Quo vadis, Leipziger Stadtbibliothek? Die Frage durfte vor sieben Jahren durchaus noch gestellt werden. Da hatte die Stadtbibliothek schon ein paar Jahre Sparkurs hinter sich, hockte in einigen sichtlich heruntergewirtschaften Gebäuden und der Ankaufetat für neue Medien war ein Witz. Aber ging es nicht der ganzen Kultur so? - In der Stadtbiblithek wurde das Ruder damals herumgerissen. Das Ergebnis ist eine hübsche Million.
Die vermeldeten Bürgermeister Michael Faber und Susanne Metz, Direktorin der Leipziger Städtischen Bibliotheken, am Freitag, 6. Februar, gemeinsam bei einem gemütlichen Pressetermin mit blauen Tassen und einem Waschbären auf dem Tisch. Der saß schon absichtsvoll da, auch wen er nicht das neue Maskottchen der Stadtbibliothek ist. Das ist seit November ein gemütliches Nilpferd mit dem Namen Nilo. Dem wir in Bälde des Öfteren wiederbegegnen dürften. Den Namen haben die jungen Leser der Bibo gekürt.
Die jungen Leser gehören mit zu den Gründen, warum die Stadtbibliothek 2014 zum ersten Mal seit 2001 wieder über 1 Million Besuche melden konnte (genau: 1.076.871), dazu 2,9 Millionen Besuche in den diversen Online-Angeboten, 4,7 Millionen Entleihungen, 38.000 Besucher in den Veranstaltungen im Haus.
Und das mit deutlich weniger Mitarbeiterinnen und Ausleihstellen als 2001. Hinter dem kleinen Rekord steckt auch ein kleiner Jubel über die richtige Weichenstellung, die 2008 getan wurde, als nicht nur die viele Jahre lang immer wieder aufgeschobene Sanierung des Gebäudes am Wilhelm-Leuschner-Platz endlich begonnen wurde, sondern auch einige alte Filialen im Stadtgebiet neu sortiert wurden. Es war damals keineswegs sicher, dass es eine gute Idee sein würde, die Stadtteilbibliotheken von Gohlis und Reudnitz ausgerechnet in die neu entstehenden Einkaufszentren zu integrieren. Das stille Motto dabei: Dahin gehen, wo die Leute sind. Und die Leute sind heute so: Das Zentrum ihr Welt ist oft genug der tägliche oder wöchentliche Einkauf.
Und es hat funktioniert: Die beiden neu platzierten Stadtteilbibliotheken werden angenommen. Und zwar so gut, dass zumindest in Gohlis seit Montag, 2. Februar, die Öffnungszeiten täglich um eine Stunde verlängert werden konnten. “Möglich war das aber nur, weil wir die nötige Technik zur Verfügung haben”, betont Susanne Metz. Das war eine der wichtigsten Investitionsgrößen, die mit dem neuen Bibliotheksentwicklungskonzept verbunden waren: die Installation der notwendigen RFID-Technik, mit der die computergestützte Rückgabe von Büchern und anderen Medien möglich ist. Metz lässt auch durchblicken, dass mit den aktuellen Mitarbeitern eine solche Ausweitung des Angebotes nicht möglich gewesen wäre. Die OnLeihe war einer der wichtigsten Bausteine für das neue Verständnis der Stadtbibliothek. Spagat könnte man dazu sagen. Hybrid, nennt es Metz. Denn nicht nur mit einer deutlich gesunkenen Zahl von Personalstellen muss das Haus zurechtkommen, auch das Leserverhalten hat sich geändert. Was auch den Auf- und Ausbau des Online-Angebots von eBooks zur Folge hatte. Ein auch in der Stadtbibliothek deutlich wachsendes Segment.
“Auch wenn wir die Entwicklung nur nachvollziehen”, sagt Metz.
Und erwähnt den jährlich immer wieder neu entflammenden Hype um den Siegeszug des eBook natürlich. Genauso wie die ebenso häufigen Totengesänge auf das gebundene Buch.
Ist es aber so?
Einige Verlage, die diesen Hype mittanzen, werden sich wundern. Denn Bibliotheken sind auch Seismometer. Hier bekommt man mit, wie Lesen heute tatsächlich funktioniert. Und so wie Lesen in den Buchhandlungen immer mehr zum Erlebnis wird (mit Kaffee und Musik), ist es auch in der umgebauten Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz, die sich in den zwei Jahren seit der Neueröffnung immer mehr zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt entwickelt hat. Die Kinderbibliothek wurde schon beim Umbau größer konzipiert. “Wir hatten mit mehr Andrang gerechnet”, sagt Metz. “Aber nicht mit so viel Andrang.”
Denn es kommen nicht nur die Knirpse. Sie bringen auch gleich ihre ganze Familie mit. Ergebnis: Die Kinderbibliothek muss jetzt schon deutlich erweitert werden. Was aber ins Programm passt, betont Kulturbürgermeister Michael Faber. Denn hier werden die niedrigschwelligen Angebote wirksam, die eben nicht nur Kindern den Weg in die Literatur erleichtern. Bildungsauftrag, heißt das dann. Aus Sicht der Stadt: Mit den Medienangeboten der Stadtbibliothek so nah wie möglich zu den möglichen Nutzern. In die Schulen zum Beispiel in den Stadtrandgebieten, wo die Fahrbibliothek an rund 40 Orten Station macht und so gefragt ist, “dass ein zweiter Bus gar nicht schlecht wäre”, wie Metz sagt. Und sich von Michael Faber einen freundlichen Stupser einfängt.
Denn so ein Spezialfahrzeug kostet immerhin 400.000 Euro.
Da ist erst einmal Anderes fällig.
Das Erste ist die Komplett-Sanierung der Bibliothek Plagwitz, die im Frühjahr 2015 beginnen soll. “Und die ohne eine Komplettschließung nicht abgehen wird”, sagt Faber. “Da werden wir uns wirklich Ausweichvarianten einfallen lassen müssen.”
Und gleich im Anschluss 2016 soll Grünau eine neue Stadtteilbibliothek bekommen. Natürlich – nach den Erfahrungen in Gohlis und Reudnitz – direkt im Einkaufszentrum: Das ist in Grünau das Allee-Center. “Darüber haben wir eine ganze Weile nachgedacht, wie wir es am besten machen”, so Faber. Immerhin hat Grünau ja schon drei kleine Bibliotheken. Aber um das Angebot wirklich zu verbessern für den Ortsteil, braucht es eine zentrale, deutlich größere Einrichtung. Die Frage war immer nur, wo die entstehen soll. Das ist jetzt zumindest klar und habe auch – so Faber – die zugesagte Unterstützung des OBM. “Und wenn der OBM zustimmt, ist es ziemlich sicher, dass es auch so kommt.”
Vor allem auch, weil man das Ganze in Kooperation mit der Volkshochschule angehen will, so dass ein richtiges “Bildungszentrum Grünau” entsteht. “Wir müssen dort sein, wo die Menschen sind”, sagt Susanne Metz.
Eine andere Lücke ist noch ungeklärt. Denn nicht nur im Leipziger Westen steigen die Einwohnerzahlen und damit die Zahlen der Bibliotheksnutzer. Dasselbe rollt jetzt auch im Leipziger Osten an. “Aber hier sind wir noch auf der Suche nach dem richtigen Standort”, sagt Faber. Wenn man die bisherigen Erfahrungen weiter denkt, käme das Paunsdorf Center in Betracht. “Sofern es da freie Flächen in der richtigen Größe gibt.”
Denn auch in diesen großen Einkaufszentren kann man schnell an die Bedarfsgrenzen kommen. In Reudnitz würde Susanne Metz schon jetzt gern Fläche dazunehmen. Aber es gibt keine.
Aber den steigenden Bedarf gibt es. Und es deutet sich auch schon an, dass Leipzig künftig vermehrt den Lese- und Bildungsbedarf des Umlandes mit abfangen muss. “Das haben wir 2008 natürlich noch nicht mitbedacht”, sagt Michael Faber. Aber die Eröffnung des City-Tunnels im Dezember 2013 hat wohl auch indirekt dazu geführt, dass sich rund 1.200 Menschen aus dem Umland zusätzlich als Leser in der Stadtbibliothek angemeldet haben. Die S-Bahn-Station “Wilhelm-Leuschner-Platz” liegt ja fast direkt vor der Tür. Und wer irgendwo an der S-Bahn-Strecke wohnt, ist schneller in der BiBo, als man denkt.
Und da zieht das gute alte, gedruckte Buch immer noch am meisten. Aber dazu philosophieren wir morgen an dieser Stelle noch ein wenig.
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