Am 25. März entschied der erste Senat des Bundesverfassungsgerichtes, dass im Fernsehrat des ZDF nur noch ein Drittel Politiker und "staatsnahe Personen" sitzen dürfen. Wie die Entscheidung beim Verein "Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien", welcher u. a. dafür antritt, die demokratische Mitsprache bei der Umsetzung des gesellschaftlichen Programmauftrages der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten zu verbessern, aufgenommen wurde - dazu ein paar Fragen an die Vorsitzende Maren Müller.

Ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag irgendetwas an der politischen und staatlichen Einflussnahme auf die Sender?

Zunächst einmal ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag für uns zumindest ein kleiner Grund zur Freude.

Die Besetzung der Gremien mit “staatsfernen” VertreterInnen der gesellschaftlich relevanten Gruppierungen sollte für “unabhängige” Medienanstalten eigentlich selbstverständlich sein. Insofern wurde höchstrichterlich über einen Zustand beschieden, der in der öffentlichen Wahrnehmung bereits seit Jahren als skandalös beklagt wurde. Die Verfassungsrichter schränkten mit ihrem Urteil staatliche und parteipolitische Macht zwar ein, jedoch nicht konsequent genug. Die Gremien sollten komplett von parteipolitischen Interessen befreit werden.

Wird sich die gesellschaftliche Relevanz der Rundfunkräte auch nur ein bisschen ändern? Oder wird dadurch die altbackene und staastsnahe Zusammensetzung auch der Rundfunkräte der Landesanstalten der ARD nur noch bestätigt und zementiert?

Der Ursprungsgedanke, die Gremien mit VertreterInnen “Gesellschaftlich relevanter Gruppierungen” zu besetzen war ja im Interesse des Vielfaltssicherungskonzepts nicht dumm. Allerdings wird ja bei der Besetzung getrickst was das Zeug hält. Ein besonders perfides Beispiel liefert die Besetzung der gesellschaftlich relevanten Gruppierung “Vertreter aus den Bereichen des Erziehungs- und Bildungswesens, der Wissenschaft, der Kunst, der Kultur, der Filmwirtschaft, der Freien Berufe, der Familienarbeit, des Kinderschutzes, der Jugendarbeit, des Verbraucherschutzes und des Tierschutzes” mit dem sächsischen FDP-Vorsitzenden und Inhaber einer Werbeagentur Holger Zastrow. Zementiert wird die Zusammensetzung natürlich dahingehend, dass nun die Besetzung der Gremien zu einem Drittel mit Parteietikett versehenen Vertretern der Entsendeorganisationen stattzufinden hat.

Irgendeine Vertretung für unabhängige Medienmacher oder gar das zahlende Publikum ist ja in all diesen Beiräten nicht vorgesehen. Kann so überhaupt ein lebendiges, gesellschaftlich relevantes Fernsehen möglich werden?

Es gibt verschiedene Überlegungen und auch bereits praktizierte Verfahren um an diesem Zustand etwas zu verändern. Die Idee eines basisdemokratisch organisierten Publikumsrates geistert seit einiger Zeit durch die Medien, wobei auch hier eine paritätische Abbildung der Bevölkerungszusammensetzung nötig wäre. Die “alte” Mixtur ist aber nicht mehr zeitgemäß um eine Gesellschaft zu repräsentieren, die ständigen Veränderungen unterworfen ist. Auch “gesellschaftlich relevante Gruppierungen” verändern sich, bilden sich neu heraus und müssen angemessen berücksichtigt werden. Ich sehe z. B. in den Gremien zwar Kirchen, jedoch keine Vertreter von Atheisten, Agnostikern, Muslimen, oder Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International, Attac oder Reporter ohne Grenzen.
Oder sind nicht auch die Vertreter all der Wirtschaftsverbände und der Kirchen in diesen Gremien nur wieder Sittenwächter für eine alte, längst nicht mehr repräsentative Ständegesellschaft, die mit ihrer Präsenz Experimente, Innovationen und junge Themen im Fernsehen sogar verhindert?

So weit würde ich nicht gehen. Die Fernsehmacher sind parallel zu den Gremien tätig und ich bin mir sicher, dass Innovationen eher dem Quotendruck zum Opfer fallen, als der Präsenz angegrauter Gremien, die ja eh im Hinblick auf die Programmgestaltung nur beratend tätig sein dürfen. Besonders ärgerlich finde ich nebenbei bemerkt, dass die Quote fälschlicherweise mit Qualität gleichgesetzt wird. Es gibt aber zum Glück auch durchaus sehens- und hörenswerte Formate wie Deutschlandradio oder das extrem verjüngte ARTE. Die Probleme von Markus Lanz sind zum Glück nicht allgegenwärtig im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Sind diese Rundfunkräte überhaupt noch zeitgemäß? Oder stehen sie nicht eher für ein starres Welt-Bild, das Veränderungen und kritische Berichtserstattung sogar verhindern will? Staatsfernsehen also, wie es wenige Kommentatoren mittlerweile nennen.

Wenn man die tendenziösen und einseitigen Berichterstattungen zu aktuellen politischen Geschehnissen, oder gar die unsäglichen Talkrunden mit den ewig gleichen Protagonisten sieht, dann könnte man die Ansicht teilen. Allerdings gibt es auch kritische Formate, die sich mit Hintergründen, Missständen und Skandalen beschäftigen und durchaus investigatives Potential offenbaren. Auch die durchaus deftigen Satiresendungen lassen das kritische Publikum zuweilen versöhnlich aufatmen.

Steckt nicht in der Altbackenheit der Zusammensetzung der Rundfunkräte schon die ganze Wirklichkeitsferne, die die Fernsehzuschauer dann auch Tag für Tag, Abend für Abend erleben?

Siehe oben.

Und was müsste sich ändern, damit die Deutschen für ihre zwangsweise eingetriebenen Gebühren auch endlich Qualitäts-Rundfunk bekommen? Reicht es, da die Kontrollgremien zu ändern? Und wenn ja, wie?

Dass Einnahmen unabhängig von der Qualität des Programms unablässig fließen, ist der Steigerung der Qualität nicht dienlich. Das ist schlichte Marktlogik. Allerdings steht auch die Quote für Markt – die Gebühr jedoch sollte gerade die Unabhängigkeit sichern. Dieses Dilemma sollte zunächst aufgelöst werden. Die Gremien sollten endlich öffentlich tagen und sowohl Tagesordnung als auch Protokolle veröffentlichen. Absolute Transparenz und die eindeutige Abkehr von Lobbyismus jeglicher Art sollten im Interesse der Allgemeinheit, die ja den ganzen Betrieb finanziert, ganz oben auf der Agenda stehen. Auch vernünftige Öffentlichkeitsarbeit ist kein Teufelswerk und sollte sich nicht auf Festreden der jeweiligen Intendanten beschränken.

Und last but not least ist die fachliche Kompetenz des Gremiums zu erhöhen. Mein Vorschlag wäre darüber hinaus, dass die Besetzung der Gremien von den Entsendeorganisationen öffentlich ausgeschrieben werden. Das wäre gelebte Demokratie und nebenbei auch ein probates Mittel sich echte Kompetenz anstatt Abnicker im Sinne politischer Partikularinteressen zu organisieren. Die öffentliche Ausschreibung des “Piratensitzes” im WDR-Rundfunkrat hat gezeigt, dass es geht. Prof. Dr. Christoph Bieber (Ordentliches Mitglied) ist Inhaber der Johann-Wilhelm-Welker Stiftungsprofessur für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft an der Universität Duisburg-Essen. 1998 promovierte Bieber zum Thema “Computervermittelte Kommunikation und politische Öffentlichkeit – Politische Projekte im Internet.”

Peter Finkelgruen (stellvertretendes Mitglied) ist Redakteur und Autor. Ab 1963 war er Rundfunkredakteur und Sprecher bei der Deutschen Welle, 1981 Auslandskorrespondent der Deutschen Welle in Israel und von 1982 bis 1988 Leiter des Jerusalembüros der Friedrich-Naumann-Stiftung. Bis 2011 war Finkelgruen Vorstandsmitglied im P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland.)

Oder sollten die Sendeanstalten ganz und gar aus der Kontrolle der Länder(regierungen) genommen werden?

Danach sieht es wohl nicht aus, wie der Vorsitzende des ZDF-Fersehrates Ruprecht Polenz (CDU-Berufspolitiker seit über 40 Jahren) zum “klaren Bekenntnis des Verfassungsgerichts zur Binnenkontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks” äußerte: “Damit sollten die übergriffigen Versuche der Landesmedienanstalten, sich als Generalkontrolleure des Fernsehens in Deutschland zu positionieren, endgültig vom Tisch sein. Das sehr ausgewogene Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt den Ländern klare Hinweise nicht nur für die erforderlichen Nachbesserungen des ZDF-Staatsvertrages, sondern auch für die Überprüfung der jeweiligen Landesrundfunkgesetze, die die Arbeit der ARD-Anstalten regeln.”

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-026.html

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