Das neue Buch von Michael Haller "Brauchen wir Zeitungen?" beschäftigt natürlich auch die Studierenden an der Leipzig School of Media, wo Haller als Dozent tätig ist. Viele werden in Unternehmen arbeiten, die sich genau mit den Fragen beschäftigen müssen, die Haller aufgeworfen hat. In einem Interview hat das LSoM ihren Dozenten natürlich noch mal gefragt: Glaubt er das wirklich, dass Tageszeitungen noch zu retten sind?

Aber es geht eben nicht um die Verpackung. Es geht um den Inhalt, der in vielen Regionalzeitungen in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben ist. In der Regel aus Kostengründen. Da hat man Seiten und Bücher lieber mit kostenlosem geliefertem PR-Material oder “sowieso schon bezahltem” Agentur-Material gefüllt und lieber die ach so teure Redaktion ausgedünnt. Hier muss umgesteuert werden, meint Haller, wenn die Zeitungen nicht komplett ihre Bedeutung verlieren wollen.

“Es könnte die Rettung sein, wenn es gelingt, die Qualität der Gattung Tageszeitung ins digitale Zeitalter zu überführen. Dies sollte – langfristig gedacht – in Form von Apps geschehen, die aus dem E-Paper entwickelt werden und die auf Smartphones und Tablets zugeschnitten sind beziehungsweise für all die nachfolgenden Endgeräte, die wir heute noch gar nicht kennen. Auf diesem Wege könnten zusätzlich die Möglichkeiten der digitalen Medien genutzt werden, insbesondere Interaktivität und Multimedialität. Nach und nach könnte ein Produkt entstehen, das auch für die ganz junge Generation attraktiv ist, die sich derzeit nicht für das Zeitungslesen erwärmen kann.”Die jungen Leute aus der Leipzig School of Media zweifelten natürlich, dass nun ausgerechnet die Apps die Lösung des Teufelskreises sein könnten. Aber Haller sieht hier die Chance, Zeitungen wieder zu verkaufbaren Produkten zu machen. “Die App ist im Gegensatz zu einer üblichen Webseite attraktiv, weil man sie wie ein klassisches Abonnement verkaufen kann. Außerdem kann man die App, analog zur gedruckten Zeitung, als ein geschlossenes Produkt herstellen, in dem sich übrigens auch klassische Werbeanzeigen gut platzieren ließen”, sagt er im LSoM-Interview.

Nur könne man so eine App nicht so teuer verkaufen wie ein Print-Abo: “Während der nächsten 10 bis 15 Jahre wird es bei der Vermarktung der Apps deshalb um eine Mischkalkulation zwischen Offline und Online gehen. Man muss deren Akzeptanz testen und neue Angebote ausprobieren. Es wird viel zu wenig experimentiert! Endlich hat man dies in Sachen Paid Content erkannt: Metered Paywalls, Freemium oder harte Bezahlschranke – man wird sehen, welche dieser Konzepte sich durchsetzen werden. Ähnliche Erprobungsphasen wird es auch für die Zeitungs-App und deren Bezahlmodus geben müssen. Dasselbe gilt für die App als Werbeträger.”

Ansonsten ginge es bei den Verlagen sowieso in Richtung Bezahlinhalte. “Free wird indessen das informatorische Grundrauschen bleiben. Also das, was alle haben und überwiegend von den Agenturen stammt”, so Haller.

Nur: Wie kann das funktionieren, wenn die Tageszeitungen inhaltlich die Leser nicht mehr erreichen?

“Wer die Formel ‘Ich kenne meinen Leser’ benutzt, zeigt schon, dass er keine Ahnung hat. ‘Den’ Leser gibt es nicht. Es macht einen Riesenunterschied, ob ich 20- bis 30-jährige Singles ansprechen will oder die 40- bis 50-jährigen Berufstätigen, die wiederum anders ticken als noch ältere Leser. Das Durchschnittsalter der Abonnenten einer Tageszeitung liegt momentan auf ZDF-Niveau, also rund um die 60 Jahre. Es kann also nicht verwundern, dass ein Produkt, das diese Altersklasse anspricht, bei jüngeren Leuten gewisse Akzeptanzprobleme hat”, sagt Haller. “Besonders folgenschwer ist dies in Bezug auf die Gruppe der 30- bis 40-Jährigen. Denn diese bildet für die Zukunftssicherung der Zeitung die wichtigste Zielgruppe.”

Aber leider sei der Lokalteil vieler Zeitungen nicht so gemacht, dass sich die 30- bis 40-Jährigen angesprochen fühlen. “Dort finden Sie häufig einen Verlautbarungs- und Einbahnstraßenjournalismus, der die Jüngeren nicht interessiert.”

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Brauchen wir Zeitungen?
Michael Haller, Herbert von Halem Verlag 2014, 18,00 Euro

Die Kernzielgruppe der Tageszeitung sollten die Berufstätigen zwischen 30 bis 55 Jahren sein, so Haller, “die ihre Schulzeit mindestens mit mittlerer Reife abgeschlossen haben. Diese Zielgruppe hat erfasst, dass sie durch das Zeitungslesen auch einen veritablen Vorteil in Beruf und Privatleben hat oder haben könnte. Zu dieser Gruppe gehören auch diejenigen, die im öffentlichen Leben partizipieren wollen, die aktiv sind, und sei es im Sportverein, in der Wirtschaft oder der Politik. Und die meistens auch Multiplikatoren sind oder noch werden. Für diese Gruppe muss die Lokal- beziehungsweise Regionalzeitung attraktiv sein. Die über 55-Jährigen behält die Zeitung sowieso. Und die Jungen werden sich nur dann für die Zeitung interessieren, wenn sie sehen, dass diejenigen, die im Beruf voran kommen und die mitten im Leben stehen, täglich die Zeitung lesen.”

Um die Zukunft der Tageszeitung ist ihm da nicht Bange. Wenn denn die Verzahnung von Online und Print gelingt. Meint zumindest Michael Haller.

Das Interview in voller Länge: www.leipzigschoolofmedia.de/news-und-presse/news/news-singleansicht/details/es-wird-viel-zu-wenig-experimentiert/

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