Na, mach du mal, Leo. Du hast hier noch am meisten Zeit von allen. Erklรคrโ mal den Leuten, warum wir an all diesen Fragebogenaktionen nicht teilnehmen. โ Stimmt ja. Seit ein paar Monaten ist das Postfach verstopft. Alle mรถglichen Medienlehrstรผhle wollen auf einmal wissen, wie es uns geht. Uns als Journalisten in Zeiten, wo so ein selbsternanntes Volk da drauรen โLรผgenpresseโ skandiert. Ehrlich?
Mal sind es ganze Institute, die ihre Fragebรถgen schicken, mal einzelne Projektteams, die das zu so einer Art Forschungsarbeit gemacht haben, mal einzelne angehende Bachelors, Magister und Doktoren, die darรผber eine fluffige Arbeit schreiben wollen.
Manche sind richtig nett und fragen immer wieder an wie die Medienforscher von der Maximilian-Universitรคt in Mรผnchen. Da frag ich mich schon beim Lesen: Haben die da vor Ort nicht ihre eigenen Probleme? Regiert bei denen nicht die CSU?
Darauf kommโ ich noch zurรผck.
Denn die Begrรผndung kam mir doch irgendwie โ vertraut โ vor.
โโฆ hiermit wรผrden wir Sie gerne nochmals an die Teilnahme unserer Studie โHass gegen JournalistInnenโ erinnern. Jede Meinung ist fรผr uns wertvoll, auch wenn Sie persรถnlich im Rahmen Ihrer journalistischen Tรคtigkeit noch keinen direkten Kontakt mit Hassbotschaften hatten. Im Kontext der andauernden Lรผgenpressedebatte beschรคftigen wir uns mit der Frage, wie hรคufig JournalistInnen aufgrund ihrer Arbeit mit Hassrede konfrontiert werden und welche Effekte diese auf Sie persรถnlich und ihre Arbeit hat โฆโ
โAndauernde Lรผgenpressedebatteโ?
Liebe Leutchen. Ihr guckt wirklich zu viel Fernsehen.
Das ist nรคmlich das Problem bei unseren vielen emsigen Medienforschern. Sie bekommen gar nicht mehr mit, dass es neben unserer realen Welt (wo wir gewรถhnlichen Fuรlatscher-Journalisten unterwegs sind) eine andere, vรถllig fiktive Welt des falschen Scheins gibt. Jene, in die augenscheinlich auch Tausende von Kollegen und Medienwissenschaftler jeden Abend abtauchen und all diese verqueren Talkshows gucken, sich aufregen und hinterher das Gefรผhl haben, โganz Deutschlandโ wรผrde sich ausgerechnet รผber den Dรผnnschiss aufregen, den die Talkshows im Privaten und vom รffentlich-Bedepperten verbreiten.
Entweder ist die Forschung wirklich noch auf einem hinterwรคldlerischen Stand. Oder sie begreifenโs wirklich nicht.
Wenn denkfaule Fernsehmoderatoren jeden Tag รผber โLรผgenpresseโ reden, heiรt das eben noch lange nicht, dass das in der grauen Realitรคt hienieden wirklich genauso die ganze Zeit โanhรคltโ. Oder gar wichtig wรคre.
Nicht egal ist, dass diese โmeinungsfรผhrendenโ Medien dafรผr sorgen, dass eine ganze benebelte Nation sich virtuell รผber so einen Quatsch monatelang aufhรคlt. Und nicht egal ist, dass diese von uns teuer bezahlten Sabbelbuden dafรผr sorgen, dass so ein Thema รผberhaupt eine solche Resonanz bekommt, richtig aufgeblasen wird. Bis alle glauben, Journalisten werden jeden Tag mit hunderten beleidigenden Tweeds und Mails รผberschรผttet.
Nur zur Erinnerung: Die Trolle gab es nicht erst 2015. Die gab es auch schon 2005. Und wahrscheinlich auch schon 1965 und 1955. Da mรผssen sich die รคlteren Kollegen mal erinnern, was sie da fรผr Post bekommen haben. Und von wem. Es sollen auch Politiker darunter gewesen sein. Und natรผrlich haben es diese kleinen Haudrauf-Spezialisten auch bei uns versucht, haben insbesondere unseren Account bei den Mรถchtegern-Sozial-Media beballert und so getan, als wรผrden sie durch ihre wortmรผllige Masse auch eine beleidigte Mehrheit da drauรen reprรคsentieren.
Anders als unsere auf Reichweite versessenen Kollegen in anderen Medienhรคusern haben wir aber die verbalen Schlรคger-Typen von Anfang an hinausgeschmissen, von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht und ihren den Zugang verweigert. Deswegen trollen die sich jetzt รผber uns auf anderen Seiten aus โ die meist ziemlich genau zugeordnet werden kรถnnen. Denn unsere kleinen Nazi-Spieler im Land kennen wir mittlerweile. Wer Nazis in seine gute Stube lรคsst, muss sich nicht darรผber wundern, dass sie pรถbeln.
Aber bei all dem dummen Gerede รผber den โ Nazi-Begriff โ โLรผgenpresseโ hab ich auch ein bisschen nachgedacht darรผber, warum mich dieses Herumgepรถbele eigentlich nie verwundert hat. Auch nicht aus heiterem Himmel kam, wie da augenscheinlich einige Leute glauben.
Es war halt nur neu, dass so freimรผtig gepรถbelt wurde.
Aber das setzt ja auf. Wie eigentlich alles aufsetzt, was unsere Neu- und Alt-Nazis machen. Sie gehen nรคmlich immer dann in Siegerpose, wenn sie merken, dass sie hinter den Kulissen schon lange Beifall kriegen. Wenn scheinbar ehrliche Bleichgesichter vorn auf der politischen Bรผhne schon lange ihr Vokabular benutzen (Schรถne Grรผรe, Herr Minister!) und auch ihre freundliche Verachtung fรผr Journalisten ausleben. Da wird zwischen guten und schlechten Medien unterschieden, werden die einen hofiert und ans Lagerfeuer eingeladen, die anderen werden freundlich abgewimmelt. Den einen gibt man โExklusivโ-Interviews โ die anderen mรถgen sich bitte an die Pressestelle wenden. Da empfรคngt man die Groรmogule, die mit โMedienโ nur viel Geld verdienen wollen. Zuletzt ist es ja richtig schick geworden, mit den Boulevardmedien zu posieren โ und diese ganze kritische Bande, die keine โMedienmachtโ hat, einfach zu ignorieren.
Das ist jetzt fรผr unsere Mรผnchner Welterkunder: Was glauben Sie, gegen wen unsere โLรผgenpresseโ-Bolde stรคnkern? Gegen die Boulevard-Spaรvรถgel oder gegen uns, die nicht mal dann von den Fernseh-Vรถgeln zitiert oder gar genannt werden, wenn die unsere Geschichten nachbearbeiten?
War die Frage jetzt zu schwer?
Sorry. Aber leichte Fragen und Antworten gibtโs bei uns nicht mehr.
Wir wissen, wie wir mit den Trollen in den Netzwerken umgehen mรผssen. Wir gehen damit nicht in Talkshows und jammern allen was vor, wie schlimm das ist. Und wir werden auch keinen Stoff fรผr vรถllig unsinnige Hausarbeiten liefern, die so grรผndlich am Eingemachten vorbeigehen.
Und dazu gehรถrt fรผr mich auch die kleine, nervende Frage: Welchen Anteil hat eigentlich das geliebte deutsche Bezahlfernsehen daran, dass der Journalismus heute augenscheinlich so verachtet wird?
Nur mal als Frage. Stichwort: Meinungsmacht.
Wie viel kann man sich davon kaufen? Und zu welchem Preis? Und wessen Lied singen eigentlich unsere โLรผgenpresseโ-Spezis? Wer reibt sich die Hรคnde, wenn dieses Lied auf allen Kanรคlen lรคuft?
Und die eigentlich immer logische Frage: Wer bezahlt eigentlich die ganze Chose? Und wer macht seinen Reibach dabei?
Das hat nun freilich alles gar nichts mehr mit der zitierten Fragebogenaktion zu tun. Sollte es auch nicht. Man kann auch meilenweit am Thema vorbeifragen und das dann Medienforschung nennen. Oder kalter Kaffee.
Und wenn ich dann in die Kombรผse gucke, ist natรผrlich auch kein Nachschub mehr da. Schickt Kaffee, Leute! Es kommen lausige Zeiten?*
*) Das war jetzt ein Zitat fรผr die Kenner der Leipziger Wirklichkeit.
In eigener Sache: Fรผr freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikรคufer
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 3 Kommentare
Einige von denen werden mir wohl in Erinnerung bleiben.^^
Danke ๐ Die โandereโ Taktik auch von ร/R โ Medien zielt darauf ab, die Reichweite hoch zu halten. Gleichzeitig wird dann aber beklagt, dass sich kaum noch Menschen konstruktiv รคuรern. Denn diese haben keine Lust (wie wir) auf das Gepรถbel ohne Argumente.
Fรผr die Statistiker: Um mit 16.500 Fans auf Facebook beidseitig konstruktiv zu bleiben, genรผgt es laut unserer Zahlen 70 User in den letzten 5 Jahren rauszuwerfen. Soviel auch zum Thema โMehrheitenโ.
M.F.
Das hat gesessen.^^
Eure Facebook-Seite ist im Gegensatz zu den meisten anderen wirklich wohltuend aufgerรคumt. Beim WDR kommen auf Beschwerden nur Ausreden von wegen zu wenig Personal (was euch ja auch nicht vom aufrรคumen abhรคlt) und bei anderen reagiert oft nicht mal einer. Die Hetze bis hin zu Aufrufen zu Straftaten bleiben da einfach stehen. Vielleicht sollten die mal bei euch lernen.