Seit Montag, 8. September, ist ein Teil dessen zu sehen, was die sächsische Landesregierung sich seit 2012 rund 32 Millionen Euro kosten lässt: ein 30-Sekunden-Werbeclip für den Freistaat. "Großes braucht keine großen Worte. So geht sächsisch." Mit dieser Botschaft wirbt der Freistaat Sachsen zur besten Sendezeit in einem TV-Spot auf den reichweitenstärksten deutschen Fernsehkanälen. Diese Sendezeit hat ihren Preis.

Aus Sicht der sächsischen Staatskanzlei ein gelungener Schachzug: “Der 30-Sekünder ist eine selbstbewusste, emotionale Hommage an das Land Sachsen. Auf originelle Weise spielt der Spot mit den Sinnen und vor allem mit Geräuschen. So wird im Werbeumfeld ein aufmerksamkeitsstarker Überraschungsmoment geschaffen.”

“Der Spot ist ein zentraler Baustein der Kommunikationsoffensive zur Standortkampagne des Freistaates Sachsen. Insgesamt vier Wochen lang – vom 8. September bis zum 5. Oktober – werden die Zuschauer von ARD, ZDF, RTL, Pro Sieben, SAT 1 und VOX in der Primetime (Hauptsendezeit, d. Red.) erfahren, warum es sich lohnt, in Sachsen Urlaub zu machen, hier zu investieren, zu studieren, zu arbeiten und sich für sächsischen Genuss zu begeistern”, so die verantwortliche Staatskanzlei.

“Gedreht wurde im Frühjahr dieses Jahres an verschiedenen sächsischen Schauplätzen, darunter in Leipzig, der Sächsischen Schweiz, Chemnitz und Dresden. Im Mittelpunkt stehen die Protagonisten, allesamt authentische Sachsen, deren Emotionen und Sinneserlebnisse den Freistaat nicht nur visuell erlebbar machen, sondern hör- und (er)fühlbar”, erklärt die Staatskanzlei ihre Herangehensweise. Und verrät damit auch eine Sicht auf das, was man so in Kanzleistuben für sächsisch hält: “Ob ein tiefes Einatmen beim Anblick der faszinierenden landschaftlichen Kulisse der Sächsischen Schweiz oder der Pinselstrich der Malerin Rosa Loy in ihrem Leipziger Atelier, das Klingen der Gläser beim Anstoßen mit edlem sächsischen Wein oder der fulminante konzertante Höhepunkt beim Verdi-Requiem der Sächsischen Staatskapelle in der beeindruckenden Semperoper: Starke Bilder, gepaart mit der Melodie der Geräusche, ermöglichen dem Zuschauer einen außergewöhnlichen Einblick in das Land.”

Tatsächlich ist es die übliche ZDF-Fernseh-Ästhetik mit dem üblichen romantischen Gefühlsmulch. Klar. Das, was Fernsehzuschauer als tägliche Magenspeise vorgesetzt bekommen. Und dass Sachsens Staatskanzlei extrem fernsehaffin ist, hat sie ja mit mehreren Aktionen in den letzten Jahren immer wieder bewiesen. Herausgekommen ist tatsächlich nur ein Werbefilm. Im ganz simplen Sinn, so wie man Bierwerbung, Teewerbung oder Werbung für einen Kräuterschnaps aus deutschen Landen halt kennt. Mit den Worten der Staatskanzlei: “Im dokumentarischen Stil vermittelt der Werbefilm Einblicke und Momentaufnahmen. Er schließt mit dem Abbinder ‘Großes braucht keine großen Worte.'”Womit dann auch eine Unart des öffentlichen deutschen Fernsehens benannt ist: der so genannte “dokumentarische Stil”, der Ereignisse inszeniert und dramatisiert. Und so für den – erhebenden – Moment sorgt: “tiefes Einatmen beim Anblick der faszinierenden landschaftlichen Kulisse”. Das Wort sagt alles: Kulisse. Manches Bild trägt seine ganz eigene Botschaft in sich: Was hat das Auto im Leipziger Rosental zu suchen, wo normalerweise keine Autos fahren dürfen?

“Sächsisch ist viel mehr als ein Dialekt. Sächsisch ist eine Lebenseinstellung”, verkündet die verantwortliche Staatskanzlei auf ihrer Website zum Sachsen-Marketing. “Seit Jahrhunderten stehen wir für gelassenen Pragmatismus und die Entschlossenheit, Dinge ohne viel Gerede anzupacken, neue Ideen zu entwickeln und uns so ständig weiterzuentwickeln. Genau diese Stärken, die uns ausmachen, zeigen wir in unserer Kampagne für Sachsen. Wir wollen allen zeigen – in Deutschland und darüber hinaus – wie wir denken und handeln, wie wir die Dinge anpacken. Und was unser Land an Vielfalt zu bieten hat. An Wirtschaft und Wissenschaft. An Kunst und Kultur. An Landschaft und Gastfreundschaft.”

Das Ergebnis ist eine Art Hymnus, der die regionale Zugehörigkeit mal wieder zu etwas Romantischem überhöht. Mit den Worten der SSK: “Und das beschreibt auch das Konzept: eine Einheit aus Bild und Ton, die beim Zuschauer einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.”

Halt wie der Werbespot für ein Hustenbonbon oder eine gefüllte Waffel. Das “Dokumentarische” erscheint als Inszenierung eines theatralischen Moments. Beim Leipziger Bewerbungsspot für die Olympischen Spiele ging es ganz ähnlich zu. Lauter glückliche Menschen beim Malen, Kanalarbeiten, Musizieren. Und dann liefen alle mit dem Silbermädchen über die Brücke.

Aber den Werbeclip für das sächsische Hustenbonbon gibt es nicht nur auf den großen TV-Kanälen und zwischen der “heute”-Sendung und dem Wetterbericht im ZDF. “Darüber hinaus wird er wiederholt vor der ‘Tagesschau’ der ARD zu sehen sein, läuft bis Ende des Jahres in einer 45-sekündigen Langfassung in deutschen Kinosälen und wird im sächsischen Lokalfernsehen ausgestrahlt”, verkündet die Staatskanzlei. Womit zumindest die Zielgruppe stimmt: Fernsehkieker über 60 Jahre, die vielleicht noch so ein sentimentales Verhältnis zu ihrer Regierung haben. Pragmatisch ist an diesem Film nichts. Auch nicht der Spruch am Ende mit den Großen Worten. Denn das Große ist ja nicht zu sehen, wenn man vom Blick übers Elbsandsteingebirge mal absieht.

Es kam genauso, wie es der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gunkel 2012 befürchtet hat: Der Freistaat hätte gut daran getan, die 32 Millionen Euro in die Kulturraumförderung zu stecken. So wurde das Geld in eine recht teure Hustenbonbon-Reklame verwandelt, die den Fernsehzuschauer mit dem seltsamen Gefühl zurücklässt: Ja, was meinen sie denn?

Manchmal muss man zumindest ein paar kleine Worte sagen über das Große, das man meint. Ansonsten könnte man auch Werbung einer sächsischen Biermarke mit R gucken. Da ist auch ein bisschen Dresdner Semperoper drin. Sehr sächsisch. Aber da weiß man wenigstens, worum es tatsächlich geht.

Den Spot und ein bisschen drumherum findet man auf: www.so-geht-sächsisch.de

Ein bisschen was zur Standortkampagne: www.standortkampagne.sachsen.de

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