Eigentlich hat Abdullah Uwe Wagishauser, Bundesvorsitzender der Ahmadiyya-Gemeinde, alles gesagt: Mehr Polizei bringt nicht mehr Sicherheit. Zumindest wenn es um Moscheen geht. "Wir setzen auf Offenheit und Transparenz", sagte er. Die LVZ zitiert es. Und titelt trotzdem in großen Lettern: "Der Moschee-Bau und die Sicherheit - Leipzigs Polizei wird nicht gefragt." So geschehen am 10. September.

Vorher gibt’s noch einen langen Ausflug zu Übergriffen auf Moscheen in Deutschland. Ganz so, als sei das eine Art Naturphänomen, als würde sich da eine mysteriöse Empörung auskochen im Volke, ganz anonym, als wenn die meisten Zündeleien nicht sehr genau einem klar umrissenen rechtsradikalen Umfeld zuzuordnen wären. Das gern abtaucht, sich tarnt. Keine Frage. Man spielt gern “Volkes Wille” und Bürgerinitiative. Auch in Leipzig, in Gohlis, wo das entsprechende Chamäleon “Gohlis sagt Nein!” hieß.

Transparenz hat die Ahmadiyya-Gemeinde von Anfang an walten lassen, hat zu jedem Entscheidungsschritt auch die Presse informiert. Die Leipziger können hier quasi zuschauen, wie hier eine kleine Moschee geplant wird. Das Gelände gehört der Gemeinde. Sie hat eine Bauvoranfrage gestellt, ob ihre Pläne baurechtlich so umsetzbar sind. Am 4. September informierte die Stadt über den positiven Bescheid der Bauvoranfrage. Was die AfD umgehend nutzte, nach einem Bürgerentscheid zu rufen, als wenn der Bürger, der sonst nicht hinterm Ofen vorkommt, unbedingt darüber entscheiden muss, ob andere Leute sich ein Gebetshaus bauen dürfen oder nicht.

Muss der Bürger nicht. Hier geht es um Baurecht.

Aber die Vögel hört man trapsen. Hier melden sich die Bürger des vormundschaftlichen Staates zu Wort, die alle misstrauisch beäugen, was andere Leute tun.

Und die sich von der Aggression anstecken lassen, die die NPD weiter verbreitet.

Normalerweise berichtet eine Zeitung dann sachlich, stellt die Rahmenbedingungen klar. Aber irgendwie war der LVZ am Dienstag mal wieder nicht so. Sie fragte zwar an bei der Stadt, ob denn nun auch die Polizei gefragt werden müsste, wenn einer eine Moschee bauen will. Die Antwort zitiert sie zwar: “Polizeiliche Belange sind somit kein Gegenstand eines Bauvoranfrageverfahrens und die Polizei ist somit kein Beteiligter in dem Verfahren.” Macht dann aber trotzdem weiter, als hätte das Leipziger Planungsdezernat, indem es bestätigte, dass das geplante Bauwerk nicht gegen Baugesetze verstößt, schon einen kapitalen Fehler gemacht: “Leipzigs Polizei wird nicht gefragt.”

Das ist – ganz still und leise – genau das, was im Denken schon einen Polizeistaat ausmacht: Wenn die Polizei gefragt werden muss, ob ein Gebäude gebaut werden darf. Aber der Stil ist ja jetzt seit ein paar Monaten bekannt: Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das Andersgläubigen verbietet, sich ein Gebetshaus zu bauen – egal, ob das eine Kirche, eine Pagode oder eine Moschee ist. Bauvorschriften fordern nur, dass es sich in die Umgebung einfügt. Mehr nicht.

Und während Abdullah Uwe Wagishauser eindeutig sagt, er wolle nicht auf Polizei, sondern auf Transparenz setzen, schreibt die LVZ recht unverfroren im Titel: “Muslime fordern mehr Schutz”. Als wenn sie sogar selbst nach der Polizei rufen würden. Was sie in Leipzig aber nicht tun. Man zitiert einfach mal den Koordinierungsrat der Muslime (KRM). Und weil die Sicherheitsbedenken einer Einwohnerin namens Gisela B. der LVZ nicht genügen, holt man auch noch eine besorgte Bettina Kudla, Bundestagsabgeordnete der CDU, ins Boot, die augenscheinlich genau weiß, worum es geht: “In der Entscheidung zur Bauvoranfrage hätten Sicherheitsbehörden eine Berücksichtigung finden müssen.”

Auskunft des Leipziger Planungsdezernates: Nein. Sicherheitsbehörden spielen in deutschen Bauvoranfragen keine Rolle. Sie haben da einfach nichts zu suchen. Es geht schlicht um Baurecht.

Aber unverkennbar zündelt man unterm Mäntelchen Baurecht in der LVZ wieder ein bisschen. Es ist ja nicht so, dass die Aussagen von Wagishauser in der Überschrift stehen, der selbst der LVZ gegenüber ein paar eindeutige Worte sagte, er glaube nicht, “dass Sicherheit von Religionsgruppen durch Polizeischutz zu erreichen ist. Die Bereitschaft zum gegenseitigen Respekt könne nur aus der Gesellschaft selbst kommen.”

Doch die LVZ räumt die Stellen, die Aufmerksamkeit erregen, just jenen Botschaften ein, die den gegenseitigen Respekt untergraben, die dem Leser suggerieren, die Moschee sei ein Sicherheitsrisiko. Womit man ja genau den Tenor unterstützt, den AfD und NPD angeschlagen haben: “Der Moschee-Bau und die Sicherheit – Leipzigs Polizei wird nicht gefragt”.

So schürt man Ängste.

Da werden einige Redenschreiber vom rechten Ufer wieder zufrieden sein: Die Strategie geht auf. Erst sorgt man für eine künstliche Erregung, jubelt ein ungeliebtes Projekt andersgläubiger Menschen zum Sicherheitsrisiko hoch, initiiert sogar eine Bürgerumfrage, in der sich verwirrte Leipziger Bürger in einem großen Ramsch mit der vernetzten rechten Szene wiederfinden – und dann hat die LVZ keine Bedenken, diese Haltung zu übernehmen und gar selbst nach der Polizei zu rufen.

Und sie fragt nicht einmal in einem Nebensatz: Warum steigt eigentlich die Zahl der Übergriffe auf Moscheen in Deutschland? – Kann es sein, dass der fehlende Respekt auch etwas mit fehlendem Wissen zu tun hat? Nicht nur übers deutsche Baurecht, sondern auch über den Glauben der anderen? Über die Vielfalt religiöser Weltsichten überhaupt? Kann es sein, dass der Alarmismus vieler Medien auch immer öfter in sichtbare Panik umschlägt bei Menschen, die von ihren Zeitungen von einem Alarm in den nächsten getrieben werden?

Aber sehen sich solche Zeitungen überhaupt noch als Teil dieses Alarmismus, gar als Verursacher? Oder geht es nur noch um Auflagenhöhe, Klickzahlen, möglichst viele aufgeregte Leser, die wild losdiskutieren? Auch wenn das Ergebnis nichts als heiße Luft ist – und neue Munition für die Zündler aus der rechten Ecke.

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