Während so mancher angefragte Abgeordnete sich denkbar kurz zu den etwas zugespitzen Fragen der L-IZ zu Rundfunkgebühren, Transparenz und Kontrolle beim MDR äußerte, hat sich die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Claudia Maicher, mit den angesprochenen Problemen deutlich intensiver auseinandergesetzt und sieht an einigen Stellen auch deutlichen Verbesserungsbedarf. Hier ihre Antworten auf unsere Fragen.
Warum veröffentlicht der MDR keinen jährlichen Bericht, in dem jeder Bürger nachlesen kann, welche Kosten welche Programmteile verursacht haben?
Transparenz fördert Kostenkontrolle und kann innovative Entwicklungen anstoßen. Für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler ist es wichtig, zu erfahren, wie mit ihren Beiträgen umgegangen wird und wohin das Geld fließt. In diesem Zusammenhang begrüße ich, dass der MDR seit dem Geschäftsbericht 2012 die jährlichen Selbstkosten nach Ressorts – beispielsweise für Sport, Spielfilm, Politik und Gesellschaft – veröffentlicht und dabei auch die durchschnittlichen Selbstkosten pro Sendeminute je Ressort darstellt. Die Geschäftsberichte sind auf der Webseite des MDR für alle abrufbar. Die Kostentransparenz ließe sich durch eine Auflistung nach einzelnen Programmteilen noch deutlich erhöhen. Auf der eigenen Webseite deutet der MDR im Geschäftsjahr 2014 bereits den Weg an, indem er die jährlichen Kosten für ausgewählte Fernsehsendungen darstellt. Ich wünsche mir hier eine noch stärkere Kostentransparenz.
Seit dem Geschäftsjahr 2012 veröffentlicht der MDR zudem einen Produzentenbericht, in dem er zuletzt offenlegt, in welcher Höhe Aufträge an abhängige und unabhängige Produzenten je Programmgenre fließen, welche Produzenten beauftragt wurden und wie viel eine Sendeminute ausgewählter Sendungen kostet. Die Kostentransparenz für beauftragte Programmteile ließe sich durch die Erweiterung der Liste noch deutlich erhöhen.
Warum wird kein Beteiligungsbericht veröffentlicht, der transparent darstellt, welche anderen Tochter- oder auch privaten Unternehmen wie viel von den Budgets des MDR bekommen haben? Und zwar nicht nur für den Landtag.
Die Beteiligungen des MDR sind in den Beteiligungsberichten der Geschäftsjahre 2013 und 2014 und in allgemeiner Form als Teil der Geschäftsberichte der jeweiligen Jahre für jeden auf der Website des MDR zu finden. Hier sind die Beteiligungen des MDR an privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaften, unter Angabe des jeweiligen Stammkapitals, aufgeführt. Aufträge an unabhängige Produzenten finden sich in den Produzentenberichten des MDR. Dort sind die Ausgaben für abhängige und unabhängige Produzenten nach Programmbereichen aufgeführt.
Warum haben Nutzer des Rundfunks nicht selbstverständlich ihren Platz im Rundfunkrat?
Die Vielfalt gesellschaftlicher Gruppierungen muss sich in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und damit auch des MDR, stärker widerspiegeln. Deswegen sollten bspw. Vertretungen von homosexuellen Menschen, Sorben, Menschen mit Behinderungen oder Migranten bei der Gremienzusammensetzung berücksichtigt werden. Darüber hinaus muss eine verbindliche Regelung mit dem Ziel einer paritätischen Besetzung aller Gremien mit Frauen und Männern eingeführt werden. Der Rundfunkrat muss jünger werden. Den Ton in den Gremien sollten die Vertretungen der gesellschaftlichen Gruppen angeben. Wir brauchen dringend eine offene Diskussion über Kriterien für gesellschaftliche Relevanz. Bisher stützt sich die Repräsentationsmechanik weiter auf althergebrachte Dominanzen und politische Vorlieben.
Ein Anhaltspunkt für die Besetzung der Gremien ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum ZDF-Staatsvertrag aus dem Jahr 2014. Das Verfassungsgericht forderte darin, dass „Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen sind“ und, dass „auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden“ sollen. Für die dringend notwendige Novellierung des MDR-Staatsvertrags muss dies berücksichtigt werden. Statt diese schnell anzugehen, wurde die Novellierung aber von Sachsen verschleppt. Die sächsische Staatskanzlei antwortete auf meine Anfrage im November 2014, es gelte das Prinzip „Qualität vor Schnelligkeit“ bei der Modernisierung des Staatsvertrags. Seitdem ist nichts passiert und der unzeitgemäße Vertrag gilt seit 1991 unverändert.
Warum ist der Rundfunkrat noch immer großenteils mit Politikern besetzt?
Die sächsische Staatskanzlei bremste in den vergangenen Jahren vehement jegliche Bestrebungen, den MDR-Staatsvertrag zu modernisieren und staatsferner zu machen, aus. Die Nominierung des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden und Ex-Ministers Steffen Flath für den Rundfunkrat im Juli 2014 hat dies unter Beweis gestellt. Die für den MDR-Staatsvertrag notwendige Begrenzung der Staatsnähe des Gremiums hätte ein sensibles Vorgehen bei der Aushandlung erfordert. Das hat sich auch unter der CDU/SPD-Regierung nicht geändert. Sie unterstützte im Dezember 2015 die Bewerbung Steffen Flaths zur Wahl zum Rundfunkratsvorsitzenden. Das war eine Machtdemonstration, die vom hemmungslosen Streben der CDU Sachsen nach Einfluss im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeugt.
Laut ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts darf der Anteil staatsnaher VertreterInnen im Rundfunkrat, in den Ausschüssen des Rundfunkrates und im Verwaltungsrat ein Drittel nicht überschreiten. Ich will, dass Vertreter und Vertreterinnen der Exekutive generell auszuschließen sind. Außerdem sind in den Vertrag Regelungen aufzunehmen, die die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit der staatsfernen Gremienmitglieder von staatlich-politischen Entscheidungszusammenhängen bei der Aufgabenwahrnehmung sicherstellen.
- Warum gibt es keine Sendeangebote, in denen der ÖRR mit seinen Zuschauern selbst ins Gespräch kommt über Angebot, Relevanz und Anspruch?
6. Was verhindert, dass Sender wie der MDR moderne, engagierte und unabhängige Formate entwickelt?
7. Kann es sein, dass das auf Quote getrimmte Senderangebot nichts anderes hervorbringen kann als Mittelmaß von mittelmäßigen Leuten?
8. Warum gibt es im MDR keine wirklich mutigen neue Sendeformate und auch keine wirklich wahrnehmbaren neuen Talente?
Zusammengefasste Antwort auf die Fragen 5 bis 8:
Ich finde es wichtig, wenn sich der MDR gemäß seinem Programmauftrag stärker mit den Zuschauerinnen und Zuschauern rückkoppelt. Dazu gibt es bereits einige Angebote des MDR. Es obliegt jedoch dem MDR im Rahmen seiner Programmautonomie, selbst über diese Frage und mögliche Angebote zu entscheiden. Dem MDR steht grundsätzlich nichts im Weg, zeitgemäße Formate zu entwickeln. Ich möchte keinen Schwarz-, Rot- oder GRÜN-Funk. Deswegen muss sich die Politik aus der Programmplanung und inhaltlicher Umsetzung heraushalten. Wünschenswert ist aber, dass alle Menschen Zugang zu den einzelnen Angeboten haben. Das heißt für mich, vor allem die barrierefreien Angebote weiter auszubauen und dass die Programminhalte im Internet zeitlich unbegrenzt abrufbar sind.
Im Rahmen der Erneuerung des MDR-Staatsvertrags muss der Programmauftrag an die Entwicklung angepasst werden. In dem Rahmen sollte eine breite Diskussion zur Modernisierung des Programmauftrags erfolgen.
Warum werden die politischen und investigativen Angebote nicht ausgebaut und immer nur auf Sparflamme gefahren? Oder glauben die Verantwortlichen nicht, dass so etwas im Dreiland vonnöten wäre?
Das öffentlich-rechtliche Angebot hat sich den neuen Herausforderungen der Meinungsbildung in einer digitalen Welt zu stellen. Dazu gehört zum Beispiel die Aufgabe, verschiedene Positionen und Meinungen aus einem schwer überschaubaren und zu einem großen Teil von kommerziellen Interessen geleiteten Informationsangebot sichtbar zu machen. Ich bin überzeugt, dass es dafür einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht.
Warum steigen die Pensionslasten dieses Senders so rasant? Kann man die Arbeit nicht mit ganz normalen Angestellten abwickeln? Brauchen wir dieses Heer von Sender-Beamten?
Der Anstieg der Pensionslasten hat weniger etwas mit der Form der Beschäftigungsverhältnisse zu tun, sondern hängt mit dem bis 2005 laufenden System der Altersversorgung zusammen. Der MDR hat aber zeitiger als andere ARD-Anstalten erkannt, dass ein Umsteuern erfolgen muss, um die Kosten der Altersversorgung zu senken. Er hat dazu das alte Tarifwerk zum Ende des Jahres 2005 aufgekündigt und erst zu Beginn des Jahres 2013 einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen. Die Pensionslasten für Versicherte des alten Versorgungssystems steigen unter anderem weiter, weil das ehemalige Tarifmodell noch von einer durchschnittlichen Zinsentwicklung ausgegangen ist, die über den aktuellen Niedrigzinsen liegt. Der MDR muss also für die entstehende Differenz aufkommen. Das neue Tarifmodell birgt dieses Risiko nicht mehr auf Seiten des MDR.
Wer macht die Arbeit des Senders eigentlich so teuer? Die Zuschauer sind es ja ganz gewiss nicht.
Die Programm- und Personalkosten sind im Geschäftsbericht nachvollziehbar. Es braucht eine ehrliche Diskussion darüber, wie wirtschaftlich der MDR für die Erfüllung seines Programmauftrages arbeitet. Wir müssen auch Fragen eines zeitgemäßen Programmauftrages klären. Nur über die Finanzierung und Cent-weise Absenkung des Rundfunkbeitrages zu diskutieren reicht nicht. Ganz neue finanzielle Herausforderungen stehen bei der Umsetzung der Trimedialität an, also der Frage, wie Telemedienangebote, Mediatheken, Apps und Podcasts verstärkt werden können. Das gehört zu einer zeitgemäßen Entwicklung des MDR dazu.
Was nutzt ein gesichertes Rundfunkangebot, wenn es gesellschaftlich überhaupt nicht relevant ist? Oder genügt Ihnen das Angebot unseres Heimatsenders?
Ein gesichertes Rundfunkangebot und Innovationen im Angebot schließen sich nicht aus, sondern gehen Hand in Hand. Ich unterstütze die Struktur eines gemeinschaftlich finanzierten Systems. Nur so ist eine weitgehende Freiheit und das Bestehen der öffentlichen Rundfunksender zu gewährleisten. Aber die Anforderungen an Transparenz, Qualität und Vielfalt müssen gerade deswegen hoch sein. Der Verfassungsauftrag heißt, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung zu gewährleisten. Das heißt für mich vor allem auch, die Meinungsvielfalt innerhalb des Programms zu gewährleisten. Auch der MDR darf nicht nur auf werberelevante Zielgruppen schauen, sondern mehr Beiträge und Angebote auch für diejenigen Gruppen anbieten, die sonst weniger Gehör finden. Auch hier muss gelten: Qualität vor Quote. Denn der alleinige Blick auf die Quote steht dem umfassenden Programmauftrag im Weg.
- Würden Sie einen Rundfunkbeitrag verteidigen, der auf die Einkommenssituation der erfassten Haushalte keine Rücksicht nimmt?
14. Gibt es von den Grünen einen realistischen Vorschlag, diesen Beitrag in einen sozial gerechten Beitrag zu verwandeln und die Steuereintreiberrolle der Rundfunkgebührenzentrale zu beenden?
15. Oder sehen Sie das nicht als Problem? Und wenn nicht: Warum nicht?
Zusammengefasste Antwort auf die Fragen 13 bis 15:
Als GRÜNE-Landtagsfraktion halten wir das System der solidarischen Finanzierung unabhängig von der tatsächlichen Nutzung für einen geeigneten Weg, eine allgemeine Informiertheit der Bürgerinnen und Bürger als Bedingung demokratischer und vielfältiger Meinungsbildung zu ermöglichen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Wechsel von der gerätebezogenen Gebühr zu einem geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag ist notwendig und richtig – allein schon durch die Konvergenz der Medien und der Empfangsgeräte. Nach unserer Überzeugung ist das neue Rundfunkfinanzierungsmodell einfacher, gerechter und verständlicher. Schließlich dient das neue Modell auch dem Schutz der Privatsphäre. Es ist Schluss mit dem Klingeln des Gebührenbeauftragten an der Wohnungstür, der in der Wohnung nachschauen und ausforschen möchte, wer welches Gerät besitzt und für welchen Zweck es genutzt wird.
Ich verteidige den solidarischen Rundfunkbeitrag. Beitragsbefreiungen und Beitragsreduzierungen aufgrund der Einkommenssituation oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. für Menschen mit Behinderung sind derzeit möglich. Das muss auch zukünftig so bleiben.
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