Am Montag, 28. November, verkündeten CDU- und SPD-Fraktion stolz, sie hätten gerade beschlossen, ein bisschen Geld für Medienkompetenzförderung auszugeben. Natürlich mit ganz großen Worten: „Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen zum Doppelhaushalt 2017/2018 haben die Koalitionsfraktionen der Staatsregierung den klaren Auftrag erteilt, eine Gesamtstrategie zur Medienbildung im Freistaat Sachsen zu entwickeln.“ Das fanden dann gerade die Grünen sehr erstaunlich.
„Auf der Grundlage dieser Gesamtstrategie soll ab 2018 ein Pilotprojekt einer medienpädagogischen Informations- und Koordinierungsstelle zur Verbesserung der Medienbildung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, gestartet werden“, teilten die beiden Fraktionen mit. „Dafür stellen die Koalitionsfraktionen ab 2018 zusätzlich Mittel in Höhe von 75 Tsd. Euro zur Verfügung. Die Koalitionsfraktionen greifen mit diesen Änderungen die Empfehlung einer von der Staatsregierung in Auftrag gegeben Studie zur ‚Medienbildung und Medienkompetenzförderung von Jugendlichen‘ auf.“
75.Tsd. sind 75.000 Euro. Das sind anderthalb Leute oder ein überbezahlter Beamter, die sich da was ausdenken sollen.
Die Studie geistert da irgendwo in Dresden herum. Aber schon die Kommentare aus den beiden Fraktionen zeigen, dass man eigentlich gar nicht so recht weiß, worum es eigentlich geht.
Aline Fiedler, medienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion: „Die Bedeutung der Medien und damit auch der Medienbildung wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Medienkompetenz ist ein Schlüssel zum souveränen Leben in der digitalen Gesellschaft. Wir stellen uns dieser anspruchsvollen Querschnittsaufgabe. Deshalb werden wir dieses Thema gemeinsam mit den zahlreichen Partnern klug weiterentwickeln und die guten Strukturen besser vernetzen.“
Eine „weiter steigende Bedeutung“ der Medien? Haben wir da was verpasst? Oder geht’s wieder um technische Spielzeuge?
Dass man eigentlich aus dem alten Trott gar nicht heraus will, macht Sabine Friedel, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, deutlich, wenn sie sagt: „In Sachsen haben wir viele Akteure und Initiativen, die Erfahrungen in der Medienbildung haben. Diese Fachkompetenz wollen wir bündeln und enger mit den öffentlichen Stellen wie Sächsischer Bildungsagentur, Schulen und Volkshochschulen verzahnen. Eine umfassende Medienbildung wird gerade angesichts der Digitalisierung in allen Lebensbereichen immer wichtiger.“
Also doch technische Spielzeuge.
Was Claudia Maicher, medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, nur verblüfft.
Denn dass es eine „medienpädagogische Informations- und Koordinierungsstelle“ braucht, widerspricht ja völlig der Behauptung, es gäbe schon „viele Akteure und Initiativen, die Erfahrungen in der Medienbildung haben.“
Was natürlich an einem amtlichen Irrtum liegt. Denn Medienkompetenz wird in Sachsen vor allem technisch verstanden. Dass die (jungen und alten) Sachsen ein Problem mit inhaltlicher Medienrezeption haben könnten, will Sachsens Regierung einfach nicht wahrhaben.
„Die Staatsregierung und Koalitionsfraktionen backen lieber kleine Brötchen, wenn es um das wichtige Thema Medienkompetenz geht. Mit der Ablehnung unseres Antrags zur Konzeption und Gründung eines sächsischen Medienkompetenzzentrums vergangene Woche haben sie eine essentielle Stärkung von Medienbildung und Medienkompetenz weiter auf die lange Bank geschoben. Anstatt im Rahmen der Haushaltsverhandlungen endlich die Weichen für eine dringend notwendige Investition in die Zukunft, in Medienbildung und Medienkompetenz zu verhandeln, wird sich nur auf das Nötigste beschränkt und erst ab 2018 ein Pilotprojekt angeschoben“, kritisiert Claudia Maicher die überflüssige Jubelarie.
Denn für das Eigentliche haben die Jubler wieder kein Geld bereitgestellt, so Maicher: „Dass die Koalitionsfraktionen die Erstellung einer Strategie zur Weiterentwicklung der Medienbildung beantragt haben ist gut und schön, aber ohne gleichzeitig entsprechende Mittel dafür bereitzustellen, ist fraglich wie das Vorhaben wirklich realisiert werden soll. Die Förderung eines Projekts in 2018 ist nach jahrelangem Nichtstun ein kleiner Schritt, aber aufgrund der Vielzahl von bereits vorhandenen Projekten wäre es wesentlich sinnvoller, das Geld in ein Medienkompetenzzentrum zu investieren, das vorhandene Projekte besser miteinander abstimmt, hilft, sie weiterzuentwickeln und sie einer breiteren Gruppe zugänglich machen kann.“
Seit 2014 versuchen die Grünen das Thema voranzutreiben – und werden jedes Mal mit Aussagen abgespeist, es gebe doch überall schon kleine Medienkompetenzzentren.
„Der Antrag meiner Fraktion, der Mittel in Höhe von 300.000 Euro für die Erstellung eines Konzepts und die Anschubfinanzierung zur Gründung eines Medienkompetenzzentrums in den nächsten zwei Jahren vorsah, wurde von den Koalitionsfraktionen abgelehnt“, stellt Maicher fest. „Das bedauere ich sehr. Investitionen in Medienkompetenz und Medienbildung in Sachsen sind sehr wichtig. Das zeigt nicht zuletzt die aktuelle Große Anfrage der AfD zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, die Basiswissen von der Staatsregierung abfragt.“
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Anfrage der Grünen zu den vom Freistaat schon geförderten Projekten zur Medienkompetenz. Die Regierung gibt tatsächlich jedes Jahr sechsstellige Beträge für solche Projekte aus – aber wer sich die Liste anschaut, wird fast nichts zu echter Kompetenz im Umgang mit Medien finden, dafür allerlei Spaßprojekte, Wettbewerbe, Filmwochen. Und jede Menge Spaß an der Technik.
Ausnahmen sind dann schon Projekte wie „Kompetente Medienkinder – Medienkompetenz, das oberste Ziel von Medienerziehung“ des Landesfilmdienstes. Aber selbst die eigentlichen Medienkompetenz-Projekte setzen viel zu spät an, erst auf der technischen Ebene. Das Problem ist aber der kompetente Umgang mit Medieninhalten. Die Medienkompetenz sei zwar in allen Lehrplänen verankert, hat Kultusministerin Brunhild Kurth 2015 bei der Verleihung des „Sächsischen Medienkompetenzpreises“ erklärt.
Aber Michael Sagurna, Präsident des Medienrates der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM), merkte damals nicht ganz zufällig an, dass es da in Sachsen ein gewaltiges Problem zu geben scheint: „Die wichtige Aufgabe der Medien wird verunglimpft und herabgewürdigt. Populisten schüren Ängste und verbreiten gezielt falsche Informationen. Selbst Erwachsene blicken mit einem Gefühl von Ohnmacht auf die Debatte um die Flüchtlinge. Umso wichtiger ist es, Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass sie nicht ohnmächtig sind, sondern sich ihre Meinung bilden und durchaus etwas bewegen können. Es kostet zwar Anstrengung und Zeit, aber es lohnt sich, wenn man sich gründlich eine Meinung bildet. Dazu gehört eine ganze Menge Skepsis und zugleich auch eine Menge Vertrauen.“
Eigentlich gehört noch eine Menge mehr dazu. Aber ob das je zu einer Medienbildung in Sachsen gedeihen wird, die wirklich ihren Namen verdient, das bezweifeln nicht nur die Grünen.
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