Karola Wille möchte den Mitteldeutschen Rundfunk umkrempeln. Die Intendantin wünscht sich eine künftige Organisationsstruktur, die sich nicht mehr an Verbreitungswegen, sondern an Inhalten orientiert. L-IZ.de hat mit dem Linken-Landtagsabgeordneten Falk Neubert über die weitreichenden Pläne gesprochen.
Am 18. Juli stellte Intendantin Karola Wille den Mitgliedern von Rundfunk- und Verwaltungsrat ihre Umsetzungspläne für den Transformationsprozess “MDR 2017” vor. Wie bewerten Sie die geplanten Umstrukturierungen innerhalb der Sendeanstalt?
Die Grundkonzeption trifft auf meine volle Zustimmung. Angesichts der Konvergenz und Interdependenz der Verbreitungswege (Fernsehen, Hörfunk, Internet) halte ich eine redaktionelle Trennung auch nicht mehr für sinnvoll. Inwieweit die geplante inhaltliche Strukturierung in Information, Kultur und Bildung funktionieren wird, kann ich noch nicht absehen. Aber es scheint mir ein nachvollziehbarer Ansatz zu sein. Ich unterstütze auch ausdrücklich das Streben nach einem trimedialen Jugendangebot.
Aufgrund des MDR-Staatsvertrags wird der Sender personell weiterhin nach Verbreitungswegen strukturiert sein. Halten Sie einen Fernseh- und einen Hörfunkdirektor im digitalen Zeitalter noch für notwendig, oder würden Sie eine zentrale Programmdirektion präferieren, wie sie beispielsweise beim RBB existiert?
Nein, ich unterstütze die Veränderung. Hier muss sich der rechtliche Rahmen der Veränderung der Wirklichkeit anpassen. Es ist besser z. B. Nachrichteninhalte weiter auszudifferenzieren, als ein und denselben Inhalt in drei Redaktionen aufbereiten zu lassen. Natürlich gibt es dabei auch Gefahren. So muss trotz der Zusammenführung im Bereich Information auch die Binnenpluralität der Sender gewahrt bleiben.
Der MDR-Staatsvertrag stammt aus dem Jahr 1991. Sehen Sie aktuell Anlass zu einer Novellierung? Wenn ja, warum?
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates hat neue Maßstäbe für die Rundfunkfreiheit gesetzt. “Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen. […] Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.” Die Maßstäbe müssen künftig auch für den Mitteldeutschen Rundfunk, insbesondere für die Zusammensetzung der Gremien des MDR gelten. Schon dass macht eine Veränderung erforderlich. Dazu kommt die oben beschriebene Konvergenz der Verbreitungswege.
Rundfunkanstalten hatten früher aus technischen Gründen eine Art “Gebietsmonopol”, aus diesem folgten unter anderen die Namen der Rundfunkanstalten und in gewisser Weise auch die Publikumszuordnung. Dieser technische Bezug zu einem “Sendegebiet” ist bereits heute im Wesentlichen verlorengegangen. Weder muss man im MDR-Gebiet wohnhaft sein, um den MDR zu empfangen, noch kann der MDR automatisch von einer dauerhaften “Vormachtstellung” im MDR-Gebiet ausgehen. Rundfunkanstalten sind weltweit zu empfangen und Rezipienten können weltweit empfangen. Nicht nur Spartensender, auch die “Dritten” müssen sich künftig stärker über ihre Inhalte definieren.
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Unmittelbare Konsequenz für den MDR: Soweit sich der MDR noch über die drei mitteldeutschen Länder definieren will, geht das im Satelliten- und Internetzeitalter nicht mehr über das “Sendegebiet”, sondern ausschließlich über das Programm, welches eine umfassendere und ausgewogenere Landesberichterstattung und eine stärkere regionale Komponente beinhalten sollte.
In seinem Urteil zum ZDF-Staatsvertrag hat das Bundesverfassungsgericht im vergangenen April weniger Staatsnähe gefordert. Öffentlich-rechtliche Sender dürften, so das Gericht, “nicht zum Staatsfunk” werden. Der sächsische Ministerpräsident gehört zurzeit dem ZDF-Verwaltungsrat an. Was bedeutet diese Entscheidung für die zukünftige sächsische Medienpolitik?
Aus meiner Sicht haben Regierungschefs nichts in den Aufsichtsgremien der vierten Gewalt verloren. Das gilt für künftige Regierungschefs aus den Reihen der Linken ganz genauso. Die Parteien sollten als Vertreter gesellschaftlicher Interessen und Strömungen neben anderen in den Gremien weiter vertreten sein, in einem gewissen Rahmen und sehr transparent. Aber die Exekutive hat dort nichts zu suchen.
Darüber hinaus scheinen uns nach fast 25 Jahren weitere Veränderungen angezeigt: eine ungefähr hälftige Besetzung des Rundfunkrates mit Frauen sowie Rotations- und Losverfahren zur Berücksichtigung kleinerer Gruppierungen und nicht kohärent organisierter gesellschaftlicher Interessen. Das haben wir im Landtag, bisher erfolglos, beantragt.
Welchen inhaltlichen Einfluss sollte die Politik auf den öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk idealerweise nehmen dürfen?
Politik wird nicht umhinkommen, den rechtlichen und finanziellen Rahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu bestimmen. Das müsste es dann aber auch gewesen sein. Das Weitere sollten möglichst staatsfern organisierte Aufsichtsgremien und unabhängig arbeitende Redaktionen verantworten.
Eine Verantwortung allerdings hat die Politik, und die ist für mich als Linken zentral: Wie auch in vielen anderen Bereichen ist die Existenz öffentlicher Medien als wichtiger Teil geistig-kultureller Daseinsvorsorge gegen alle Privatisierungs- und Verdrängungstendenzen zu verteidigen. Wer immer von der Rückführung der öffentlich-rechtlichen Medien auf eine “Grundversorgung” spricht, betätigt sich in Wahrheit als Lobbyist der privaten Konkurrenz.
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