Dass die fremdenfeindlichen Diskussionen in Sachsen derartige Wucht entfalten konnten, hat natürlich auch mit den sozialen Medien zu tun, die Diskussionen jenseits aller redaktionellen Kontrolle ermöglichen - besonders Facebook steht seit Monaten in der Kritik, weil dort Rassisten und Islamfeinde auch Dinge veröffentlichen, die längst den Strafbestand der Volksverhetzung bedienen.
Aber es sind nicht nur Leute aus dem rechtslastigen Umfeld, die sich im Ton bei Äußerungen in den Netzwerken vergreifen. Am 8. Januar scheint auch jemand völlig neben der Spur gewesen zu sein, der Zugriff auf den Twitter-Account des Sächsischen Sozialministeriums hatte.
Über den Twitter-Account mit dem Namen @sms_sachsen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz wurde in den Morgenstunden des 8. Januar 2016 eine Äußerung getätigt, die mit staatlicher Unparteilichkeit nichts mehr zu tun hatte: „@MartinOehmichen Wenn man Geld geschenkt bekommt und wissentlich in ein kälteres Land auswandert, muss man auch in der Kälte warten können.“
Das Ministerium hat diese Äußerung zwar gelöscht, sich von dieser Äußerung distanziert und eine Prüfung angekündigt.
Aber Grüne wie Linke im Landtag nahmen diesen Ausfall zum Anlass, bei der Sächsischen Staatsregierung mal nachzufragen, ob es überhaupt verlässliche Handlungsempfehlungen für den Umgang mit sozialen Medien für alle Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen gibt.
Die gab es bislang nicht. Im Februar 2015 noch meinte die Staatsregierung, dass so etwas auch nicht gebraucht werde. Nach dem Vorfall vom 8. Januar aber sieht die Regierung doch Handlungsbedarf. Das geht aus der Antwort von Staatskanzleichef Dr. Fritz Jaeckel (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Volkmar Zschocke (Grüne) genauso hervor wie aus einer ähnlichen Antwort an den Linke-Abgeordneten André Schollbach. Was in den Empfehlungen geregelt und wie deren Beachtung erreicht werden soll, verrät der Staatskanzleichef allerdings nicht.
In der Antwort an Schollbach umreißt Fritz Jaeckel, der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, zumindest, was jetzt getan werden soll: „Zusätzlich zur internen Sensibilisierung der Mitarbeiter innerhalb der Ressorts erarbeitet die Sächsische Staatskanzlei derzeit Handlungsempfehlungen für den Umgang mit sozialen Medien für alle Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen. Diese beinhalten neben allgemeinen Anforderungen an den verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien auch konkrete Festlegungen zu Zugängen und zur Nutzung über dienstliche und private Geräte, sowie außerhalb der Kernarbeitszeit. Über eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe für den Bereich Sozial Media erfolgt zudem die Sensibilisierung der für die Twitter-Accounts verantwortlichen Mitarbeiter.“
Denn das Problem am 8. Januar war auch, dass man irgendwie nicht recht zuordnen konnte, wer eigentlich den Tweet auf den Regierungsaccount abgesetzt hat. Denn Zugriff hatten eigentlich nur zwei MitarbeiterInnen des Sozialministeriums, gesendet aber wurde der Tweet von einem privaten Computer.
Eine Frage nach der Verantwortung dürfte sicherlich auch Jaeckels Antwort mit sich bringen: „Es gilt das Vier-Augen-Prinzip. Meldungen werden vorher durch die Pressesprecherin autorisiert.“
Der Tweet hätte also ohne einen Gegencheck gar nicht rausgehen dürfen.
„Wäre die Staatsregierung unseren Hinweisen zur Notwendigkeit eines Konzepts früher gefolgt, hätte dieser Skandal verhindert werden können“, kommentiert Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, den Vorgang. „Doch aus Schaden wird irgendwann selbst die Staatsregierung klug. Der menschlich respektlose Tweet des Sozialministeriums hat nun offenbar endlich Aktivitäten seitens der Staatsregierung ausgelöst.“
„Noch Ende Februar 2015 verweigerte der Staatskanzleichef die Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Dr. Claudia Maicher nach einer Richtlinie oder eines Konzepts für den Bereich ‚social media‘ der Staatsregierung und verwies lapidar auf das Betreiben des Twitter-Accounts @SachsenDe ‚mit der üblichen Sorgfalt‘“, kritisiert Zschocke die lange Verzögerung des Themas. Anlass für die Frage von Dr. Claudia Maicher im Februar 2015 waren Weiterleitungen, sogenannte Retweets, vom Account der Sächsischen Staatskanzlei von Tweets der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion des Landtags. Die Antwort war zumindest etwas wattig: Die Staatsregierung habe zwar nicht vor, Tweets der Landtagsfraktionen „explizit“ weiterzuverbreiten, behalte sich aber das Recht vor, „interessante Inhalte/Tweets“ künftig dennoch zu verbreiten. Aus Sicht der Landtagsopposition ist das ganz sicher eine Vermischung aus Partei- und Regierungsmeinung.
Zudem hatten Pegida-unterstützende Tweets auf dem Account der Sächsischen Gedenkstättenstiftung zwischenzeitlich für Diskussionen gesorgt. Und sorgen sie noch, denn in diesem Fall hatte ein Twitter-Vorgang im Herbst 2015 im Grunde erst sichtbar gemacht, wie manifest die Führungskrise innerhalb der Stiftung Sächsische Gedenkstätten mittlerweile ist. Ein Vorgang, der aber auch sichtbar macht, wie sehr diverse Handlungsträger aus staatlich finanzierten Stellen ihr Neutralitätsgebot mittlerweile aufgeben, wenn sie sich mit eindeutig persönlichen Meinungen über offizielle Twitter-Kanäle in die eh schon überschäumenden gesellschaftlichen Diskussionen einmischen.
Die Antwort zum selben Thema an den Linke-Abgeordneten André Schollbach.
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Ich bin hier mal ganz altmodisch. Ich finde, eine Behörde, die hoheitliche Aufgaben hat, hat sich gefälligst ganz&gar aus diesem ganzen modischen Chichi mit den Sozialen Medien herauszuhalten, jedenfalls aus solchen, die zu Firmen außerhalb der EU gehören. Ich halte es für eine Sache der Seriosität, Mitteilungen und Verlautbarungen nur über wirklich allgemein zugängliche Kanäle wie Rundfunk und Fernsehen, die ja sogar durch die Wohnungssteuer (“Rundfunkbeitrag”) geadelt wurden, und durch die Presse zu verbreiten.
Man sieht ja, was für ein Unfug getrieben wird, nur wenn mal ein Passwort geknackt wird oder ein Autorisierungsvorgang (hier durch die Pressestelle) nicht ganz korrekt verläuft. Könnte man sich ganz sparen, und das SMS sollte Besseres zu tun haben als einem Tweet hinterherlaufen.