Seit geraumer Zeit wird ja über das langsame Hinschwinden des Leipziger Journalistik-Lehrstuhls geredet. Sogar im Landtag war es schon Thema. Was nicht Thema war, war die Tatsache, dass Leipzig symptomatisch ist für einen Journalismus, der die unheilvolle Hochzeit mit der PR eingegangen ist. Der PR-Lehrstuhl blüht und gedeiht übrigens, denn er bekommt regelmäßig Unterstützung aus der Privatwirtschaft. Und hilft dann auch gleich mal, den Journalismus auszubooten.

Denn von nichts anderem erzählt die Meldung der Universität Leipzig vom 22. Juni: „Integrierte Kommunikation: Wie Unternehmen sich im Dschungel der Medienvielfalt orientieren – Studie von Universität Leipzig und F.A.Z.-Institut zeigt aktuelle Tendenzen auf“.

Dschungel der Medienvielfalt?

Das macht doch neugierig. Beschäftigt sich die Analyse tatsächlich mal mit Medienvielfalt und der Rezeption von Unternehmensbildern in diesen Medien?

„Wissenschaftler der Universität Leipzig haben in einer aktuellen Studie untersucht, wie in Deutschland im Dschungel der Medienvielfalt zielgerichtet Unternehmens- und Marketingkommunikation umgesetzt wird“, heißt es weiter in der Meldung. „In Kooperation mit dem F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen in Frankfurt/Main befragten Forscher des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft unter der Leitung von Professor Dr. Ansgar Zerfaß und Dr. Nils Borchers 257 Kommunikations- und Marketingleiter deutscher Unternehmen, die mehrheitlich der Leitungsebene angehören. Ihre Studie ‚Integrierte Kommunikation 2017‘ ist jetzt erschienen.“

Wir haben uns dann durchgeklickt zu dieser 30seitigen Studie und die Medienvielfalt gesucht.

Natürlich haben wir sie nicht gefunden. Wer die Welt der „Public Relations“ betritt, hat mit Medien nichts mehr zu tun. Der kommt in eine in sich abgeschlossene Welt, in der es nur noch um eines geht: die komplette Kontrolle der Unternehmen über ihre Außen- und Innenwahrnehmung.

Was Dr. Gero Kalt, Geschäftsführer des F.A.Z.-Instituts, so auf den Punkt bringt: „Ein einheitliches Auftreten trägt immer zur Herstellung eines Gesamt-Images bei und bietet Unternehmen die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, wie andere sie sehen. Die Studie zeigt, wie ein umfassendes Verständnis von Integrierter Kommunikation heute aussieht und was zu tun ist, um dies schrittweise im eigenen Unternehmen fruchtbar zu machen.“

Das Ergebnis dieser Komplettkontrolle über die eigene Außenwahrnehmung ist das Verschwinden der Unternehmen aus den journalistischen Medien.

Denn die zeichnen sich ja, wenn sie wirklich noch journalistisch arbeiten, durch eine gewisse Unkontrollierbarkeit aus. Sie schreiben nicht immer das, was im Unternehmens-Image vorgesehen ist. Manchmal demolieren sie es geradezu, wenn sie merken, dass das Image nicht zur Wirklichkeit passt. Man denke nur an allerlei Ölkonzerne, Autokonzerne oder Bankinstitute.

Die „integrierte Kommunikation“ hat also ihre Haken und Ösen.

Und sie führt dazu, dass die Budgets, die die Unternehmen für Werbung aufwenden, abwandern. Dorthin, wo solch unliebsame Begegnungen nicht zu erwarten sind.

Die Werbeetats sind nämlich gar nicht geschrumpft. Aber auf gut bezahlten PR-Schulungen lernen die Unternehmen natürlich bei echten Profis, wie man sich der Nähe zu kritischen Störfeuern entzieht und die Budgets dorthin verschiebt, wo man die größtmögliche Kontrolle über alles hat.

Mit den Worten aus der Meldung der Universität: „Die deutsche Wirtschaft investiert mehr denn je in kommerzielle Kommunikation: Rund 45 Milliarden Euro werden jährlich für Werbung, Social-Media-Kommunikation, Sponsoring, Public Relations und andere Maßnahmen ausgegeben. Doch die Anforderungen von Kunden, Mitarbeitern und Öffentlichkeit an transparente Darstellungen und schnelle Auskünfte steigen im Zeitalter von Fake News noch schneller als die Budgets.“

Nur ist komplette Kontrolle halt das Gegenteil zu Transparenz. Wovon die Verbraucherzentralen des Landes ein Lied singen können. Denn die Inhalte, die die Verbraucher erleben, passen oft genug nicht zum strahlenden Image.

Und was rät Professor Dr. Ansgar Zerfaß vom Leipziger Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften? – „Eine Abstimmung aller Kommunikationsmaßnahmen im Sinne einer Integrierten Kommunikation ist deshalb unverzichtbar. Sie scheitert in der Praxis aber oft am Silodenken der zuständigen Fachabteilungen und Agenturen.“

Silodenken?

Doch wohl eher das kleine Problem, dass man am Ende eben doch mit Kunden kommunizieren muss und die nervenden Medien mit Werbebroschüren nicht zu überzeugen sind.

Denn anders als es die heutige PR versteht, sind Unternehmen keine in sich abgeschlossenen Kosmen, die die äußere Welt mit perfekten und tadellosen Produkten versorgen. Sie sind Teile unserer Gesellschaft, wenden aber – wie man oben sieht – Milliarden dafür auf, sich vor neugierigen Einblicken durch eine komplett durchdeklinierte „integrierte Kommunikation“ abzuschotten. So dass selbst Presseabteilungen zu verkappten Marketingabteilungen werden, Pressekonferenzen sich in dröges Marketing-Blabla verwandelt und Anfragen von der Presse, die man ja aus dem oben aufgelisteten Medienkanon aussortiert hat, entweder gar nicht oder nur mit dem üblichen Image-Blabla beantwortet werden.

Und 7 Prozent der befragen Unternehmen beherrschen das aus Sicht der Studie schon perfekt. Der Rest wird’s auch noch lernen. Denn Kurse dafür, wie man sich eine hermetische Unternehmenskommunikation zulegt, gibt es genug.

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