Manchmal bekommt man ja so Briefe. Mit der Post. Mit der richtigen Post: 62 Cent pro Sendung und hรผbscher Stempel aus dem Briefzentrum. Der Medienstadt Leipzig e.V. hat uns jetzt so ein Briefchen geschickt. Und anderen wohl auch, die man so kennt aus der Medienlandschaft. Man feiert demnรคchst auch in diesem kleinen Verein zur Fรถrderung kultureller und wissenschaftlicher Projekte Geburtstag. Und mรถchte was verรถffentlichen.

Eine kleine Jubilรคumsschrift soll es werden, so wie 2000, da hat der Verein schon einmal eine kleine Bilanz gezogen unter dem Titel โ€œMedienstadt Leipzig. Anspruch und Wirklichkeit.โ€ Eigentlich war es damals schon der Abschied vom eigenen Anliegen und natรผrlich vom Anspruch Medienstadt. Der Titel gilt bis heute. Und auch die Ausgabe zum 25-jรคhrigen Jubilรคum soll so heiรŸen. Sie soll aber auch โ€œdie Vielfalt der Medien in Leipzig und auch die Vielfalt der Meinungen zum Thema Medienstadt dokumentierenโ€.

Tatsรคchlich aber war die Medienstadt 2000 schon tot. Die Wirklichkeit hatte mit dem mal 1990 getrรคumten Anspruch nichts mehr zu tun. Die Landeszentrale eines Fernsehsenders macht noch keine Medienstadt. Mal ganz davon zu schweigen, dass Leipzigs Stadtverwaltung schon lange nur noch Fernsehen und Kino als Medien betrachtet โ€“ und den Rest weitgehend ignoriert.

Mal kurz von der entsprechenden Website zitiert: โ€œLeipzig ist auch Medienstadt. Der Mitteldeutsche Rundfunk, die Mitteldeutsche Medienfรถrderung, zahlreiche Produktionsfirmen und Medienschaffende haben hier ihren Sitz. Die Stadt hat ein facettenreiches Angebot an Kinos und ist selbst hรคufig Schauplatz fรผr Film- und Fernsehproduktionen.โ€

Den Versuch, Leipzig zu einer Medienstadt machen zu wollen, hat die Stadt lรคngst ad acta gelegt. Wer heute Medien im Arbeitsportfolio der Stadt Leipzig sucht, findet sie einsortiert in das bunte Cluster โ€œMedien- und Kreativwirtschaftโ€. Was fรผr ein buntes Myzel das ist mit seinen fรผnf Subbranchen, kann jeder selbst auf der Website der Stadt beschauen. Der Eindruck รคndert sich dort nicht, auch wenn hier โ€œRundfunk und Filmโ€ und โ€œDruck- und Verlagsgewerbeโ€ als eigene Subbranchen auftauchen. Das macht nur umso deutlicher, dass es eine nach auรŸen wahrnehmbare Medienstadt Leipzig nicht gibt.

Es gibt deutschlandweit eigentlich nur drei Stรคdte, die aufgrund der Ballung relevanter und groรŸer Medienunternehmen als Medienstadt bezeichnet werden kรถnnen: Berlin, Hamburg und Mรผnchen. Denn das Kriterium ist die Stรคrke der Branche vor Ort und ihre รผberregionale Ausstrahlung. Das alles ist fรผr Leipzig nicht gegeben.

Und es erstaunt schon, dass der Medienstadt e.V. den Traum noch immer trรคumt, obwohl sich seit 2000 nichts geรคndert hat.

Drei Fragen hat er uns geschickt:

1. Wo sehen Sie die Stรคrken Leipzigs als Medienstandort?
2. Wo sehen Sie die Schwรคchen Leipzigs als Medienstandort?
3. Wie wird nach Ihrer Meinung die Medienstadt Leipzig im Jahr 2025 aussehen?

Und im Nachsatz noch die kleine Frage, โ€œwie die Leipziger Internet Zeitung zum Profil Leipzigs als Medienstadt beitrรคgtโ€.

Lauter Fragen, รผber die man lange nachgrรผbeln kann. Die aber nichts bringen. Leipzig ist nun einmal keine Medienstadt, so wenig, wie es noch Buchstadt ist. Was beides dieselben Grรผnde hat. Wenn das wirtschaftliche Profil einer Stadt nicht dominant von einer Branche (Medien) geprรคgt wird, macht der Namenszusatz keinen Sinn. Deswegen verwendet ihn die Stadtverwaltung auch schon lange nicht mehr. Und Medienstandort, was ist das? Ein Ort, wo auch Medien sind? Oder der von Medien dominiert wird?

Letzteres trifft ja nicht zu, auch wenn man in Zรคhlungen zur โ€œMedien- und Kreativbrancheโ€ tausende zumeist selbstausbeuterischer Menschen addiert, die โ€œirgendwas mit Medienโ€ machen. Das genรผgt aber nicht. Zeigt aber eine grundlegende Schwรคche: Wo die groรŸen Medienunternehmen fehlen, fehlen auch die Auftrรคge und Einkommen. Da fehlen auch zentrale Standorte der Medienwirtschaft. Der kleine Hotspot um die Landeszentrale in der Altenburger StraรŸe ist keiner. Da befruchtet sich nichts, entstehen keine neuen Synergien, schon gar nicht fรผr irgendein wie auch immer geartetes Medium, das auch wenigstens bundesweit fรผr den Standort Leipzig stรผnde.

Wer bei Tageszeitungen, Monatsmagazinen, Radiosendern usw. sucht, stรถรŸt auf das gleiche Phรคnomen: Hier wird regional produziert fรผr einen regionalen Markt. Und das zumeist auf einem niedrigen Anspruchsniveau.

Frรผher galt Leipzig auch mal als Medien-Hotspot, weil hier qualifizierte Leute ausgebildet wurden. Davon kann heute nur noch partiell die Rede sei โ€“ etwa bei der fachspezifischen Ausbildung fรผr das Verlagswesen an der HTWK. Wer irgendeine markante Gestalt als (Fรผr-)Sprecher des Clusters โ€œMedien- und Kreativwirtschaftโ€ sucht, lรคuft ins Leere. Es gibt keine. Denn eigenstรคndige Cluster hรคngen allemal davon ab, ob es darin ein paar umsatzstarke und vor allem unabhรคngige Unternehmen gibt, die Kraft und Kopf genug haben, fรผr eine ganze Branche zu kรคmpfen. Die grรถรŸten Player am Ort โ€“ MDR und LVZ โ€“ sind von einer Eigenstรคndigkeit so weit entfernt wie der Mond von der Erde.

Die LVZ-Zentrale im Peterssteinweg. Foto: L-IZ.de
Die LVZ-Zentrale im Peterssteinweg. Foto: L-IZ.de

Was auch dazu fรผhrt, dass die Stadt Leipzig nach ersten zaghaften Ansรคtzen in den 1990er Jahren eine eigene Medienpolitik zu den Akten gelegt hat. Es gibt keine. Deswegen weiรŸ man im Rathaus รผbrigens auch wenig bis nichts รผber die Leipziger Medienlandschaft. AuรŸer รผber die zwei, drei GroรŸen, mit denen man ab und zu am Kaminfeuer kuschelt. Aber das ergibt keine Politik, nur brรผderliches Wohlgefรผhl.

Das grรถรŸte Manko der so genannten Medienstadt: Kritische Kรถpfe haben keine Plattformen. Es gibt eine sogar erstaunlich reiche Landschaft kluger Medienmacher in Leipzig โ€“ weil die Stadt selbst jede Menge Stoff liefert. Aber die stellen ihre Beitrรคge in der Regel nicht fรผr regionale Medien her (weil die entweder schlecht oder gar nicht zahlen oder weil sie solche Beitrรคge gar nicht wollen โ€“ sie stรถren beim Kamingesprรคch), sondern tauchen mit Kopf und Inhalt in namhaften รผberregionalen Medien auf. Manchmal auch vor Gericht, weil sie ein paar Anzugtrรคgern in Sachsen zu sehr auf die FรผรŸe getreten sind.

Man kann die Leipziger Fischsuppe nicht betrachten, ohne dabei den Teich Sachsen mitzudenken. Die Regierenden in Dresden sind wahrscheinlich ganz froh, dass sie nur den MDR an der Backe haben. Und nicht gar noch so etwas wie eine Sรผdostdeutsche Zeitung oder so.

Wer โ€œwas mit Medienโ€ machen will (und da ist es ganz egal, ob in Leipzig, Dresden oder Bรถhlen), der bekommt, wenn er sich geschickt anstellt, zwar schรถne Landesfรถrderung fรผr Technik und รœbertragungsmedien, aber nicht fรผr Inhalte. Der muss also schon ein bisschen trainiert sein als รœberlebenskรผnstler. Entsprechend sehen die paar noch als eigenstรคndig wahrnehmbare Medien in Leipzig auch aus. Der โ€œKreuzerโ€ zum Beispiel, der eine ganze Menge Verdienste hat in seiner schรถnen Vergangenheit. Sie nutzen ihm nur nichts in heutigen Zeiten, da sich die Werbekunden aus der Welt der journalistischen Medien verabschieden und lieber da werben, wo sie mit der Zielperson allein sind. Die Stichworte lauten โ€œtarget marketingโ€ oder โ€œnative advertisingโ€.

Was heiรŸt das fรผr die โ€œStรคrken Leipzigs als Medienstandortโ€? โ€“ Es gibt keine. Wer sich nicht gegen die herrschende Gleichgรผltigkeit durchboxen will, braucht nirgendwo anzuklopfen.

Und was heiรŸt das fรผr die โ€œSchwรคchen Leipzigs als Medienstandortโ€? โ€“ Dasselbe. Es gibt keinen wahrnehmbaren besonderen Medienstandort. Wie sollte der also Schwรคchen haben?

Was man hat, ist eine Stadt voller Menschen, die durchaus auch ein breites und anspruchsvolles Medienangebot wahrnehmen. Wenn es da ist. Die dafรผr aber nicht auf die StraรŸe gehen wรผrde. Das wรคre zumindest mal ein Novum. Das wird aber bis 2025 auch nicht passieren. Warum รผberhaupt die Frage nach 2025? Gibt es auf Landes- oder Stadtebene irgendeine erkennbare Regung, den medialen Zustand in der Region zu รคndern? Vielleicht gar โ€“ wie Berlin โ€“ anderen Stรคdten massiv wichtige Medienunternehmen abzujagen? Natรผrlich nicht. Sachsen ist nicht Berlin.

Es geht also wohl nur um eine Zehn-Jahres-Spanne โ€“ und es wird sich nichts รคndern. AuรŸer dass ein paar engagierte Kreative wie die in und um die L-IZ Projekte umsetzen werden, die sie fรผr diese Stadt und diese Region als wichtig erachten. Ob das die Leipziger wirklich interessiert, werden wir sehen. Sie haben jetzt die Entscheidung in der Hand, ob ihnen starke regionale Medien wichtig sind, oder ob sie lieber โ€œDschungelcampโ€ gucken.

Der Leipziger Internet Zeitung ist das โ€œProfil Leipzig als Medienstadtโ€ so ziemlich egal. Dafรผr sind in den vergangenen 25 Jahren zu viele hochbezahlte Bรผttenredner durch die Foren, Podiumsdiskussionen und Jubilรคumsveranstaltungen geschaukelt und haben den Geist der hohen Medien beschworen. Geรคndert hat das im Konkreten, Lokalen nichts. AuรŸer dass ab und zu vรถllig รผberflรผssige Medienpreise verteilt werden, bei denen es eher um den schรถnen Auftritt der Jurymitglieder und um ein gegenseitiges Schulterklopfen geht als um die โ€“ naja, dingsda: Medien.

Es gibt wahrscheinlich keine andere Stadt in Deutschland, in der so viele Medienpreise โ€“ von Lerche bis Kartoffel โ€“ verliehen wurden und werden. Hat das irgendetwas an der vรถlligen Irrelevanz des Standorts geรคndert?

Und was tut die L-IZ nun dazu? Sie schreibt ab und zu so richtig schรถn desillusionierte Artikel รผber die Auftritte der Hofierten. Und schรคrft lieber ihr eigenes Profil.

Manchmal gehรถrt dazu auch die simple Einsicht: Es gibt keine Medienstadt Leipzig. Das Heft zum 25. Geburtstag ist รผberflรผssig. Und Papierbriefe beantworten wir schon seit elf Jahren nicht mehr.

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