Angesichts der Entwicklungen in der Ukraine in den vergangenen 24 Stunden sehe ich mittlerweile das endgültige Eintreten Orwellscher Sprachverdrehung erfüllt. Aus Krieg wird Frieden, aus Frieden Krieg. "Krieg gegen den Terror" ist so eine lang geübte Verdrehung - hier wird der Krieg dem Krieg gegenüber gestellt und soll so zu Frieden werden. Es ist keine Verteidigung, keine Schutzmaßnahme, kein Friedensakt - Es ist Krieg, nicht Frieden und wir sehen zu.

Ist es falsch verstandene Vaterlandstreue und moralische Überheblichkeit der etablierten Massenmedien, wenn man nur noch über die wahrscheinlichen Ziele Putins sinniert und sich nicht einmal mehr fragt, ob das Handeln der NATO in Zusammenarbeit mit der Kiewer Übergangsregierung falsch sein könnte? Das fragt sich offenbar der größte Teil der Journalisten in Deutschland nicht mehr. Auch nicht mehr, was wäre mit mir selbst, wenn ich eine Waffe führen müsste. Sind sie alle schon zu alt, um sich da so sicher zu sein? Oder glauben sie wirklich, es richten immer andere für uns, während wir zusehen, klug kommentieren, berichten, was wir glauben. Wie gesagt, glauben, da ist zu wenig Wissen über die inneren Zuammenhänge in diesem Konflikt.

Nun, vielleicht reicht es ja noch für die “Volksfront” bei einigen Kollegen? Man kann nie wissen, wo einen das Vaterland auf einmal braucht, wenn man ständig unhinterfragt mitschreit, wenn nun die Kiewer Regierung das Wort “Weltkrieg” ausgibt. Wisst Ihr eigentlich, was dieses irre Wort bedeutet? Dann ist es endgültig vorbei mit der fröhlichen Sicht auf Bombentrichter, Interviews mit Schwerverletzten und bunten Bildern vom Krieg. Eure Kommentarspalten sind voll mit Beiträgen, Ihr sollt damit aufhören und Eure Aufgabe wahrnehmen.

Sind alle, die sich gegen diesen Krieg wenden, Vaterlandsverräter? Wird es schon wieder als Angst und Wehrkraftzersetzung verstanden, wenn man gegen einen Angriffskrieg ist? Wo sind die Aufrufe seitens der Medien – nie wieder Krieg? Ich sehe keine, dafür eine Nachricht nach der anderen, wie schrecklich, tückisch, gerissen, gierig “der Russe” ist. Wo habt Ihr Journalisten das gelernt, die Schuld immer beim Gegenüber zu suchen? In einem Montessoriekindergarten, an einer Waldorfschule, während Ihr Euren Namen getanzt habt? Auf dem Gymnasium, wo Euch erzählt wurde, dass es ab der Elbe ostwärts nur trocken Brot und arme Menschen gibt? Beim Studium, wo Ihr Eure Köpfe, aber nicht Eure Herzen gefüllt habt?

Reflexion, Demut, Achtung vor dem Leben? Fehlanzeige. Denn es sind ja nicht Eure? Seid Ihr so geworden, weil Ihr es zu leicht hattet mit Eurem Zivildienst und dem staatlich oder elterlich alimentierten Studium?

Was ist wohl jetzt mutiger: sich im trügerischen Bewusstsein, dass uns doch eh nichts geschehen wird, in den immer schärfer werdenden Kriegshandlungen der Ukrainischen Übergangsadministration zurückzulehnen, News-Ticker zu veranstalten, “geile” Bilder zu bringen, brennende Autos, Barrikaden, einschlagende Granaten – Juhu, endlich haben wir auch unseren Krieg?!

Oder sich dem entgegenzustellen und Nein! zu sagen? Wenigstens als Kommentar, Beitrag, Nachfrage?
Ich habe mich heute Morgen angesichts der immer neuen Nachrichten entschieden: Kein Ukrainer, kein Russe, kein Krim-Tartar, nicht mal die Swoboda-Faschisten in Kiew, kein Amerikaner oder irgendwer anderer in diesem Konflikt ist mein Feind. Nie gewesen.

Und deshalb fordere ich Euch Kollegen auf, legt endlich die Hände vor die Tastatur, schließt die Augen und fragt Euch etwas ganz einfaches: Was könnte ich nun tun, damit es aufhört mit dem Drohen, Angreifen, Schießen, Morden und Lügen? Fragt Euch endlich, denn auch Ihr tragt Verantwortung, die Ihr nicht delegieren könnt. Denn da ist keiner, der es für Euch übernehmen wird.

Von mir aus ruft zu den Montagsdemos auf. Egal, was da aus Eurer Sicht für Spinner unterwegs sind, flutet die Veranstaltung mit Menschen, die Euch noch vertrauen, die gegen diesen Krieg sind und es Euch überall in Eure Kommentarbereiche hämmern. Oder haltet Ihr diese Rückmeldungen eigentlich nur noch für das irrationale Geplapper von Untertanen, die es nur noch nicht begriffen haben? Und Ihr seid die, die es ihnen beibringen müsst?

Fordert endlich richtige Antworten von dieser Merkelregierung, die sich in immer mehr Widersprüche verstrickt, solange sie von Russland irgendetwas fordert und selbst nicht bereit ist, der Kiewer Regierung, den Freunden aus der USA bei den forcierten Kriegshandlungen in den Arm zu fallen. Das ist die Unterstützung in einem Angriffskrieg!

Ich bin wütend, traurig und entsetzt, wie sich das “friedliche Europa” hier offenbar willenlos in einen Konflikt ziehen lässt, bei welchem zur Zeit nur eines vollkommen feststeht: Die Kiewer Übergangs!Regierung gibt keine ernsthaften Termine heraus für Wahltermine, Referenden oder andere demokratische Mittel, um diesen Konflikt friedlich zu lösen. Im Gegenteil: Sie beginnt einen “3. Weltkrieg” gegen “den Terror”. Wie lange wollen wir noch “gegen den Terror” kämpfen, der in der Gewalt gegen ihn doch nur immer neue Farben annimmt und sich vermehrt?

Und die Bundesregierung “hofft” nun darauf, dass es doch eine Wahl am 25. Mai geben würde? Was TUT sie dafür außer ab und zu mit Putin zu telefonieren? Wer sind wir eigentlich? Idioten? Idioten, die man so dreist anlügen kann, weil eine angeblich höhere Doktrin dies verlangt?
Die von uns finanziell unterstützte Kiewer “Regierung” geht mit militärischer Gewalt zum Angriff auf Städte des östlichen Teils der Ukraine über, um eine angeblich gegen sie gerichtete Ordnung wiederherzustellen. Was wäre, wenn sie einfach zu Hause blieben? Diese Bestrebungen in der Ostukraine sind in erster Linie “auf sich”, auf eine Autonomiebestrebung gerichtet – der “Donbass” (das Donezkbecken) ist eine nicht grundlos stolze Industrie- und Arbeiterregion in der Ukraine, das wirtschaftliche Herz des Landes. Darf dieses nicht in einer förderalen Ordnung leben, weil hier ganz andere Interessen auf beiden Seiten eine Rolle spielen?

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Wer wirklich Entspannung oder gar Frieden will, würde angesichts fehlender Alternativen alles unternehmen, dieser Kiewer Regierung den Stecker zu ziehen, sie allein mit ihren militärischen Spielchen zu lassen und zu schauen, ob sie dann noch gepanzerte Fahrzeuge auffahren lässt. Und den Mut und die Nerven haben, abzuwarten, was Putin dann zu tun gedenkt. Geht er zum Angriff auf die Ukraine über, hat er jedes moralische Recht verspielt und die Selbstverteidigung gilt. Nur – bislang tut er es gar nicht, außer in Euren Mutmaßungen, Orakeleien, Truppenbewegungsbeschreibungen – immer am Rande der Lüge entlang und das nun schon seit Monaten.

Das Verhalten der Moskauer Regierung können wir nicht ändern, denn wir haben keine Wahlberechtigung in Russland. Hier schon. Ist diese Regierung in Kiew nun unser, also auch Deutschlands einseitig anerkannter Ansprechpartner oder nicht? Kann diese Regierung in Kiew ohne uns, unser Geld, unsere Unterstützung wirklich alleine Schritte unternehmen? Ja oder Nein? Wenn nein, dann sind wir ab jetzt mitschuldig. Schuldig an einem beginnenden Krieg in der Ukraine, welchen bis auf wenige Ausnahmen kein Mensch in Amerika, Russland oder Europa will.

Und weil Ihr Euch immer nur gern dann an ihn erinnert, wenn er gerade bequem erscheint, am Ende ein Kollege, der einst mutiger war, als Ihr heute. Ignaz Wrobel alias Kurt Tucholsky nach dem ersten Weltkrieg im Jahr 1931: “Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.”

Dem ist dringend ein weitaus älteres Zitat zur Seite zu stellen. Cyprian von Karthago (* um 200) in einem Brief: “Der Mord ist ein Verbrechen, wenn ein einzelner ihn begeht; aber man ehrt ihn als Tugend und Tapferkeit, wenn ihn viele begehen! Also nicht mehr Unschuld sichert Straflosigkeit zu, sondern die Größe des Verbrechens!”

Machen wir uns endlich strafbar.

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