochbezahlten Medienmanager lรคngst ist. Und wie selbstverstรคndlich sie es finden, dass journalistische Angebote eigentlich nicht mehr zur Grundversorgung gehรถren. Die bringen ja nicht den Traffic, mit dem man Quote macht und Werbekunden zum Geldausgeben verleitet.

Aber gerade weil das so ist, wurde dereinst der Grundversorgungsauftrag (ziemlich windelweich) in den Rundfunkstaatsvertrag geschrieben. Da wussten ein paar Leute noch, dass eine demokratische Gesellschaft auch mรถglichst umfassende Berichterstattung รผber sich selbst braucht โ€“ damit sich der Bรผrger wirklich bilden und informieren kann.

Dazu taugt Fernsehen heute aber leider (bis auf wenige Sendungen) nicht mehr. Es hat den Kern seines Auftrags in der Blumenvase entsorgt und rangelt mit quotentrรคchtigen Sendungen um mรถglichst viel Publikum, das sich vor dem Bildschirm bespaรŸen lรคsst.

Ich wรผrde das auf keinen Fall mehr Grundversorgung nennen. Dass man es bei ProSieben-Sat.1 tut, finde ich reichlich seltsam. Aber vielleicht verstรคndlich in einer Welt, in der auch die diversen Politiker, die fรผr โ€žMedienโ€œ irgendwie verantwortlich zeichnen, recht froh zu sein scheinen, dass der ganze รคrgerliche Journalismus aus den Hauptsendezeiten verschwunden ist.

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